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Kommentar | Rodri ist kein Einzelfall: Das (Millionen-)Spiel mit der Gesundheit

24. Oktober 2024 | Spotlight | BY 90PLUS Redaktion

Im September machte die schwere Knieverletzung Rodris Schlagzeilen. Dabei war und ist der spanische Stratege kein Einzelfall. Die Verbände schielen nach dem großen Geld – und gefährden dabei die Gesundheit ihrer eigenen Protagonisten. Ein Kommentar von Jakob Peinemann.

Rodris Verletzung war ein Alarmsignal

22. September 2024. Im Etihad Stadion findet das Duell der Premier-League-Schwergewichte statt: Arsenal gegen Manchester City. Der einstige Schüler Mikel Arteta fordert zum wiederholten Mal seinen ehemaligen Lehrer Pep Guardiola an der Seitenlinie. Die 188. Auflage dieser Begegnung endet mit 2:2, nachdem John Stones in letzter Sekunde für die Skyblues den Ausgleich erzielt. Überschattet wurde die Partie allerdings von der schweren Verletzung des Mittelfeldstars Rodri.



Es läuft die 17. Spielminute, als der Spanier sich bei einem Lauf das rechte Knie verdreht. Die Befürchtungen bewahrheiten sich: Kreuzbandriss. Die Saison ist gelaufen. Die Saison eben jenes Spielers, der wenige Woche zuvor vor der hohen Belastung, der die Spieler mittlerweile ausgesetzt sind, gewarnt hatte. Es ist die Ironie des Schicksals, dass eben dieser Mann, der erst aus einer Verletzungspause kam, den Rest der Saison zum Zuschauen verdammt wird.

Er ist allerdings nicht allein. Rodris Landsmann Dani Carvajal erwischte es ebenfalls. Im Ligaspiel gegen Villarreal riss sich der Rechtsverteidiger das Kreuzband. Sie eint noch eine weitere Tatsache: Beide standen im EM- Finale in der Startelf und wurden in Berlin Europameister. Die Pause zwischen den Saisons ist damit nochmal kürzer – die Erholungsphase dementsprechend ebenfalls. Ein anstrengendes Turnier, nachdem Rodri in der vergangenen Spielzeit bereits 50 beziehungsweise Carvajal 41 Pflichtspiele für ihre Vereine absolvierten. Es beschleicht einen das Gefühl, dass es im Profibereich insgesamt zu mehr Verletzungen kommt als noch früher. Aber stimmt das auch? Die klare Antwort: Ja!

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Studie belegt steigende Verletzungsquote

Eine Studie der Leeds-Beckett-Universität aus dem Jahr 2018 untersuchte 240 Spieler aus den englischen Profiligen zwei bis vier. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass es im Schnitt 40 Prozent mehr Verletzungen gibt als noch vor 17 Jahren. Hauptgründe hierfür sind vor allem ein erhöhtes Spieltempo, sowie insgesamt höhere Belastungen. Beim Spieltempo reicht es vermutlich aus, sich Highlights aus den frühen 2000er Jahren anzusehen, um festzustellen, dass der moderne Fußball schneller und intensiver gespielt wird.

Auch die Belastung Einzelner wird in Zukunft noch weiter gesteigert werden, wenn man sich die Pläne der Verantwortlichen ansieht: Champions-League-Reform, wo man bis zu vier Spiele mehr absolvieren muss, um am Ende den Titel zu holen. Die Gründung der Nations League 2018, welche den Zweck hatte, den lahmen Freundschaftsspielen zwischen den Spieltagen einen sinnvolleren Rahmen zu geben. Die Erweiterung der Klub-WM, die diese Saison zum ersten Mal mit 32 Mannschaften ausgetragen werden soll – anstatt mit acht.

Kommentar | Rodri ist kein Einzelfall: Das (Millionen-)Spiel mit der Gesundheit

Wann kommt das Alarmsignal endlich oben an? UEFA-Präsident Aleksander Ceferin und FIFA-Präsident Gianni Infantino. (Photo by Stu Forster/Getty Images)

Bei den Verantwortlichen geht der Blick nur in die Geldbörse

Wer profitiert am Ende davon? Die Rechnung ist, gelinde gesagt, recht simpel: Mehr Spiele bedeuten mehr Geld. Mit dieser Schlussfolgerung erzählt man fußballinteressierten Leuten keine bahnbrechende Neuigkeit. Wer jetzt denkt, dass sich mit der Reform lediglich die großen Oberhäupter wie Gianni Infantino und dessen Vizepräsidenten die Taschen vollmachen, denkt zu kurz. Die Hamburger Morgenpost berichtete im März dieses Jahres, dass sich das Startgeld der Klub-WM auf 50 Millionen Euro beläuft. Pro Verein versteht sich. Sollte man am Ende sogar den Titel holen, winken Prämien in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro. Zum Vergleich: Beim Gewinn der Champions League sind es «nur» 85 Millionen.

Logisch, dass das für die Top-Mannschaften durchaus lukrativ ist. Somit sind Größen wie Real Madrid, Bayern München oder auch Manchester City in der Lage, immer höhere Gehälter zu zahlen, was natürlich auch für die Akteure auf dem Platz attraktiv ist. Aber zu welchem Preis? Die x-te Gehaltserhöhung und Prämienausschüttung schützen nicht die Gesundheit der Spieler. Die Belastungsgrenze ist bereits überschritten – und sie wird ignoriert.

Die Frage, die sich stellt, ist folgende: Wie groß ist die Lobby der Spieler? Gibt es einen Punkt, wo sich Topstars verschiedener Vereine zusammenschließen? Wo ein «Es geht so nicht mehr weiter» der Tenor ist? Es wird in Zukunft spannend zu beobachten werden, wohin sich der Fußball entwickelt. Wie viele Eskalationsstufen nötig sind, damit sich nachhaltig etwas ändert. Denn es bleibt ein Spiel. Ein Millionenspiel mit der Gesundheit.

Ein Teufelskreis steigender Belastung

Zum Abschluss noch ein Fall, der sehr tragisch ist: Marc Bernal ist erst 17 Jahre alt. Das Toptalent war vor der Saison wahrscheinlich nur den wenigsten bekannt. Dennoch schajte er beim FC Barcelona unter Hansi Flick sofort den Durchbruch. Der 1,91 Meter große defensive Mittelfeldspieler, der den ein oder anderen Fan vermutlich an Vereinslegende Busquets erinnert, spielte sich zu Beginn der Saison in die Startelf.

Am 3. Spieltag verletzte sich der Jungprofi ebenfalls schwer am Knie. Möglicherweise eine zu hohe Belastung für einen Teenager, der seine ersten Schritte im Profibereich macht? Es fällt auf den ersten Blick nicht direkt auf. Aber aus welchem Grund muss er denn spielen? Sicherlich deshalb, weil die eigentlichen Stammakteure verletzt sind. Insbesondere Gavi ist hier ein passendes Beispiel: Der junge Spanier verletzte sich im November 2023 bei einem Freundschaftsspiel mit der spanischen Nationalmannschaft.

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Er war das jüngste Opfer: Der erst 17 Jahre alte Marc Bernal verletzte sich bei Barcas Gastspiel gegen Rayo Vallecano schwer. (Photo by Denis Doyle/Getty Images)

Der Fall Marc Bernal ist eine ungemein bittere Geschichte. Der Faktor Pech spielt da logischerweise auch eine Rolle. Es ist aber leider bezeichnend für die allgemeine Entwicklung des Fußballs – junge Spieler haben gar nicht mehr die Zeit, sich langsam an das Profiniveau zu gewöhnen, sondern werden direkt ins kalte Wasser geworfen. Zu dünne Kader mit zu vielen Verletzten sind ein Grund dafür.

Es bleibt zu hojen, dass diese Entwicklung nicht unaufhaltsam ist. Dass der Zug des aufgeblähten Terminkalenders nicht ungebremst ins Lazarett aller Topvereine fährt. Denn eines ist auch klar: Es kann nicht von Interesse sein, dass die Topduelle in der Champions League mit einer halben B-Elf gespielt werden. Auch in Zukunft bleibt die Qualität des Sports vor der Quantität der Spiele.

(Photo by Michael Regan/Getty Images)


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