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Victor Osimhen wagt Neuanfang in der Süper Lig: Was das für seine Karriere bedeutet

7. September 2024 | Spotlight | BY Lea Selin Thomas

Der Name Victor Osimhen bestimmte während des gesamten Transfer-Sommers die Schlagzeilen. Dass der mittlerweile in Ungnade gefallene Scudetto-Held der SSC Napoli am Ende ausgerechnet zu Galatasaray in die Süper Lig wechseln würde, hätte bis zuletzt vermutlich kaum einer erwartet. Ab sofort läuft einer der besten Angreifer der Welt also auf Leihbasis in der Türkei auf. Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Und was bedeutet dieser Schritt für die Karriere des nigerianischen Nationalspielers?

Osimhen und Napoli: Das unschöne Ende einer langsam bröckelnden Beziehung

Noch vor rund einem Jahr befand sich die allgemeine Stimmung in Neapel auf dem absoluten Höhepunkt: Die Azzurri hatten unter dem damaligen Trainer Luciano Spalletti eine überragende Saison gespielt und sensationell den ersten Scudetto seit 1990 gewonnen. Dieser historische Erfolg wurde von der Mannschaft und ihren Anhängern tagelang frenetisch gefeiert. Mittendrin: Victor Osimhen, der mit 26 Toren und fünf Vorlagen einen entscheidenden Beitrag zum Gewinn der ersten Meisterschaft seit 33 Jahren geleistet hatte.

Der heute 25-Jährige entwickelte sich binnen einer Saison zu einem der besten und gefragtesten Stürmer auf dem Markt. Nahezu jeder europäische Top-Klub zeigte Interesse an Osimhen, doch um den Bewerbern von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen, verpasste Napoli-Präsident Aurelio De Laurentiis seinem Angreifer ein Preisschild in dreistelliger Millionenhöhe. „Der einzige Verein, der sich Victor leisten kann, ist Paris Saint-Germain“, tönte der exzentrische Italiener damals und zeigte sich davon überzeugt, dass Osimhen beim frischgebackenen Meister bleiben werde – vorerst sollte er damit Recht behalten.

Osimhen

(Photo by Francesco Pecoraro/Getty Images)

Während der Saison 2023/24 bekam das einst gute Verhältnis zwischen dem nigerianischen Nationalspieler und Napoli dann erste Risse: Nachdem Ersterer nicht an seine Leistungen aus der vorherigen Spielzeit anknüpfen konnte, tauchte ein fragwürdiges Video auf dem offiziellen TikTok-Account des Vereins auf, in dem Osimhen offenbar verspottet wurde. Napoli wies den Vorwurf der Beleidigung zwar vehement zurück, doch die Aktion hinterließ dennoch Fragezeichen sowie einen faden Beigeschmack.

Es folgten schwierige Vertragsverhandlungen, die von öffentlichen Schuldzuweisungen begleitet wurden und beendet schienen, als der Nigerianer ein neues, bis 2026 datiertes Arbeitspapier unterzeichnete. Besagte Unterschrift hielt ihn allerdings nicht davon ab, nur wenig später öffentlich seinen Wechselwunsch kundzutun. „Ich möchte die Saison mit Napoli stark beenden und dann die Entscheidung vollziehen, die ich bereits getroffen habe“, kündigte er im Januar 2024 an – eine Aussage, die bei De Laurentiis und Napoli-Sportdirektor Giovanni Manna auf wenig Gegenliebe stieß.

Während der Sommer-Transferperiode tat sich in der Personalie zunächst wenig, auch weil nach wie vor die festgeschriebene Ablösesumme in Höhe von rund 130 Millionen Euro im Raum stand. Einige interessierte Vereine, darunter PSG, Manchester United und Arsenal, stellten ihre Bemühungen ein und verpflichteten stattdessen andere Spieler für weniger Geld. Nach und nach brachen Osimhen die Optionen weg, bis schließlich nur noch der FC Chelsea und Al-Ahli übrigblieben.



Ausgerechnet am Deadline Day schlossen sich aber auch die Türen nach London und Dschidda: Chelsea nahm Abstand von einer Verpflichtung, weil der Rechtsfuß auf seine hohen Gehaltsforderungen beharrte. Al-Ahli hatte unterdessen mit Ivan Toney noch ein zweites Eisen im Feuer. Nachdem eine Einigung bereits erzielt wurde, soll Napoli die Ablöseforderung von 80 auf 85 Millionen Euro angehoben haben – daraufhin stiegen die Saudis endgültig aus und holten Toney anstelle von Osimhen.

Für den geplatzten Transfer machten sich beide Parteien gegenseitig verantwortlich. „Die Situation ist sehr klar. Victor hat seinen absoluten Wunsch geäußert, nicht bei Napoli zu bleiben oder für Napoli zu spielen. Wir haben versucht, ihn glücklich zu machen. Dann gab es eine Nachfrage und ein Angebot und wir dachten, wir hätten die Verhandlungen abgeschlossen. Aber dann kam es doch nicht dazu“, äußerte sich Sportdirektor Manna gegenüber DAZN.

Dem Wunsch des Spielers entsprach der Klub aus Kampanien und strich ihn kurzerhand aus dem Kader für die Serie-A-Saison 2024/25. Mit Romelu Lukaku wurde außerdem ein Ersatzmann verpflichtet, der als Willkommensgeschenk mit der Trikotnummer 9 ausgestattet wurde – Osimhens Nummer. Spätestens nach dieser zweifachen Demütigung war ein für alle Mal klar, dass der einstige Scudetto-Held keine Zukunft mehr in der Stadt am Vesuv hat. Stattdessen drohte ihm eine halbe Saison auf der Tribüne.

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Letzte Ausfahrt Süper Lig: Sportlicher Abstieg oder neue Chance für Osimhen?

Die einzige Möglichkeit, diesem Szenario aus dem Weg zu gehen, war ein Wechsel in die Türkei. Dort ist das Transferfenster noch bis zum 13. September geöffnet. Galatasaray nutzte die Gelegenheit und erkundigte sich nach Osimhen – Napoli ergriff die letzte Chance, den in Ungnade gefallenen Stürmer loszuwerden und verlieh ihn bis zum Saisonende nach Istanbul. Damit haben sich die Süditaliener ihres Spitzenverdieners vorerst entledigt, denn während seiner Leihe deckt der türkische Rekordmeister das gesamte Gehalt des 25-Jährigen ab.

Der Wechsel von Osimhen in die Süper Lig gilt gemeinhin als echter Transfer-Coup, gleichzeitig deklarieren viele kritische Stimmen diesen Schritt aus Sicht des Spielers als sportlichen Abstieg. Auf den ersten Blick mag das so wirken, jedoch wird gerne übersehen, dass diese Lösung auch eine Chance für den neuen Angreifer von Galatasaray sein kann. Schließlich hat ihn die Leihe in die türkische Metropole vor der Tribüne in Kampanien bewahrt. Mit Gala kann er zudem immerhin in der Europa League spielen – im Falle eines Transfers zu Chelsea oder Al-Ahli wäre nicht einmal das möglich gewesen.

Osimhen

(Photo by Alessandro Sabattini/Getty Images)

Schon bei seiner Ankunft in Istanbul wurde er von den berühmt-berüchtigen Anhängern des Klubs ausgiebig gefeiert. Der geschlossene Support der Gala-Fans dürfte Osimhen beflügeln, wenn er fortan für die Löwen auf Tore- und Titeljagd geht. Sein Ruf mag während des Sommers gelitten haben, allerdings kann er nun in einer neuen Liga einen Neuanfang wagen und sich rehabilitieren. Hinzu kommt, dass er bereits im Januar weiterziehen könnte – sein Leih-Vertrag mit den Türken soll wohl nämlich eine spezielle Klausel beinhalten, die es ihm ermöglichen würde, sich während des Winters einem von zehn Top-Klubs anzuschließen.

Zu jenen Vereinen gehören dem Vernehmen nach unter anderem Real Madrid, PSG, Arsenal, Chelsea, Liverpool und der FC Bayern. Sollte dieser Fall eintreten, stünde Galatasaray eine festgeschriebene, bislang unbekannte Ablösesumme zu. Die Klausel soll auf den ausdrücklichen Wunsch von Osimhen hin in seinem Kontrakt verankert worden sein. Zumindest bis Januar läuft der Mittelstürmer also in der Süper Lig auf – wie es danach weitergeht, wird sich erst noch zeigen.

Fazit

Osimhens Transfer zu Galatasaray ist in jedem Fall eine große Überraschung, welche die Meinungen spaltet. Nüchtern betrachtet hatte Afrikas Fußballer des Jahres 2023 Glück im Unglück, denn ein Verbleib bei Napoli und damit ein Platz auf der Tribüne wäre die absolute Krönung des Dramas gewesen – im negativen Sinne, versteht sich. Die Süper Lig ist zwar nicht die attraktivste Liga für einen Spieler wie Osimhen, aber vermutlich immer noch wesentlich attraktiver als die Saudi Pro League.

Mit seinen 25 Jahren ist er außerdem im besten Fußballer-Alter. Sofern er künftig nur noch durch gute Leistungen auffällt, statt mit negativen Geschichten abseits des Platzes von sich reden zu machen, dürften die zuletzt eskalierten Streitigkeiten zwischen ihm und Napoli seiner Karriere nicht nachhaltig schaden. Dass die einst so erfolgreiche Zeit von Osimhen im Dress der Azzurri auf diese Weise enden musste, bleibt dennoch traurig.

(Photo by Francesco Pecoraro/Getty Images)

Lea Selin Thomas

Lebt die Rivalität zwischen den Mailänder Klubs und trägt die rot-schwarzen Farben. Bedauert sehr, dass sie die sportliche Blütezeit der Rossoneri um ein paar Jahre verpasst hat.


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