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Wolverhampton – Außergewöhnlicher Aufsteiger mit zweifelhaftem Fundament

14. Februar 2019 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Bereits vor der Saison war klar, dass die Wolverhampton Wanderers mit dem Abstiegskampf nichts zu tun haben würden. Ausschlaggebend dafür sind ein außergewöhnlicher Trainer, eine außergewöhnliche Mannschaft und ein zweifelhaftes Fundament…

Der Tag, der alles änderte

Dass Wolverhampton Wanderers F.C., ein Gründungsmitglied der „Football League“ 1888, zu den stolzesten und traditionsreichsten Vereinen Englands zählt, ist in den letzten Jahrzehnten etwas in Vergessenheit geraten. Drei Mal wurde der Klub Meister, zuletzt 1959. 1972 stand man sogar im UEFA-Cup-Finale. Das ist lange her.

Nur fünf der letzten 35 Spielzeiten wurden in der ersten Liga ausgetragen. In den verbleibenden 30 Jahren verweilte der Klub aus den West Midlands zwischen der zweiten und vierten Liga. Damit sollte ab dem 21. Juli 2016 ein für alle Mal Schluss sein. „Fosun International Limited“, ein chinesisches Konglomerat, übernahm den Verein für 45 Millionen Pfund. Das Ziel war klar: Wolverhampton sollte wieder Schlagzeilen machen, und zwar sportliche…

Zweifelhaftes Fundament

Die mediale Aufmerksamkeit ließ nicht lange auf sich warten. Die Gründe dafür waren aus Sicht des Traditionsvereins allerdings weniger erfreulich. Spätestens mit den Enthüllungen durch Football Leaks, in denen die zwielichtige Rolle des portugiesischen Star-Beraters Jorge Mendes und dessen Beraterfirma „Gestifute“ ans Licht kam, erhielt die Vereinsübernahme einen faden Beigeschmack. Fosun, so die Anschuldigung, investiere über Umwege in die Beraterfirma des umstrittenen Ronaldo-Agenten, der den Wolves wiederum eine Vielzahl an Spielern zulotst – ein Interessenkonflikt und, gemäß den Regularien der englischen FA, eindeutig verboten.

Seit der Übernahme 2016 haben fast ein Dutzend, zumeist portugiesische Mendes-Klienten den Weg ans Molineux Stadium gefunden, darunter auch Aufstiegstrainer Nuno Espírito Santo. Das prominenteste Aushängeschild dieser „portugiesischen Connection“ ist jedoch Nationalspieler Ruben Neves. Als hochtalentierter 20-jähriger und trotz Interesse aus halb Europa, tauschte der Mittelfeldspieler die Königsklasse gegen die zweite englische Liga ein. Der Transfer vom FC Porto zu Wolverhampton ist bei einer Ablösesumme von 18 Millionen Euro bis heute der teuerste in der Geschichte der Championship.

(Photo by David Rogers/Getty Images)

Die FA sieht in den Verbindungen zwischen Mendes, der laut Verein lediglich „ein Freund und inoffizieller Ratgeber“ ist, und den Wolves-Eigentümern scheinbar keinen Regelverstoß.

Und so rückt das Sportliche wieder in die Schlagzeilen…

Außergewöhnliche Mannschaft

Schon im zweiten Jahr unter der chinesischen Leitung hatte Wolverhampton eine außergewöhnliche Mannschaft zusammengestellt, die 2017/2018 die Championship verzauberte.

Taktgeber Ruben Neves brillierte und ist bis heute wohl der beste Spieler, den die englische zweite Liga jemals zu Gesicht bekam. Seine Landsmänner auf den Außenbahnen, Diogo Jota, Ivan Cavaleiro und Hélder Costa belebten die mit 82 Saisontoren beste Offensive. Die aus Transfer-Sicht beinahe schon vernachlässigte Defensive um Willy Boly und Conor Cody entwickelte sich mit nur 39 Gegentoren ebenfalls zum Ligaprimus. Im ersten Jahr unter der Leitung von Nuno Espírito Santo marschierte Wolverhampton problemlos durch die Saison. Der Aufstieg wurde mit neun Punkten Vorsprung auf Platz zwei zur Formsache.

(Photo by Richard Heathcote/Getty Images)

Dass der Kader 2018/2019 nach weiteren Investitionen in Höhe von 100 Millionen Euro, u.a. für Joao Moutinho, Rui Patricio und Benfica-Leihgabe Raúl Jiménez, nichts mit dem Abstieg zu tun haben würde, war absehbar. Dass sich der Aufsteiger allerdings so problemlos im englischen Fußballoberhaus etablieren würde, war und ist beeindruckend. Hier kommt der Trainer ins Spiel..

Außergewöhnlicher Trainer

Nach neun Klubs in 18 Jahren als Torhüter, darunter der FC Porto, schien auch die Trainerkarriere Nuno Espírito Santos ziemlich wechselhaft zu werden. Bei seiner vierten Station in fünf Jahren scheint der Portugiese allerdings sesshaft zu werden.

Mit den Wolverhampton Wanderers hat Espírito Santo einen Klub gefunden, bei dem er das Vertrauen und die Mittel erhielt, etwas nachhaltiges aufzubauen. Den Grundstein legte er direkt nach seiner Ankunft im Sommer 2017 in Liga zwei. Seine Philosophie, zu der Einsatz, Taktik und spielerische Ausrichtung zählen, ist fest im Verein verankert. Schon jetzt dient sie als strikte Vorgabe für die U-18- und U-23-Mannschaften: „Der Moment, in dem deine Spieler wissen, was du siehst und es auch sehen, das macht mich stolz“. Dabei stets im Fokus: Hohe Arbeitsmoral, die Dreier-, respektive Fünferkette, und das direkte, zielorientierte Offensivspiel.

Letzteres hat der raffinierte Trainer in der qualitativ hochwertigeren Premier League übrigens erfolgreich eingedämpft, um mehr Stabilität zu bezwecken. 2018/2019 erzielen die Wolves zwar weniger Tore, haben allerdings überraschenderweise die fünftbeste Defensive der Liga vorzuweisen. Damit steht der Aufsteiger in dieser Kategorie vor Arsenal oder Manchester United.

(Photo by Richard Heathcote/Getty Images)

Anders als in der zweiten Liga sind dicke Geldbeutel und talentierte Spieler in der Premier League keine Seltenheit. Hier bedarf es mehr als „nur“ spielerische Klasse…

Außergewöhnliche Mentalität

In Wolverhampton steht das Gemeinschaftsgefühl an vorderster Stelle. Zu seinem „Wolfsrudel“, wie Espírito Santo es liebevoll nennt, gehören nicht nur hervorragende Einzelkönner. Dazu zählen auch einst abgeschriebene Spieler, wie Kapitän Conor Coady, der unter den Fittichen des beliebten Trainers nicht nur seine Karriere, sondern auch die „Libero“ – Position neu aufleben ließ. Zu diesem Rudel gehören selbstverständlich auch sein Trainerstab und die medizinische Abteilung, mit denen er als Zeichen der Dankbarkeit seine „Trainer des Monats“ – Auszeichnung im Oktober teilte. Das Küchenpersonal, dem Espírito Santo, „nächstes Mal“ diese Ehrung widmen möchte, darf ebenfalls nicht fehlen: „Alle sind wichtig, alle.“

Mit seinem Enthusiasmus und seiner Klopp-ähnlichen Begeisterungsfähigkeit hat Wolverhamptons „Special One“ eine ganze Region angesteckt. Das wirkt sich auch auf dem Platz aus. Die Wölfe haben in dieser Saison sowohl die meisten Tore in der Nachspielzeit (5) geschossen als auch die fünfmeisten Punkte nach Rückständen geholt (10).

Espírito Santo gelang es nicht nur, seiner Truppe einen imposanten Teamgeist, sondern eine besondere Siegermentalität einzuhauchen. Gelernt hat er das von einem seiner ehemaligen Trainer. Der Mann, unter dessen Leitung er beim FC Porto erst den UEFA Cup und schließlich die Champions League gewann: José Mourinho

“Wenn du jemanden hast, der dich trainiert, dem du folgst, und du alles tust, was du kannst, weil du an die Idee deines Anführers glaubst, dann bleibt das für immer bei dir. Das ist der Einfluss, den José Mourinho auf mich hatte.“

BBC

Außergewöhnliche Ziele

Bei noch zwölf ausstehenden Spieltagen der Saison 2018/2019 ist bereits jetzt klar, dass die Wolves ihre bisherige Bestmarke der Premier-League-Ära (40 Punkte) knacken werden. Die Ziele der Klubbosse sind allerdings deutlich höher.

„Langfristig wollen wir einer der besten Klubs der Welt sein“, erklärt Vorstand Jeff Shi, „wir wollen in die Top-Four der Premier League und in der Champions League konkurrieren.“

Prinzipiell könnte man sich damit anfreunden. Ein Traditionsverein aus einer fußballbegeisterten Arbeiterstadt, der als Aufsteiger die Liga in seinen Bann zieht und die heiß ersehnte Rückkehr an die Spitze schafft. Ein außergewöhnliches Team, ein außergewöhnlicher Trainer und eine außergewöhnliche Mentalität. Wäre da nicht dieses zweifelhafte Fundament…

(Main Photo by Richard Heathcote/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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