Von Matchwinner zu Bankdrücker. Von Wechselkandidat auf der Tribüne, zu Kapitän in der Startelf. Ob und in welcher Form Mesut Özil beim FC Arsenal eine Zukunft hat, ist nur schwer zu prognostizieren. Entscheidend ist dabei jedenfalls ein Kampf. Der Kampf Unai Emerys gegen Windmühlen…
Startzweifel und Galavorstellung
Obwohl Arsenal Mesut Özil erst im Februar zum best bezahlten Spieler der Vereinsgeschichte machte, zweifelten vor der Saison viele daran, ob er der richtige Spielertyp für den neuen Trainer sein würde.
Dass sich auch Unai Emery nicht sicher war, zeigt die Art und Weise, wie er ihn in den ersten acht Spieltagen einsetzte. Özil spielte teilweise auf dem ungeliebten Flügel oder wurde auch mal früh ausgewechselt. Gegen Leicester dann, am neunten Spieltag, schienen die Zweifel endlich zu verpuffen. Der Linksfuß bot gegen die Foxes auf der Zehn eine wahre Galavorstellung, ließ all seine herausragenden, spielerischen Qualitäten aufblitzen, die ihn einst noch in die Weltklasse aufsteigen ließen.
Wer an diesem Abend dachte, dass Özil sich nun warm, bzw. fest spielen würde, lag jedoch weit daneben.

Disziplinarische Maßnahme
Emery wusste nicht erst seit diesem Abend, was für ein außergewöhnlich talentierter Spieler Mesut Özil ist. Er wusste auch, dass die Tugenden, auf die der Spanier so viel Wert legt, nämlich Intensität und die Arbeit gegen den Ball, nicht zu den Stärken des unkonstanten Ex-Nationalspielers gehören.
Im Auswärtsspiel gegen Bournemouth, ein Gegner der in der laufenden Spielzeit nur so vor Intensität strotze, drückte Özil plötzlich 90 Minuten die Bank. Das gesamttaktische Konstrukt Emery bedurfte in dieser Situation eben, dass alle elf Spieler die oben zitierten Tugenden beherzigen.
Als das Derby gegen Tottenham bevorstand, ein Spiel, das für die Beteiligten an Intensität kaum zu übertreffen ist, machten Gerüchte die Runde, dass der Zehner erneut nicht für die Startelf berücksichtigt werden würde. Seine Rückenverletzung, erst kur vor Spielbeginn seitens des Vereins kommuniziert, wurde folglich heiß diskutiert und hinterfragt. Ob das tatsächlich der Grund für das Fehlen war oder nicht, Özil stand auch in den folgenden Spielen gegen Manchester United und Huddersfield nicht zur Verfügung.
Erst in einem bedeutungslosen Europa-League-Spiel gegen Qarabag Agdam folgte das Comeback. Eine unspektakuläre Leistung. Anders als der Auftritt im darauffolgenden Ligaspiel gegen Southampton, als Özil nach seiner Einwechslung eine desolate Vorstellung bot und beim entscheidenden Gegentor (2:3) keine gute Figur abgab.
Wer sich nach dem viel-diskutierten Ausfall und dem Druck der Medien eine Trotzreaktion des Edeltechnikers erhoffte, lag also ebenfalls weit daneben.
Tiefpunkt auf Vereinsebene
Der Versuch Emerys, sofern es denn einer war, durch die fast schon disziplinarische Maßnahme, die Tugenden aus Özil heraus kitzeln, die ihm so wichtig sind, schien gescheitert. Falls er dadurch ein Feuer in ihm entfachen wollte, ging es eher nach hinten los.
Özil vermittelte gegen die Saints ein Gefühl der Resignation. Die Schultern hingen. Die oftmals voreilig genutzten Klischees, wenn es um Kritik an dem umstrittenen Spielmacher geht, trafen allesamt zu. In dieser Verfassung würde Özil Arsenal nicht weiterbringen.
Das erkannte auch Unai Emery. Drei Tage später beim erneuten Derby gegen die Spurs, dieses Mal im prestigeärmeren Ligapokal, schaffte es Özil nicht einmal mehr in den Kader. Aus „taktischen Gründen“, wie es der Trainer begründete. Gerüchte über einen Wechsel im Winter machten die Runde. Es schien, als hätte der 92-fache Nationalspieler nur fünf Monate nach seinem Rücktritt aus dem DFB-Team nun auch auf Vereinsebene den absoluten Tiefpunkt erreicht.

Kampf gegen Windmühlen
Nur wenige Tage später wurde Emery von der Presse gefragt, ob Özil überhaupt noch eine Zukunft in Nordlondon habe. „Ja, wieso nicht?“, entgegnete der Trainer.
Er untermauerte seine Aussage bereits beim nächsten Saisonspiel, als er Özil kurzer Hand wieder in die Startelf beorderte. Die taktischen Gründe lagen auf der Hand. Gegen Burnley erwartete der Trainer weniger Intensität und erhoffte sich mit mehr Ballbesitz auch mehr Kreativität. Eine Ausrichtung, die seinem Zehner natürlich in die Karten spielte.
Das zeigte sich bereits nach 17 Minuten, als Özil mit seiner starken Antizipation und seinem außergewöhnlichen Auge den heranstürmenden Sead Kolasinac ausmachte und mit einem perfekt getimten Pass, der gleich vier Burnley-Spieler ausschaltete, in Szene setzte. Kolasinac legte auf Aubameyang: 1:0.
That Özil pass to Kolasinac be the goal Chale ???? pic.twitter.com/dN66WPOp15
— TheFakeModel✌? (@ChorkorBi) 22. Dezember 2018 Es war zwar nur ein Moment, ein Assist vor dem Assist, aber es war eine Erinnerung daran, zu was Özil auf extrem hohen Niveau in der Lage ist: Genialität, Kreativität, Spielwitz und Präzision. Özil machte ein gutes Spiel. Doch von den Tugenden, die sich der Trainer von ihm erhoffte, mehr Aggressivität und Intensität im Spiel gegen den Ball, war erneut wenig zu sehen.
Aber das ist nunmal nicht sein Spiel. Das war es nie, das wird es mit nun 30 Jahren niemals werden. Das aus Özil herauszuholen gleicht dem berühmt-berüchtigten Kampf gegen Windmühlen. Beim 3:1 über Burnley dürfte das auch Emery erkannt haben, denn Özil war, ohne erwünschte „Drecksarbeit“, dafür aber mit unglaublicher Präzision im Angriffsdrittel (17/17 Pässe) der Dreh- und Angelpunkt im Offensivspiel.
Die Fragen, die sich daher nun stellen, sind: Genügt das Emery und vor allem, hört er auf, zu kämpfen?
(Photo by Francois Nel/Getty Images)

