Die Saison von Werder Bremen ist zum Vergessen. Einen Lichtblick gibt es dennoch und dieser hört auf den Namen Milot Rashica. Der 23-Jährige zeigt gute Leistungen in einer stark angeschlagenen Elf, was natürlich Begierde bei vielen Vereinen geweckt hat. Ein Abschied Rashicas im Sommer gilt als beschlossene Sache. Doch wer ist der Offensivmann der Grün-Weißen und was sind seine Stärken?
Milot Rashica lernte das Fußballspielen in seiner Heimat im Kosovo in der Jugendabteilung des KF Kasova Vushtrri. Hier durfte er ab der Saison 2013/2014 schon mit 17 Jahren in der ersten Mannschaft auflaufen und gewann in seiner ersten Profisaison sogar direkt den kosovarischen Meistertitel. Insgesamt kommt er für seinen Heimatverein auf 21 Einsätze und schoss hierbei neun Tore. Das fiel natürlich auch Vereinen aus dem Ausland auf und so folgte zur Saison 2015/2016 folgerichtig der Schritt ins Ausland. Genauer gesagt in die Niederlande für 300.000 Euro Richtung Arnheim.
Rashica: Niederlande als wichtigen Entwicklungsschritt
In der Europa-League-Qualifikation konnte er sich über einen Kurzeinsatz freuen und überzeugte derart, dass er zum Saisonstart der Liga gesetzt war. Beim Auftakt auswärts gegen Willem II konnte Rashica direkt seinen ersten Assist verzeichnen, in einem Spiel, in dem er als alleiniger Mittelstürmer in einem 4-3-3 auflief. Mit die größte Stärke welche Rashica hat, ist seine unglaubliche Explosivität, welche ihn auf den ersten Metern nahezu unaufhaltbar macht. Durch diese Eigenschaft und seine geradlinige Spielart hat Arnheim mehr Tiefe ins eigene Spiel bekommen. Dies erkannte auch der Trainer und setzte ihn infolgedessen vermehrt auf dem Flügel ein. Allerdings agierte Rashica aus dieser Position nicht nur als einfacher Flügelläufer, welcher bis zur Grundlinie geht und eine hohe Flanke schlägt. Nein, so suchte er oft selbst den Abschluss aus spitzem Winkel oder zog selbst in die Mitte. Dass er mit seinem linken Fuß ebenfalls stark abschließen kann, zeigte er in diesen Situationen.
So kam er bei einem Team im oberen Mittelfeld der Eredivisie in den ersten 19 Spielen auf sieben Tore und zwei Vorlagen, ehe ihn eine Knieverletzung ausbremste. Doch wie kam er zurück? Direkt mit zwei Vorlagen beim 3:0-Heimerfolg gegen Heerenveen. Da Rashica über eine sehr gute Grundfitness verfügt, konnte er sich auch sofort wieder in die erste Elf spielen und nahezu alle Spiele über 90 Minuten bestreiten. Blickt man auf seine bisherige Karriere zurück, kann ohne Zweifel behauptet werden, dass der Kosovare über eine herausragende Fitness verfügt. So verpasste das Energiebündel in seiner gesamten Profikarriere bisher erst neun Profispiele und erlitt kaum Verletzungen.

In seiner zweiten Saison für Arnheim machte Rashica in Sachen Assists noch einmal einen gewaltigen Sprung nach vorne. Erkennen kann man dies an den zwölf Vorlagen in 33 Ligaspielen aus der Saison 2016/2017. Sein Können bewies er direkt bei mehreren Trainern. In seiner vergangenen Debütsaison lief Rashica noch für Rob Maas und dem heutigen Leverkusen-Coach Peter Bosz auf, welche unterschiedliche Dinge von ihm verlangten. Doch mit der Übernahme zur Saison 2016/2017 in Person von Henk Fraser, schaffte es Rashica eine seiner besten Fähigkeiten besser auszuspielen. Das System war darauf zugeschnitten.
Was machte ihn denn so gefährlich für die Gegner? Rashica schlug präzise Flanken auf seine Mitspieler und dies im höchsten Tempo. Seine Technik ist diesbezüglich sehr ausgefeilt. So stürmte er mit hoher Geschwindigkeit auf die Verteidiger zu und ließ diese mit einfachen, aber effizienten Finten stehen. Danach konnten mit beiden Füßen punktgenaue Zuspiele folgen. Gerade seine Flanken aus dem Halbfeld, langgezogen auf den zweiten Pfosten, waren sehr gefährlich. Sieben Tore bereitete er auf diese Art und Weise vor. Das System war erfolgreich und funktionierte, unterstrichen wurde dies durch den Gewinn des niederländischen „TOTO KNVB beker“-Pokals. In diesem Wettbewerb legte Rashica in sechs Spielen zwei weitere Tore auf und erzielte zusätzlich selbst noch zwei Treffer.
Maas schaffte es, das Beste aus Rashica rauszuholen und durch diese hohe Anzahl von Minuten näherte sich der nächste Schritt auch an. Spielanlage wurde reifer und er verbesserte sich in vielen Aspekten. Auch körperlich war er auf einem sehr gutem Level und bereit für den nächsten Schritt. Im Sommer 2017 erfolgte zwar eine vorzeitige Verlängerung bis 2020, allerdings mit der Absicht, eine höhere Ablösesumme zu generieren. Der Abschied wurde auf den Winter 2017/2018 verschoben, wo es vermehrt Interesse aus der Bundesliga gab. Hannover war interessiert, doch den Zuschlag erhielt Werder Bremen. Der Bundesligist überwies rund 7 Mio. Euro an Arnheim.
Rashica: Anlaufschwierigkeiten bei Werder
Die erste Halbserie in Bremen verlief alles andere als gut. Der damalige und auch jetzige Trainer Florian Kohfeldt baute nicht wirklich auf ihn. Trotzdem glaubte man an der Weser an ihn und seine Fähigkeiten. Frank Baumann nannte Rashica einen „sehr vielversprechenden Spieler“. Auch Florian Kohfeldt war nach eigener Aussage sehr glücklich, dass er bei ihnen ist. Der Erwartungsdruck war für Rashica immens. Er ist einer der teuersten Neuzugänge, die Werder hatte. Die Hoffnung war demnach auch, dass er eine sofortige Verstärkung darstellt. Zwar machte nach eigener Aussage die Ablöse Rashica selbst wenig zu schaffen, viel mehr allerdings das neue Niveau, auf welchem er performen musste. „Das hohe Tempo und die Laufarbeit waren eine große Herausforderung, du bist ja immer in Bewegung und hast nie Pause“, teilte er der Deichstube mit. „Mittlerweile habe ich mich aber daran gewöhnt. Vieles fällt mir jetzt leichter“, so Rashica weiter. Aufgrund dieser Anlauf – und Anpassungsschwierigkeiten kam der Neuzugang nur zu neun Einsätzen und lediglich viermal stand er in der Startelf. Im Schnitt kam er auf 43 Minuten Einsatzzeit pro Partie.

Doch Rashica passte sich an. Beim Saisonstart Zuhause gegen Hannover kam er als Joker rein und legte, natürlich per Flanke, für Gebre Selassie zum 1:1 auf. Am darauffolgenden pieltag gegen Frankfurt wurde er wieder von der Bank gebracht und verwandelte in einem dramatischen Spiel in der sechsten Minute der Nachspielzeit sehenswert einen Freistoß. Ist er endlich angekommen? Noch nicht ganz. Es folgte ein schwacher Auftritt auswärts in Nürnberg und im Anschluss wechselte er zwischen Tribüne und Bank hin und her. Kohfeldt war mit den Trainingsleistungen des Offensivspielers nicht zufrieden. Nach einem Kurzeinsatz gegen Leverkusen bei einer 2:6-Niederlage stand Rashica im Anschluss erneut nicht im Kader.
Rashica wird zum Leistungsträger in Bremen
Die Kritik wurde lauter, Rashica agiere kopflos. Es fehle die Spielintelligenz und im Kombinationsspiel seien zu viele Ungenauigkeiten. Aber vor allem fehlte Rashica das Selbstvertrauen. Seine Stärken waren unbestritten. Die Explosivität war nach wie vor da, doch die Entscheidungsfindung war alles andere als optimal. Der 23-Jährige wollte sich selber zurück in Form schießen und schoss oft aus der Distanz, agierte auch im Dribbling egoistisch. Er wollte förmlich mit dem Kopf durch die Wand. Doch dann: Die Erlösung gegen Hannover. Ein ganz einfacher Abstauber erlöste Rashica. Zwar musste er aufgrund von Rückenproblemen im Folgespiel passen und war gegen Nürnberg auch nicht komplett fit, doch mit dem Sieg Werders im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund kehrte sehr viel Euphorie nach Bremen zurück. Rashica markierte in diesem Spiel übrigens auch einen Treffer. Das Selbstvertrauen war wieder da und die Stimmung schlug ins Positive über.
Der Kosovare kam ab sofort vermehrt als linker Außenstürmer zum Einsatz und konnte seine Stärken perfekt ausspielen. Vor allem bei Werders Kontern spielte er eine entscheidende Rolle. Dank seiner guten Ballkontrolle fiel es ihm leicht, bei höchstem Tempo in die Mitte zu ziehen und von dort aus selbst den Abschluss zu suchen oder seine Mitspieler in Szene zu setzen. Er kam endgültig in Bremen an und wurde zu einem der Schlüsselspieler der Kohfeldt-Elf. Im DFB-Pokal gegen München spielte er wieder groß auf. Er war maßgeblich am zwischenzeitlichen Ausgleich nach 0:2-Rückstand beteiligt. In der 74. Minute drehte er sich schlau um seinen Gegenspieler und bereitete so den Treffer zum 1:2 vor. Nur eine Minute später konnte man die Stärken von Rashicas perfekt erkennen. So bekam er in der Mitte der gegnerischen Hälfte den Ball, zog sofort ein sehr hohes Tempo auf und ging mit einem kleinen und sauberen, aber effizienten, Kontakt am Verteidiger vorbei. Während Javi Martinez noch am Boden lag, suchte Rashica mit seiner Geradlinigkeit direkt den Abschluss und erzielte das 2:2. Spätestens jetzt wusste Fußball-Deutschland, dass Rashica ein besonderer Spieler ist.

Der Offensivakteur ist zum Leistungsträger gereift und seine Stärken spielen nun eine elementare Rolle im System von Florian Kohfeldt. Sein physisch starker, aggressiver und direkter Spielstil weckte Interesse. Gerade aus der Premier League. Einen Wechsel lehnten beide Seiten aber ab. Es gab eine neue Mission für kommende Saison und für diese brauchte Bremen Rashica.
Ziel Europa, Realität Abstiegskampf
Werder Bremen rief zur neuen Saison große Ambitionen aus. Man wolle nach Europa. Das sei das Ziel, hieß es von der Clubführung. Doch die Realität war eine andere: Abstiegskampf. Das Verletzungspech war riesig, sogar der sonst stets fitte Kosovare fiel für drei Spiele aus. Die Stimmung kippte, die Ergebnisse stimmten nicht mehr. Krisenstimmung. Doch einer performte dennoch: Milot Rashica. Nach seinem Comeback ging der 23-Jährige voran. Er wirkte reifer in dieser Rolle. So erzielte er Tore gegen Dortmund, Frankfurt, Hertha und im Spiel gegen Freiburg rettete er Werder mit einem Tor und einem Assist. Nach zwei Niederlagen dann der Sieg über Wolfsburg. Es war Rashica, der in der schwierigen Situation Verantwortung übernahm und den Elfmeter zum 1:0 verwandelte. Am Ende markierte er sogar den Siegtreffer. Doch der Großteil der Mannschaft stürzte in ein Formtief.
Rashica ist der Hoffnungsträger Werders im Abstiegskamp, zeigte bisher stets eine gute Moral, gab nie auf und arbeitete hart fürs Team. So erzielte der Kosovare beim 1:6 in München ein weiteres absolutes Traumtor. Er konterte mehr oder weniger alleine, ließ die Abwehr des Rekordmeisters stehen und beförderte den Ball mit einem harten und platzierten Schuss unter die Latte. Die Krise Werders ging allerdings weiter, doch auch wenn Rashica keine Scorer verzeichnen konnte, war sein Wille immer unverkennbar. Von Zweifeln war keine Spur, er drehte sich nach wie vor in die Mitte und suchte den Abschluss. Im DFB-Pokal traf er erneut gegen Dortmund und zog mit Werder in die nächste Runde ein. In der Liga stimmten die Ergebnisse hingegen immer noch nicht. Die Leistungen von Rashica allerdings schon.

Im Sommer der nächste Schritt
Die Zukunft des Werder-Spielers wird heiß diskutiert. Die Liste der Interessenten wird täglich länger, der BVB, Napoli oder RB Leipzig sind nur einige der Klubs, die ein Auge auf Rashica geworfen haben.
Seine Ausstiegsklausel, die für ausländische Klubs bei 38 Millionen Euro liegt und im Falle eines Abstiegs sogar allgemein auf 15 Millionen Euro sinken soll, vereinfacht einen Transfer. Sein Berater sagte, dass sich seine Zukunft bald klären würde. Ein Verkauf gilt mehr als wahrscheinlich.
Milot Rashica hat sich in Bremen lange Zeit schwer getan und biss sich letztendlich durch. Er kann dem eigenen Spiel Tiefe und Physis verleihen. Mit seiner Geschwindigkeit ist er außerdem perfekt für Konterfußball geeignet. Seine größte Stärke scheint mittlerweile seine Einstellung zu sein. Als sich Werder Bremen kollektiv in einem anhaltenden Formtief befand, übernahm er immer mehr Verantwortung und wurde zum Schlüsselspieler der Kohfeldt-Elf. Vom Sorgenkind zum Leistungsträger. Rashica ist für den nächsten Schritt bereit.
(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)
Jan Perret