Blick über den Tellerrand | Ajax am Tiefpunkt, Dreikampf in Portugal

3. Oktober 2023 | Global News | BY Yannick Lassmann

Die Berichterstattung über den internationalen Fußball dreht sich hauptsächlich um die führenden fünf europäischen Ligen und ihre Topklubs. Doch auch dahinter wird attraktiver Fußball geboten, auf den wir regelmäßig im „Blick über den Tellerrand“ ein genaueres Auge werfen. Unser Blick richtet sich dabei auf die deutschen Nachbarländer Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie Portugal und Schottland, die in der UEFA-Fünfjahreswertung starke Positionen einnehmen. Wir blicken auf einen sich anbahnenden Dreikampf in Portugal, den Absturz von Ajax und das frühe Ende für Timo Schultz beim FC Basel.

Primeira Liga: Benfica gewinnt O Clássico, Gestärktes Sporting führt Tabelle an

In der Primeira Liga stand am vergangenen Freitagabend der erste Höhepunkt der noch jungen Saison auf dem Programm. Benfica (18 Punkte) empfing den FC Porto (16) zur 178. Auflage von O Clássico. Die Schlüsselszene vor 62.247 Fans im Estádio da Luz ereignete sich nach ausgeglichenem Beginn bereits in der 19. Minute: Fabio Cardoso brachte den seitlich durchgebrochenen David Neres zu Fall, wobei er zunächst den Ball spielte. Schiedsrichter Joao Pinheiro zog ohne zu Zögern die Rote Karte.

Anschließend übernahm Benfica die Kontrolle über das Geschehen, rannte an, kam erst durch Orkun Kökcü (22) zu einem Pfostentreffer, ehe in der 68. Minute das 1:0 fiel. Eine scharfe Neres-Hereingabe verwertete Altmeister Ángel Di Maria zum umjubelten 1:0. Dabei profitierte er von der Mithilfe des unglücklich abfälschenden Ex-Leverkuseners Wendell. Den Vorsprung brachte der portugiesische Rekordmeister anschließend recht souverän ins Ziel. Somit verschaffte er sich Ruhe, nachdem infolge der 0:2-Niederlage gegen Salzburg Kritik an Roger Schmidt aufkam.

Wie schon in der abgelaufenen Rückserie verzichtete der ansonsten sehr geschätzte und daher erst jüngst bis 2026 gebundene Trainer weitestgehend auf Rotation, was wiederum in bedeutenden Spielen zu fehlender Frische führte. Im stets brisanten Vergleich mit Porto war dies nun nicht der Fall. Da dieser schon am Freitag stattfand, gehen die Schützlinge von Schmidt wohl ausgeruht ins Champions-League-Gastspiel (Dienstag, 20.45 Uhr, live bei DAZN) bei Inter.

(Photo by PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP via Getty Images)

Durch den Sieg im O Clássico zog Benfica am FC Porto vorbei. Von der Spitze grüßt allerdings der Stadtrivale Sporting, der 19 Punkte aus den bisherigen sieben Ligaspielen einsammelte. Nach einer durchwachsenen Vorsaison, die von zu vielen Patzern gegen individuell wesentlich schwächere Mannschaften geprägt war, befanden sich die Leões von Beginn an auf Kurs und nutzten den ansprechenden Spielplan. Dazu sprang im komplizierten Auswärtsspiel beim Champions-League-Starter Sporting Braga ein 1:1 heraus.

Im Sommer verlor Sporting mit Manuel Ugarte, dessen Wechsel zu Paris St. Germain rund 60 Millionen Euro einbrachte, nur einen Leistungsträger. Der im zentralen Mittelfeld beheimatete Uruguayer wurde durch Morten Hjulmand (kam für 18 Millionen Euro aus Lecce) sinnvoll ersetzt. Zudem flossen 20 Millionen Euro in die Verpflichtung von Angreifer Viktor Gyökeres. Der in der abgelaufenen Spielzeit bei Coventry City in der englischen Championship höchst treffsichere Schwede netzte bereits sechsmal in Pflichtspielen ein und führt aktuell mit vier weiteren Akteuren, darunter Di Maria, die Torschützenliste in Portugal an.

Eredivisie: Ajax versinkt im Chaos, zwei Spielabbrüche in einer Woche

Im Sommer 2022 verabschiedete sich Erik ten Hag nach fünf überaus erfolgreichen Jahren aus Amsterdam zu Manchester United, wo er sich inzwischen in größeren Schwierigkeiten befindet. Noch wesentlich schlechter erging es allerdings Ajax, das seitdem kein Bein mehr auf den Boden bekommt. Der Weggang einiger Leistungsträger aus der Ära ten Hag konnte nicht kompensiert werden. So leisteten sich die damaligen Verantwortlichen um den momentan an einer Hirnblutung leidenden Edwin van der Sar mehrere Fehlgriffe oder vergraulten lange mit dem Verein verbundene Akteure wie Daley Blind.

Als besonders schwerwiegend erwies sich die Verpflichtung von Alfred Schreuder. Er konnte zu keinem Zeitpunkt in die Fußstapfen von ten Hag treten und musste nach schwachen Resultaten bereits Ende Januar wieder gehen. Johnny Heitinga – ein Eigengewächs – sprang ein, konnte die Saison aber nicht mehr retten. Rang drei war gleichbedeutend mit dem Verpassen der Champions League. Darüber hinaus verlor der weiterhin wenig inspirierend auftretende niederländische Rekordmeister auch noch das Pokalfinale gegen die PSV Eindhoven.

 

Es gab also gute Gründe, sich gegen die Weiterbeschäftigung von Heitinga zu entscheiden. Dennoch stand der erst im Mai engagierte neue Sportdirektor Sven Mislintat nach diesem Entschluss in der niederländischen Öffentlichkeit nahezu durchgehend im Kreuzfeuer der Kritik. Mislintat sollte unter der Voraussetzung, den Kader zu entschlanken, einen Transferüberschuss erzielen und trotzdem den Ajax-Spielstil beim Neuaufbau beibehalten. Zunächst gab er Leistungsträger wie Jurrien Timber, den von den Fans fast schon vergötterten Dusan Tadic, Edson Álvarez oder Mohammed Kudus für durchaus ansprechende Summen ab.

Insgesamt flossen allerdings auch über 100 Millionen Euro in zumeist junge, aber recht unbekannte Neuzugänge. Als neuer Coach kam Maurice Steijn, der zuvor bei Sparta Rotterdam beachtliche Resultate erzielte. Von Mislintat wurde er zu Dienstantritt noch als „Überperformer“ tituliert. Die Zusammenarbeit verlief allerdings von Beginn an wenig fruchtbar. Steijn baute nur ungern auf die von Mislintat geholten Neuzugänge. Zudem fielen die Resultate ernüchternd aus. Ajax gewann lediglich das Auftaktspiel gegen Aufsteiger Almelo (3:1). Darauf folgten zwei ernüchternde Punkteteilungen und eine hochverdiente 1:3-Niederlage bei Twente Enschede.

Deshalb lag ein nochmals größerer Fokus auf dem ohnehin immer brisanten Duell mit Feyenoord, dem amtierenden Champion. Unter der Woche wurde Mislintat vorläufig suspendiert, da er möglicherweise am Transfer von Borna Sosa, der am Deadline Day aus Stuttgart kam, mitverdient haben soll. Auf dem Spielfeld setzte sich das Chaos fort. Ajax beging haarsträubende Fehler und geriet schon nach 37 Minuten mit 0:3 in Rückstand. Manche Teile der Anhänger verloren daraufhin vollkommen die Kontrolle. Feuerwerkskörper flogen auf den Platz, weshalb Schiedsrichter Serdar Gözöbüyük (37) die Begegnung in der 55. Minute abbrach.

(Photo by OLAF KRAAK/ANP/AFP via Getty Images)

Noch am Abend des Debakels trennte sich Ajax aus Mangel an breiter Unterstützung innerhalb der Organisation“ von Mislintat. De Klassieker“ wurde am vergangenen Mittwoch ohne Publikum fortgeführt. Besserung trat aus Amsterdamer Sicht nicht ein, denn sie kassierten sogar noch das 0:4. Fünf Punkte aus ebenso vielen Partien bedeuten zudem den schlechtesten Saisonstart seit 65 Jahren. Dementsprechend angeschlagen fuhr der niederländische Rekordmeister zum Auswärtsspiel nach Waalwijk, wo es sich ebenfalls schwer tat, aber mit 3:2 führte, ehe die Begegnung erneut vorzeitig endete. Diesmal aber aus tragischen Gründen: Waalwijk-Keeper Etienne Vaessen blieb nach einem Zusammenprall mit Brian Brobbey (21) regungslos am Boden liegen und musste auf dem Platz reanimiert werden, was dem medizinischen Personal glücklicherweise gelang.

Vaessen, der eine „gute Nacht“ im Krankenhaus, verbachte, hat sich nun in eine Reha begeben. Für Ajax geht es derweil Schlag auf Schlag. Am Donnerstag folgt das schwierige Gastspiel in der Europa League bei AEK Athen, ehe am Sonntag AZ Alkmaar in der Johan Cruijff Arena gastiert. Jenes Alkmaar sammelte schon 19 Punkte und tritt als Favorit bei den angeschlagenen Amsterdamern an. Die Leistungen von AZ sind dem Ajax-Aufsichtsrat nicht verborgen geblieben. Alex Kroes, bis Ende August noch dort tätig, wird am 15.03.2024 den Posten als neuer Geschäftsführer in Amsterdam antreten. Auf ihn wartet eine extrem komplizierte Aufgabe mit vielen Baustellen in einem aktuell womöglich am Tiefpunkt liegenden Klub.

Super League: Schultz muss Basel schon wieder verlassen, Zürich grüßt von oben

In der vorherigen Ausgabe berichteten wir vom schwierigen Start für Timo Schultz beim FC Basel. Das mit großem Einsatz erkämpfte 2:2 im Schweizer Klassiker gegen den FC Zürich schien eine Trendwende darzustellen. Doch der komplett umformierte Kader kam auch in den folgenden Wochen nicht auf Touren. Auf den standesgemäßen 8:0-Pokalerfolg bei Bosporus Bern folgte eine 2:3-Niederlage bei Aufsteiger Yverdon Sport, ehe in der englischen Woche nur ein 1:1 gegen Luzern heraussprang.

Die Vereinsführung zog daraufhin Konsequenzen und trennte sich vom erst im Sommer verpflichteten Ex-St.-Paulianer Schultz. „Der FCB befindet sich in einer sportlichen Krise, in der es dem Trainer nicht gelang, den absoluten Siegeswillen auf die Mannschaft zu übertragen. Gerade in einer solchen Situation ist diese Grundtugend entscheidend, um spürbare Reaktionen auf enttäuschende Leistungen zu zeigen und den Weg aus dem Tief zu finden. Die jüngsten Auftritte in der Liga, aber auch der bereits ungenügende Saisonstart mit dem viel zu frühen Aus im internationalen Wettbewerb, führten zu diesem bedauerlichen, aber unvermeidbaren Schritt“, hieß es in der Vereinsmitteilung.

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Wie schon vor der Sommerpause fungiert der eigentliche Sportdirektor und zunehmend in die Kritik geratende Heiko Vogel (47) als Interimstrainer. Sein Einstand misslang. Wieder war der FCB einem Aufsteiger unterlegen. Im eigenen Stadion setzte es ein peinliches 0:3 gegen Lausanne-Ouchy, einen weiteren Aufsteiger. Mit mageren fünf Punkten ist der Schweizer Rekordmeister fester Bestandteil des Abstiegskampfs. Der Vorletzte Grasshoppers Zürich sowie Schlusslicht FC Lausanne-Sport liegen punktetechnisch gleichauf. Vor der Länderspielpause geht es für Basel noch zu den Young Boys nach Bern, wo ebenfalls Unheil droht.

In der Vorsaison legte der FC Zürich als amtierender Meister ebenfalls einen fürchterlichen Saisonbeginn hin, war sogar noch in der Winterpause auf einem Abstiegsplatz zu finden. Unter Bo Henriksen (48), der in der kommenden Woche sein einjähriges Dienstjubiläum feiert, gelang letztlich der souveräne Klassenerhalt und der nächste Schritt in der Entwicklung. Denn aktuell führt der FCZ die Tabelle der Super League an.

Die vergangenen Tage verliefen höchst erfreulich. Das Stadtderby gegen die ungeliebten Grasshoppers gewann der im Sommer nur geringfügig veränderte FCZ-Kader mit 2:1. Am Sonntag trumpfte er in Luzern auf ganzer Linie auf und gewann glatt mit 4:1. Antonio Marchesano traf dabei doppelt. Insgesamt hat er schon vier Tore auf dem Konto. Noch einmal häufiger im Ligabetrieb netzte der nach einem Jahr Anlaufzeit endgültig etablierte Jonathan Okita ein. Mit 19 erzielten Treffern stellt Zürich die beste Offensive der Liga und zugleich mit nur sieben Gegentoren die beste Defensive. Schlussmann Yannick Brecher verbuchte bereits vier Zu-Null-Spiele. Dieser Trend soll am Samstag im Heimspiel gegen den FC Winterthur anhalten.

Die Tabellen der anderen Ligen:

Belgien: Jupiler Pro League

Schottland: Premiership

Österreich:Bundesliga

(Photo by OLAF KRAAK/ANP/AFP via Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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