Blick über den Tellerrand | PSV im Bosz-Rausch, Showdown im Lissaboner Derby

7. November 2023 | Global News | BY Yannick Lassmann

Die Berichterstattung über den internationalen Fußball dreht sich hauptsächlich um die führenden fünf europäischen Ligen und ihre Topklubs. Doch auch dahinter wird attraktiver Fußball geboten, auf den wir regelmäßig im „Blick über den Tellerrand“ ein genaueres Auge werfen. Unser Blick richtet sich dabei auf die deutschen Nachbarländer Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie Portugal und Schottland, die in der UEFA-Fünfjahreswertung starke Positionen einnehmen. Wir blicken in die Primeira Liga, wo Sporting versucht Benfica abzulösen. In der Eredivise hat die PSV Eindhoven unter Peter Bosz schon das Kommando übernommen, während in der Jupiler Pro League Royal Union Saint-Gilloise trotz großen Umbruchs wieder oben mitmischt.

Primeira Liga: Ist Sporting mehr als ein Herausforderer für Benfica?

In der Vorsaison trennten die beiden Lissaboner Topklubs gleich 13 Zähler. Während Benfica auf eindrucksvolle Art die Meisterschaft gewann, musste sich Sporting mit Rang vier abfinden. Vor dem nächsten Stadtderby (Sonntag, 21.30 Uhr) haben sich die Vorzeichen gedreht. Nach zehn gespielten Partien in der Primeira Liga grüßt Sporting von der Tabellenspitze, drei Punkte vor Benfica. Dementsprechend groß ist die Spannung vor dem Spitzenspiel im Estádio da Luz.



Die Leões fuhren im Ligabetrieb bislang neun Siege ein und mussten sich lediglich im stets komplizierten Topspiel bei Sporting Braga (1:1) mit einer Punkteteilung zufriedengeben. Zum auffälligsten Sporting-Akteur avancierte Viktor Gyökeres (25), der erst im Sommer für 20 Millionen Euro Ablöse vom englischen Zweitligisten Coventry City kam. Während seiner neun Einsätze gelangen ihm sechs Tore sowie vier Vorlagen. Auch am vergangenen Samstag nahm er im Heimspiel gegen Aufsteiger Estrela Amadora spielte er eine zentrale Rolle und lieferte zwei entscheidende Zuspiele zum hart erarbeiteten 3:2-Erfolg.

Das Siegtor erzielte mit Paulinho (30) ein weiterer, ebenfalls bei sechs Saisontoren stehender Angreifer. Nach starkem Saisonstart, bei dem er häufiger auf den linken Flügel ausweichen musste, geriet er zuletzt ins Hintertreffen. Der stets offensiv denkende und seit 2020 als Cheftrainer fungierende Rúben Amorim (38) besitzt nämlich reichlich Auswahl im vorderen Bereich. An Pedro Gonvalves (25) – in der Vorsaison mit 27 Scorerpunkten – ist kein Vorbeikommen. Zudem nahm Marcus Edwards (24) an Fahrt auf.

Insgesamt hat sich am Kader nicht allzu viel verändert. Nur vier externe Spieler wurden während der Transferperiode verpflichtet. Neben Gyökeres ergatterte Morten Hjulmand (24), für 18 Millionen Euro aus Lecce verpflichtet, einen Stammplatz. Im zentralen Mittelfeld gefällt er durch seine Ruhe am Ball und ein sehr sauberes Passspiel, was seine Zuspielquote von 87,6 Prozent unterstreicht.

(Photo by PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP via Getty Images)

Schwächen weist das spielstarke Sporting weiterhin auf. Immer wieder setzt es wie gegen Amadora recht leicht Gegentore. So musste Keeper Antonio Adán (36) auch gegen Vizela und Farense zweimal hinter sich greifen. Die Verwundbarkeit Sportings zeigte sich auch international, wo vor knapp zwei Wochen nur ein 1:1 beim polnischen Meister Raków Czecstochowa heraussprang. Das Weiterkommen in der Europa League steht aktuell noch auf der Gruppe. Am Donnerstag steigt das Rückspiel. Der Blick der Fans richtet sich trotzdem bereits auf das Duell mit Benfica, das noch nicht das herausragende Level aus der Vorsaison erreicht. Ein Sieg wäre ein sattes Ausrufzeichen und Beweis dafür, dass Sporting im Titelrennen eine zentrale Rolle einnehmen kann – gerade, da auch der FC Porto schwächelt. Am Freitag gab es eine 0:1-Niederlage gegen den bisherigen Tabellenletzten Estoril.

Eredivisie: PSV Eindhoven rauscht mit Bosz durch die Liga

Die PSV Eindhoven kann auf eine ordentliche Vorsaison zurückblicken. In der Eredivisie langte es zur Vizemeisterschaft hinter einem bärenstarken Champion. Dazu feierten die Boeren den Pokalsieg nach einem dramatischen Finale gegen Ajax, in dem erst im Elfmeterschießen die Entscheidung fiel. Dennoch gingen der Verein und der erst im Sommer zuvor beförderte Trainer Ruud van Nistelrooy (47) getrennte Wege. Der frühere Weltklasse-Stürmer habe „zu wenig Unterstützung und Rückhalt innerhalb des Vereins“ gespürt.

Den vakanten Posten besetzte die PSV mit Peter Bosz (59). Dieser galt als „absoluter Wunschkandidat“ und kündigte an, „hungrig auf Trophäen“ zu sein. Diesen Worten folgten Taten. Eindhoven spielt Fußball wie ihn sich der einst auch bei Ajax sehr erfolgreiche Bosz wohl hätte besser kaum ausmalen können. In den bisherigen elf Ligaspielen sammelte es die Maximalpunktzahl von 33 ein – und das bei einem exzellenten Torverhältnis von 41:5. Erst am vergangenen Samstag fegte der unangefochtene Spitzenreiter Heracles Almelo mit 6:0 vom Platz. Zudem gab es bereits vier 4:0-Siege und das 5:2 über Ajax Amsterdam nach einer furiosen zweiten Hälfte.

Seinen x-ten Frühling erlebt der schon mehrfach abgeschriebene, zwischenzeitlich sogar für den FC Barcelona auflaufende Luuk de Jong (33), dem neben seinen neun Toren auch schon sechs Vorlagen gelangen. Neben ihm sticht Mittelfeldakteur Joey Veerman (24) heraus, der zwar längst nicht so torgefährlich ist, aber dafür ein feines Passspiel und hervorragendes Auge für den Mitspieler mitbringt, was in bereits sieben Vorlagen gipfelte. Von seinen Anspielen profitiert die Offensivreihe, in der Rückkehrer Hirvng Lozano (28), Guus Til (25) und Johan Bakayoko (20), dessen Weg auf kurz oder lang in eine internationale Topliga führen wird, ebenfalls eine sehr gute Figur abgeben.

(Photo by OLAF KRAAK/ANP/AFP via Getty Images)

Bei aller Freude an der PSV-Offensive weiß auch das Defensivgerüst zu gefallen. In der Viererkette gibt der routinierte Andre Ramalho (31) mit seinem Nebenmann Olivier Boscagli (25) den Ton an. Der aus Southampton geliehene Armel Bella-Kotchap (21) kam aufgrund einer Schulterverletzung bisher kaum zum Zug. Zudem wird durch das sehr aggressive, teils auch hochriskante Gegenpressing viel Arbeit von Torhüter Walter Benítez (30) ferngehalten.

Dass dieser Spielstils an Grenzen stößt, zeigt die Zeit von Bosz bei Borussia Dortmund. Auch Eindhoven erhielt in der laufenden Saison bereits eine Lehrstunde, in der Champions League beim 0:4 gegen Arsenal. Doch auch dort ist Weiterkommen noch möglich. Als wegweisend gilt das Heimspiel am kommenden Mittwoch gegen den RC Lens. Von noch größerer Bedeutung sind allerdings wohl die in den kommenden Wochen anstehenden Gastspiele in Enschede, bei Feyenoord und in Alkmaar. All diese Partien werden noch vor Weihnachten absolviert. Sollte die PSV hieraus ohne größeren Schaden herausgehen, hat sie beste Chancen auf den ersten Meistertitel seit 2018.

Jupiler Pro League: Saint-Gilloise start neuen Anlauf in Richtung Titel

Royal Union Saint-Gilloise darf auf eine denkwürdige letzte Saison zurückblicken. Nur wenige Minuten trennten den belgischen Traditionsklub vom ersten Meistertitel seit 1935. Ein Heimsieg über den FC Brügge hätte letztlich ausgereicht, doch in den letzten Minuten verspielte RUSG eine Führung und unterlag mit 1:3, während sich Royal Antwerpen parallel in Genk in der Nachspielzeit zum Champion krönte. Darüber hinaus hinterließ Saint-Gilloise auf internationaler Ebene einen bleibenden Eindruck, schaltete unter anderem Union Berlin souverän aus (3:3, 3:0), um erst im Viertelfinale an Bayer Leverkusen zu scheitern.

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Wie so oft verlieren erfolgreiche Vereine aus der Jupiler Pro League ihre Leistungsträger im Anschluss. RUSG etwa gab Victor Boniface (22), an dessen Qualitäten sich der Bundesliga-Beobachter an jedem Wochenende erfreuen darf, für rund 20 Millionen Euro Ablöse an Bayer Leverkusen gab. Dazu zogen mit Teddy Teuma (30/Stade Reims), Siebe Van der Heyden (25/RCD Mallorca), Senne Lynen (24/Werder Bremen) und Bart Nieuwkoop (27/Feyenoord) in größere europäische Ligen weiter. Erfolgstrainer Karel Geraerts (41) konnte sich mit der Vereinsführung nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen und ist mittlerweile bei Schalke 04 tätig.

Den Auftrag, den Umbruch zu gestalten, erhielt Alexander Blessin (50) – ein deutscher Trainer, der in Belgien aufgrund seiner erfolgreichen Zeit bei Oostende einen sehr guten Ruf genießt. Insgesamt stoßen 14 Neuzugänge zum Kader. Dennoch startete RUSG durch. Seit dem 24. September gab es in den Pflichtspielen – eine zu verkraftende Niederlage in der Europa League beim FC Liverpool ausgenommen – ausschließlich Siege. Die logische Folge ist die Tabellenführung nach 13 Spieltagen. Der Vorsprung auf den RSC Anderlecht beträgt vier Punkte.

(Photo by LAURIE DIEFFEMBACQ/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

Prominente Abgänge wie von Boniface wurden im Kollektiv kompensiert. So erfreut sich Saint-Gilloise aktuell an drei treffsicheren Angreifern. Der vom FC Lugano gekommene Mohamed Amoura (23) traf schon achtmal, darunter doppelt beim jüngsten 2:1-Erfolg über dem FC Brügge. Zudem netzten Dennis Eckert Ayensa (26) sowie Gustaf Nilsson (26) jeweils sechsmal ein. Beide Akteure wechselten übrigens aus der 3. Liga von Ingolstadt bzw. Wehen Wiesbaden nach Belgien. Ebenso ein gutes Auge besaß die Scoutingabteilung beim Japaner Koki Machida (26), der sich direkt in der Dreierkette mit dem aus Argentinien gekommenen Kevin Mac Allister (25) etablierte. Die Rolle des nach Bremen abgewanderten Lynen füllt der von Cercle Brügge gekommene Charles Vanhoutte (25) hervorragend aus.

Dennoch musste RUSG schon 15 Gegentore einstecken, was mit dem mutigen Spielstil zusammenhängt. Blessin, der den Nachwuchs von RB Leipzig durchlief, setzt auf ein hohes Pressing, was viele Ballgewinne und kurze Wege zum Tor bringt. Insgesamt produzierte seine Mannschaft auch schon 31 Treffer, zeigte sich aber defensiv das ein oder andere Mal anfällig. Das Programm in den kommenden Wochen schaut vielversprechend aus, sodass die Siegesserie weiter anhalten könne und die Träume von der Meisterschaft schon bald wieder an Fahrt aufnehmen dürften.

Die Tabellen der anderen Ligen:

Schottland: Premiership

Österreich:Bundesliga

Schweiz: Super League

(Photo by Ian MacNicol/Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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