Blick über den Tellerrand | Last-Minute-Titel für van Bommels Royal Antwerpen, Trainerentlassung in der Pause: Sion steigt ab

7. Juni 2023 | Global News | BY Yannick Lassmann

Die Berichterstattung über den internationalen Fußball dreht sich hauptsächlich um die führenden fünf europäischen Ligen und ihre Topklubs. Doch auch dahinter wird attraktiver Fußball geboten, auf den wir regelmäßig im „Blick über den Tellerrand“ ein genaueres Auge werfen. Unser Blick richtet sich dabei auf die deutschen Nachbarländer Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie Portugal und Schottland, die in der UEFA-Fünfjahreswertung starke Positionen einnehmen.  Belgien erlebte ein atemberaubendes Meisterschaftsfinale mit dem strahlenden Sieger Royal Antwerpen. Ebenso hatte Celtic Grund zum Jubeln, während der FC Sion die Konsequenzen für sein oftmals umprofessionell wirkendendes Auftreten hinnehmen musste.

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Jupiler Pro League: Royal Antwerpen gewinnt Meisterschaft in letzter Sekunde

Nach Beendigung der regulären Saison trafen in Belgien die vier besten Mannschaften in einer Meisterschaftsrunde aufeinander. Die zuvor gesammelten Punkte wurden halbiert, sodass die verbleibenden sechs Spieltage reichlich Spannung borgten. Vor den finalen Begegnungen, die KRC Genk-Royal Antwerpen und Royale Union Saint-Gilloise-FC Brügge lauteten, ergab sich eine höchst interessante Konstellation. Gleich drei Vereine besaßen noch die Möglichkeit, Meister zu werden.

(Foto: kicker)

Der erste Abschnitt verlief ereignisarm, bot auf beiden Plätzen nur wenige Torszenen. Doch kurz vor dem Pausenpfiff fiel der erste Treffer, und zwar in Genk. Tolu Arkodare, der einst ein unglückliches Jahr beim 1. FC Köln verbrachte, erzielte das 1:0 für den heimischen KRC, welcher zu diesem Zeitpunkt von der Tabellenspitze grüßte. Die Freude darüber hielt jedoch nur die Halbzeitpause an, denn keine 60 Sekunden nach Wiederanpfiff ging Royale Saint Union-Gilloise nach wunderbarem Spielzug durch Simon Adingra ebenfalls in Führung und übernahm damit Rang eins.

Royal Antwerpen, das als Erstplatzierter in den letzten Spieltag startete, stand damit unter Zugzwang und kam durch Gyrano Kerk in Minute 58 zum Ausgleich. Die Meisterschaft war damit wieder in Reichweite, in diesem Moment aber immer noch in den Händen von RSUG. Für das von Mark van Bommel trainierte Antwerpen rückte sie in der 58. Minute sogar noch weiter in die Ferne, da Bryan Heynen zur neuerlichen Führung für Genk traf – 2:1. Trotz des sich anbahnenden Sieges für den KRC stand nur Rang zwei zu Buche, da Saint-Gilloise weiterhin mit 1:0 führte.

 

 

Bis zur 89. Minute befand sich RUSG auf dem Weg zum Gewinn der ersten Meisterschaft seit 1935. Der tabellarisch keine Rolle mehr spielende FC Brügge gab sich jedoch nicht geschlagen und glich tatsächlich durch Shon Homma aus. Saint-Gilloise musste nun wieder alles nach vorne werfen und lief in einen Konter hinein, den Noa Lang zum 1:2 verwertete. Derweil kannte der Jubel in Genk keine Grenzen mehr. Der KRC stand kurz vor der Meisterschaft, allerdings war die Partie noch nicht beendet. Antwerpen rannte an und in der 94. Minute fiel Toby Alderweireld der Ball vor die Füße, dieser zog aus 20 Metern ab und traf in den linken Torwinkel – 2:2. Es war der Schlussakt in einem überaus dramatischen Meisterschaftsrennen, indem letztlich Royal Antwerpen erstmals seit 66 Jahren hauchdünn die Nase vorn hatte

Damit krönte der Traditionsklub ein hervorragendes Spieljahr, die bereits den Pokalsieg brachte. In der kommenden Saison wird er in der Qualifikation zur Champions League antreten, genauso wie der KRC Genk, der über weite Strecken die Tabelle anführte und sich nun mit dem zweiten Platz abfinden muss. RUSG fiel sogar auf Rang drei zurück, darf sich aber erneut in der Europa League beweisen. Der im Saisonverlauf drei Trainer verbrauchende FC Brügge tritt gemeinsam mit dem Tabellenfünften KAA Gent in der Qualifikation zur Conference League an.

Premiership: Celtic feiert das Triple, Ross County setzt sich in dramatischer Relegation durch

99 von 114 möglichen Zählern bei einem Torverhältnis von 114:34, zwei der drei Saisonniederlagen erst nach Sicherung des Meistertitels, dazu der Sieg im League Cup: Die Dominanz von Celtic fiel in der laufenden Saison überwältigend aus. Dementsprechend hoch war die Favoritenrolle vor dem Pokalfinale gegen das seit sechs Jahren der Zweitklassigkeit angehörenden Inverness, welches mit Livingston und Kilmarnoch immerhin zwei Premiership-Klubs auf dem Weg ins Duell mit Celtic ausschaltete.

Erwartungsgemäß dominierten die Bhoys im prall gefüllten Hampden Park das Geschehen und führten durch zwei wunderbar herausgespielte Tore von Kyogo Furuhashi – jüngst zum Spieler der Saison in der Premiership gewählt – und Liel Abada mit 2:0. In der 84. Minute kam kurzzeitig Spannung auf, nachdem Daniel Mackay per Kopf auf 2:1 verkürzte. In der Nachspielzeit schaffte der eingewechselte Jota mit dem 3:1 aber endgültig klare Verhältnisse. Der Gewinn des SFA-Cups war der fünfte Titel in der rund zweijährigen Amtszeit von Ante Postecoglu, dessen Wirken nicht nur aufgrund der Erfolge, sondern auch aufgrund der höchst attraktiven Spielweise Eindruck hinterlassen hat. Den Coach zieht es aller Voraussicht zu den Tottenham Hotspur. Die Suche nach einem gleichwertigen Ersatz dürfte sich für Celtic kompliziert gestalten.

(Photo by Mark Runnacles/Getty Images)

Einen Tag nach dem Pokalfinale stand in Schottland nochmals Existenzkampf auf dem Programm. In der Relegation hatte Ross County, das die Premiership auf dem vorletzten Platz beendete, das Hinspiel bei Partick Thistle mit 0:2 verloren. Der Gang in die Division One rückte noch näher, als Aidan Fitzpatrick den Zweitligisten auch im Rückspiel in Führung brachte. Bis zur 71. Minute ließ Patrick Thistle nahezu nichts anbrennen, bekam dann aber nach VAR-Einsatz einen Handelfmeter gegen sich ausgesprochen. Yan Dhanda verwandelte eiskalt und keine 60 Sekunden später jubelte Ross County erneut, denn Simon Murray traf zum 2:1. Ross County blieben also noch rund 20 Minuten Zeit, um die Verlängerung zu erzwingen.

Der Druck des Premiership-Klubs nahm weiter zu. Die Erlösung folgte in der Nachspielzeit. Der eingewechselte George Harmon verwertete eine Flanke von Chanda per Volley zum 3:1. Die daraus entstehende Verlängerung brachte zwar einige Chancen auf beiden Seiten, aber keinen Treffer. Die Entscheidung fiel somit im Elfmeterschießen. Auch hier zögerte sich die Entscheidung hinaus. Von den ersten sechs Versuchen verwandelten beide Mannschaft jeweils vier. Dann vergab Ross Doherty auf Seiten von Partick Thistle. Im Anschluss vollendete Joshua Sims eiskalt, sodass Ross County, das zur Stadt Dingwall gehört und lediglich 5.000 Einwohner vorweist, weiter in der Premiership auflaufen darf.

Super League: YB holt das Double, Chaosklub Sion steigt ab

Der Saisonabschluss in der Schweiz hatte es nochmal in sich. Am vergangenen Sonntag stieg im Berner Wankdorfstadion das Pokalfinale. Die Young Boys gingen als Ausrichter und souveräner Meister als klarer Favorit in den Vergleich mit Lugano und wurden dieser Rolle im ersten Abschnitt vollkommen gerecht. Zwei Kopfballtore von Jean-Pierre Nsamé brachten die beruhigende 2.0-Führung. Der von zahlreichen mitgereisten Fans unterstützte FCL hielt jedoch dagegen und gestaltete das Geschehen nach dem Seitenwechsel und schnupperte nach dem Anschlusstreffer durch Mattia Bottani sogar am Ausgleich. Erst in der 85. Minute sorgte Elia Meschack mit dem 3:1 für Ruhe. Renato Steffen verkürzte zwar nochmals, aber YB ließ sich den achten Pokaltitel nicht mehr nehmen.

Kein Grund zur Freude herrschte dagegen wieder einmal beim FC Sion. Dort fungierte David Bettoni, bei Real Madrid noch Assistent von Zinédine Zidane, seit dem 06. März als Cheftrainer. Er hatte das Amt vom sich selbst zum Interimscoach ernennenden Christian Constantin, eigentlicher Präsident des Klubs, übernommen. Am 15. Mai war das Engagement von Bettoni schon wieder beendet, und zwar auf abermals kuriose Art. Im Auswärtsspiel bei Servette Genf lag seine Mannschaft bereits nach neun Minuten mit 0:3 zurück. In der Halbzeitpause reagierte Constantin auf den schwachen Auftritt und auf das sich anbahnende fünfte sieglose Spiel in Serie und beendete die Zusammenarbeit mit Bettoni.

(Photo by FABRICE COFFRINI/AFP via Getty Images)

„Es gab laute Schreie in der Garderobe. Und die Wechsel in der Halbzeit hat der Präsident gemacht. Der Klub wird sicher Stellung nehmen. Leider wird der Trainer ab morgen nicht mehr mit uns zusammen sein. Der Präsident ist hässig“, berichtete Routinier Reno Ziegler umgehend nach Spielende. Die Handlungen von Constantin zahlten sich übrigens nicht aus. Der FC Sion, der die Entlassung von Bettoni erst zwei Tage später verkündete, ging in Genf mit 0:5 unter. Für Besserung sorgte Paolo Tramezzani sorgen, der erst in November 2022 entlassen wurde. Aufgrund des noch bestehenden Vertrags galt er als kostengünstige Lösung, was angesichts der Häufigkeit der Trainerwechsel – Constantin tauschte seit Amtsantritt im Jahr 2002 über 50-mal (!) den Übungsleiter aus – durchaus von Bedeutung ist.

Tramezzani konnte den Niedergang des FC Sion nicht mehr aufhalten. Drei weitere – zum Teil klar ausfallende – Niederlagen sorgten für den Fall ans Tabellenende. Doch selbst als Schlusslicht stand der Abstieg in die Challenge League noch nicht fest. Da die Super League zur neuen Saison auf 12 Teams aufgestockt wird, durfte der Letztplatzierte in der Relegation gegen den Tabellendritten aus Liga zwei antreten. Den Sedunois halfen auch die zwei Extraspiele nicht mehr weiter. Im eigenen Stadion unterlagen sie Lausanne Ouchy nach schwacher Leistung mit 0:2. Im Rückspiel am gestrigen Dienstagabend hielt der FCS zumindest dagegen, verlor aber letztlich mit 4:2. Somit darf Lausanne Ouchy neben den Direktaufsteigern Yverdon und FC Lausanne-Sport im kommenden Jahr auf erstklassigem Niveau agieren. Der FC Sion steht dagegen vor einem Neustart in der Challenge League, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne Coach Tramezzani stattfinden wird. Sein Vertrag läuft zum 30. Juni aus, sodass sich der Klub zumindest die Abfindung sparen kann.

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(Photo by TOM GOYVAERTS/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

 

 

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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