Christian Eriksen (26) ist ohne jeden Zweifel DER Star der dänischen Mannschaft (zumindest seit klar ist, dass Nicklas „Lord“ Bendtner die Weltmeisterschaft verpassen wird, aber lassen wir das). Mit ihm steht und fällt das Spiel seiner Mannschaft. Diesen Status ist er vom Verein nicht gewohnt, dort ist es Englands Harry Kane, doch er wird geradezu erstaunlich gut damit fertig, obwohl oder vielleicht weil er kein klassischer „Posterboy“ ist.
Wir haben ihn uns mal etwas genauer angesehen.
Die WM Qualifikation
Dänemarks Weg zur WM-Endrunde in Russland begann am 4. September 2016, kurz nach der Europameisterschaft in Frankreich, bei der den Dänen nur zuschauen durften. Das Spiel im Kopenhagener Parken Stadion gegen Armenien sollte der Auftakt für eine bessere Zeit des dänischen Fußballs werden und der Start ließ sich auch sehr gut an. Schon nach 17 Spielminuten brachte (natürlich) Christian Eriksen seine Mannschaft mit 1:0 in Führung. In der Folge ließ man gegen eine schwache armenische Mannschaft nicht mehr anbrennen, abgesehen von einem vergebenen Elfmeter (ebenfalls durch Eriksen) passierte in der Offensive aber auch nicht mehr allzu viel, sodass es beim 1:0 blieb. Ein guter Auftakt in die Qualifikation und ein erster Erfolg für Neu-Trainer Age Hareide, der die Mannschaft vom legendären Morten Olsen (war 16 Jahre lang Trainer Dänemarks) übernahm.
So rosig ging es aber keineswegs weiter, zwei Niederlagen gegen Polen und Montenegro später kippte die Stimmung und auch Christian Eriksen blieb von der Kritik nicht verschont. Von der Kritik offenbar angestachelt, schlugen die Dänen aber zurück und legten ein überragende, restliche Qualifikation hin. Zunächst wurde Kasachstan mit 4:1 geschlagen, Eriksen traf doppelt. Anschließend kam man zwar nicht über ein 0:0 gegen Rumänien hinaus, doch die vier siegreichen Spiele in Folge ließen dieses kleine „Ausreißerchen“ schnell vergessen. Christian Eriksen erzielte in jedem dieser vier Spiele ein Tor und legte auch noch vier Tore auf. Beim 4:0 über das favorisierte Polen war er sogar an jedem Tor beteiligt (ein Tor, drei Assists), eine absolute Weltklasse-Leistung von ihm und auch der gesamten Mannschaft.
Zum Abschluss der Qualifikationsrunde gab es dann leider wieder ein 1:1-Unentschieden gegen Rumänien, bei dem Eriksen seine Torausbeute immerhin auf acht Tore in 10 Quali-Spielen ausbauen konnte. Doch es half nicht, die Dänen mussten den Weg über die Play-Offs nehmen, da ihnen in der Gruppe nur Platz 2 hinter Polen blieb. In den besagten Play-Offs bekamen es die Dänen mit Irland zu tun, ein durchaus unangenehmer Gegner, wie sich beim 0:0 im Hinspiel zeigen sollte. Eriksen war zwar wieder einmal der beste Mann seiner Mannschaft, doch ein Tor wollte auch ihm nicht gelingen. So stand die Mannschaft beim Rückspiel in Dublin doch mächtig unter Druck.
Unter Druck, so heißt es oft, zeigt sich, wer ein wirklich großer Spieler ist. Diesen Nachweis könnte man dann aber kaum eindrucksvoller erbringen, als es Christian Eriksen in Dublin getan hat: Nach 29 Spielminuten stand es 1:1, dann kam der große Auftritt Eriksens, anschließend stand es, nach 74 Spielminuten, 4:1 für Dänemark – Eriksen hatte dreimal getroffen. Bendtner erhöhte in der Folge per Elfmeter zum 5:1-Endstand und Dänemark war qualifiziert für die WM-Endrunde in Russland.
(Photo by PAUL FAITH/AFP/Getty Images)
Mit 11 Toren und vier Assists bei insgesamt 25 erzielten Toren Dänemarks im Rahmen der Qualifikation, war Eriksen klar der entscheidende Mann. Er hat damit endgültig bewiesen, dass er alleine eine mittelmäßige Mannschaft auf ein deutlich höheres Niveau bringen kann. Eine Leistung, die ihn (zumindest für mich) definitiv in den Kreis der ganz Großen erhebt.
Starke Saison für die Spurs
Doch nicht nur in der Nationalmannschaft weiß Eriksen zu überzeugen, auch im Verein ist Eriksen ein absoluter Leistungsträger. Er ist im zentralen offensiven Mittelfeld Tottenhams absolut gesetzt und kam in der abgelaufenen Saison in 37 von 38 Ligaspielen zum Einsatz, dabei spielte er im Schnitt etwas über 87 Minuten pro Spiel. Mit 10 Toren ist er der drittbeste Torjäger und mit 11 Assists ist er sogar (gemeinsam mit Dele Alli) der beste Vorlagengeber seiner Mannschaft – und wir reden hier immerhin vom Tabellendritten der englischen Premier League. Und auch auf internationaler Ebene wusste er in der abgelaufenen Saison zu gefallen, in der Champions League gelangen ihm zwei Tore (gegen Real Madrid und Juventus Turin) und ein Assist in sechs Einsätzen, das Ausscheiden im Achtelfinale konnte er allerdings nicht verhindern.
Beeindruckende Zahlen für einen Spieler, der in der Öffentlichkeit oftmals hinter Kane, Alli oder sogar Heung-Min Son zurückstecken muss. Intern genießt er dafür aber die höchste Wertschätzung, wie das Bestreben des Vereins, seinen ohnehin bis 2020 laufenden Vertrag Vertrag vorzeitig verlängern zu wollen, belegt.Dieses Bestreben kommt aber auch nicht von ungefähr, denn der Däne hat mit seinen Leistungen Begehrlichkeiten bei den größten Vereinen der Welt geweckt, zum Beispiel dem FC Barcelona wird großes Interesse nachgesagt.
(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)
Sein Werdegang
Die Entwicklung rund um seine Zukunft im Verein bzw. um einen möglichen Wechsel, sollte man also nach der Weltmeisterschaft durchaus im Auge behalten. Bisher ist der 1,77m-große Stratege allerdings nicht unbedingt für seine häufigen Vereinwechsel bekannt, er wechselte lediglich dreimal den Verein. Erstmals wechselte er 2005 von seinem Jugendklub Middelfart G&BK (der heute in der dritten dänischen Liga spielt) in die Nachwuchsabteilung des Erstligisten Odense BK. Vier Jahre später wagte er dann den Sprung in die U19 von Ajax Amsterdam, das für seine gute Nachwuchsarbeit bekannt ist. Dort schaffte er dann auch den Sprung in den Profi-Fußball, sein Erstliga-Debüt feierte er am 17. Januar 2010 im Alter von 17 Jahren und 11 Monaten. 163 Pflichtspiele, 32 Tore und 65 Assists später war er der doch recht „kleinen“ niederländischen Eredivisie dann aber auch entwachsen. Für 13,5 Millionen Euro, eine aus heutiger Sicht geradezu lächerlich niedrige Ablöse, wechselte er im Sommer 2013 nach England zu den Tottenham Hotspur, wo er bis heute spielt.
Bei den Spurs angekommen, sollte er dabei helfen den für 101 Millionen Euro zu Real Madrid transferierten Gareth Bale vergessen zu machen. Neben ihm, wurden zu diesem Zweck auch noch Roberto Soldado, Erik Lamela, Paulinho und Nacer Chadli verpflichtet. Aus heutiger Perspektive kann man getrost feststellen, dass Eriksen der einzige dieser fünf Spieler war, dem dieser Aufgabe so richtig gerecht geworden ist. 56 Tore und 59 Vorlagen in 226 Pflichtspielen innerhalb von nur fünf Saisons lassen da auch keinen anderen Schluss zu.
Und wer weiß, wo es noch für ihn hingehen könnte….
Sein Profil: Klassischer Zehner mit Zusatz-Features
Nun, fast zum Ende dieses Porträts, möchte ich aber auch noch einmal auf den Spieler Eriksen und dessen Qualitäten blicken: Eriksen ist im Grunde ein Paradebeispiel für einen klassischen „Zehner“. Er ist technisch brillant, spielte sehr gute Schnittstellen-Pässe, tritt großartige Standards und schießt vor allem mit beiden Füßen (!) extrem gut. Seine Fernschüsse sind, wie z.B. das Spiel gegen Irland zeigt, eine absolute Waffe, vor allem weil er sowohl hart, als auch extrem präzise schießen kann, der schöne Schlenzer ins lange Eck ist so etwas wie sein „Signature-Skill“.
Doch, anders als viele „klassische Zehner“, ist Eriksen auch durchaus laufstark und ist sich nicht zu schade auch die „Drecksarbeit zu verrichten. Wie er im Verein immer wieder unter Beweis stellt, fällt es ihm leicht sich der Taktik unterzuordnen und auch mal auf die Außenbahnen auszuweichen. Er ist also auch ein absoluter Teamplayer, der sich aber nicht scheut Verantwortung zu übernehmen und den Erfolg notfalls auch im Alleingang zu erzwingen.
https://www.youtube.com/watch?v=hU8qFcmJdz8
Was man bei der WM von ihm erwarten darf
Christian Eriksen wird auch in Russland die zentrale Figur seiner Mannschaft werden, die dänische Mannschaft ist abhängig von seinen Ideen und auch von seinen Toren. Sollte er die Form, die er nahezu die ganze Saison schon gezeigt hat, mit in die Weltmeisterschaft nehmen können, stehen die Chancen gut, dass Dänemark mindestens ins Achtelfinale vordringen kann. Abgesehen von Frankreich, ist die Gruppe nämlich mehr als machbar, gegen Peru und Australien geht „Danish Dynamite“ sogar als Favorit ins Spiel.
Mit Delaney hinter ihm, Sisto und Poulsen an seiner Seite und Jörgensen oder Dolberg vor ihm, hat er zudem Mitspieler, die etwas mit seinen Ideen anfangen können. Drei Scorerpunkte in der Gruppenphase sind ihm also durchaus zuzutrauen. Was danach passiert (im Achtelfinale könnte Dänemark beispielsweise auf Argentinien treffen), ist im Vorfeld schwer zu prognostizieren.
(Photo credit should read PAUL FAITH/AFP/Getty Images)