Transferboom in Saudi-Arabien: Es ist wirklich nicht nur das Geld!

20. Juli 2023 | Weiteres | BY Damian Ozako

Saudi-Arabien kauft weiter munter in Europas Topligen ein. Nun wird die PR-Brechstange rausgeholt, um der Liga weiteren Glanz zu verleihen. Es fallen Aussagen, die einen ratlos zurücklassen. Ein Kommentar.

Saudi-Arabien: Schon jetzt „besser als die MLS“

Kein Tag vergeht, ohne dass neue Gerüchte auftauchen von Spielern, die in den Fokus saudi-arabischer Klubs geraten sind oder sogar schon unterschrieben haben. Cristiano Ronaldo, der sich im Januar Al-Nassr anschloss, teilte nun gegenüber ESPN stolz mit, dass er die „Tür geöffnet“ habe, sodass nun immer mehr „Topspieler“ nach Saudi-Arabien kommen würden. Der Portugiese gab sogar an, dass die Saudi Pro League in einem Jahr stärker als die türkische Süper Lig und niederländische Eredivisie sein werde. Besser als die MLS, in der mittlerweile Lionel Messi kickt, sei die SPL ohnehin schon. Getätigt wurden die Kommentare nach einer 0:5-Niederlage im Testspiel gegen Celta Vigo.



Die Worte des Superstars triefen quasi vor verletztem Ego, aber dahinter steckt noch mehr. Denn derartige Aussagen dürften wir wohl in naher Zukunft noch öfter zu hören bekommen. Die saudische PR läuft mittlerweile auf Hochtouren. So erklärte Michael Emenalo, neuer Direktor der Liga, dass die Spieler nicht ausschließlich aus finanziellen Gründen nach Saudi-Arabien kommen würden, sondern auch, um ihr „sportliches Erbe zu definieren“. Die Spieler, so Emenalo, würden realisieren, dass dort etwas spezielles entstehe und sie würden gerne die Möglichkeit wahrnehmen, ihren Teil dazu beizusteuern. „Genau das will doch jeder Fußballer“, betonte der Funktionär.

In beeindruckendem Tempo bewies das Land, genügend Profis zu finden, die sich in der Liga niederlassen. Nun geht es darum, das Image weiter aufzupolieren. Doch die Aussagen Emenalos könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht lächerlicher sein. Spieler, wie N’Golo Kanté, Karim Benzema, Ronaldo und noch viele andere dürften nur äußerst geringes Interesse am sportlichen Wettbewerb in Saudi-Arabien haben. Ihr sportliches Erbe haben sie bereits hinterlassen. In ihren Nationalmannschaften, in der Champions League oder in nationalen Ligen. Wenn man in 50 Jahren den Namen Ronaldo hört, wird man nicht an den fast 40-jährigen Spieler denken, der zum Abschluss seiner langen Karriere nochmal mehr Geld verdienen wollte, nachdem er in Europa von etlichen Klubs gekorbt wurde. Nein, vielmehr wird man an seine jüngere Version denken, die für etliche Titel und Rekorde in den prestigeträchtigsten Wettbewerben der Welt bekannt ist.

Vielmehr ist der Wechsel nach Saudi-Arabien ein Schandfleck auf der Vita dieser außerordentlichen Profis. Dass Fußballer allerdings in einer eigenen Welt leben und viele von ihnen nicht allzu viel Wert auf Menschenrechte oder Toleranz legen, wurde in den letzten Wochen wieder beeindruckend zur Schau gestellt. Dass Emenalo, Ronaldo und Co. das Sportswashing-Projekt der Saudis inklusive PR brav umsetzen und sich dafür fürstlich entlohnen lassen, ist bitter, aber auch erwartbar. Dass sich genügend naive Fans finden, die diese Worte unreflektiert aufsaugen werden, ist leider auch klar. So ist er nun einmal, der Fußball.

Zumindest Neves ist ehrlich

Umso erfrischender waren die Aussagen von Ruben Neves, der sich im Sommer Al-Hilal anschloss. „Meiner Familie das Leben zu ermöglichen, was ich mir immer für sie erträumt habe, war für mich der Hauptgrund, der mich nicht daran zweifeln ließ, dieses Angebot anzunehmen“, gab der 26-Jährige gegenüber Vereinsmedien ganz offen zu. Die Versorgung seiner Frau und den gemeinsamen drei Kindern sei die „größte Trophäe“ für ihn. Angesichts der Tatsache, dass der Mittelfeldspieler schon zuvor Multimillionär war und Reichtum erleben durfte, von dem der absolute Großteil der Menschheit nichtmal zu träumen wagt, fragt man sich natürlich schon, welches Leben der Familie Neves erst jetzt möglich ist.

Aber lassen wir das mal außen vor: Neves stand vor der Entscheidung, ob er weiterhin einen mittleren einstelligen Millionenbetrag in einer der Top-5-Ligen oder doch über 18 Millionen Euro in einer Liga, die nichtmal im Ansatz dem eigenen sportlichen Niveau entspricht, einstreichen will. Da einfach zu sagen: ‚Ja, ich habe es für das Geld gemacht‘, ist zumindest ehrlich. Sich gegen sportliche Ambitionen, aber für Reichtum zu entscheiden, der mehrere Generationen versorgen wird, ist in den Grundzügen nachvollziehbar.

Umso erstaunlicher ist es, dass versucht wird, den Fokus von der Hauptmotivation wegzulenken. Es wäre schön, wenn wir Fans nicht jeden Tag für dumm verkauft werden würden, wenn die wahren Gründe für die Wechsel in die SPL so offensichtlich auf der Hand liegen. Versprochen, niemand verurteilt euch dafür, dass ihr für lukrative Verträge eure sportlichen Ambitionen beerdigt, liebe Fußballer. Das überrascht keinen. Wirklich nicht. Aber bitte verschont uns mit dieser lächerlichen PR, die euch nichtmal die Saudis glauben dürften.

Fall Henderson: Geld ist wichtiger als Haltung

Ich persönlich freue mich schon auf die ersten Worte von Jordan Henderson, der sich Steven Gerrard bei Al-Ettifaq anschließen wird. So positionierte sich der 33-Jährige regelmäßig im Kampf gegen Queerfeindlichkeit ein. „Die Vorstellung, dass sich jemand von ihnen vom Spielen oder vom Besuch eines Fußballspiels ausgeschlossen fühlen könnte, nur weil er sich als derjenige identifiziert, der er ist, ist unglaublich“, teilte er mit, als er auf homosexuelle Fußballer angesprochen wurde und führte weiter aus: „Die Vorstellung, dass sie sich davor verstecken müssen, um akzeptiert zu werden? Genau so fühlen sich zu viele Mitglieder der LGBT+-Gemeinschaft. Wir wissen das, weil sie es uns sagen. Wir sollten ihnen also zuhören, sie unterstützen und daran arbeiten, es besser zu machen.“

Da stellt sich die Frage: Was überzeugt einen solchen Menschen, der mit Liverpool mehrfach Geschichte geschrieben hat, in ein Land zu wechseln, in der Homosexualität die Todesstrafe zur Folge haben kann?

  • A: Die Aussicht, für Al-Ettifaq auflaufen zu dürfen
  • B: Unter der Regie von Liverpool-Legende Steven Gerrard zu spielen
  • C: Der sportliche Wettkampf in der SPL
  • D: 800.000 Euro Gehalt pro Woche

Ich hab da schon so eine kleine Vermutung..

(Photo by FAYEZ NURELDINE/AFP via Getty Images)

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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