Bundesliga: Vier junge Wilde im Kampf um die Champions League

5. Juni 2020 | Global News | BY Victor Catalina

Spotlight | Während die Frage nach der Meisterschaft so gut wie geklärt ist, spitzt sich der Kampf um die Champions League-Plätze in der Bundesliga immer weiter zu. Vom Schwierigkeitsgrad her, nimmt sich das Restprogramm aller vier Mannschaften nicht viel. Am Ende könnte – auch hier – der Rekordmeister ausschlaggebend sein.

Platz 2: Borussia Dortmund (60 Punkte, 80:35 Tore, Form: S/S/N/S)

Nach dem herben Rückschlag im Topspiel gegen den FC Bayern hat der BVB mit einem furiosen 6:1 in Paderborn wieder zurück in die Spur gefunden. Dieses Spiel hat einerseits die Stärken, andererseits auch die Schwächen des Dortmunder Spiels offenbart. Da wäre zum einen die enorme Wucht in der Offensive. Kein Haaland? Kein Problem. Dann ist Jadon Sancho derjenige, der dreimal trifft. Auf 80 Tore bringt es die Mannschaft von Lucien Favre nach 29 Spieltagen. Zum Vergleich: Genauso viele waren es am Ende der Meistersaison 2011/12.

(Photo by LARS BARON/POOL/AFP via Getty Images)

Das schnelle Spiel liegt dem BVB. Beim 4:0-Sieg im Derby zauberten sie einige Bilderbuchkonter auf den Rasen des leeren Westfalenstadions. Und gegen den FC Bayern hat man gesehen, dass die Mannschaft in der Lage ist, eine Pressinglinie mit kurzen, schnellen Pässen auszuhebeln. Borussia Dortmund hat mit Spielern wie Jadon Sancho, Julian Brandt, oder Raphael Guerreiro unglaublich viel Kreativität im Kader. Allerdings braucht es Räume, damit diese zur Entfaltung kommen kann. Wenn sie die nicht bekommen, tut sich der BVB enorm schwer, sich Chancen zu erarbeiten. So gesehen in Hälfte eins in Paderborn oder dem Topspiel gegen den FC Bayern. Dort gelang es der Borussia nicht, sich eine Chance mit einem xG > 0,1 zu erarbeiten.

An den letzten fünf Spieltagen warten unter anderem noch die formstarke Hertha, zudem steht am 33. Spieltag das Spitzenduell in Leipzig an. Der Rest sollte mit Düsseldorf (A), Mainz (H) und Hoffenheim (H) keine unlösbare Aufgabe darstellen.

Prognose: Gerade gegen Leipzig sollte sich entscheiden, ob Dortmund Zweiter oder Dritter wird. Dass sie komplett aus den Champions League-Rängen fallen, ist eher unwahrscheinlich. Dazu hat sich der BVB nach der Coronapause mit drei Siegen aus vier Spielen als zu konstant, defensiv als zu stabil und offensiv als zu durchschlagskräftig erwiesen. Der BVB ist Zweiter – und das bleibt er auch.

Platz 3: RB Leipzig (58 Punkte, 74:31 Tore, Form: U/S/U/S)

Es gab Phasen in dieser Saison – der ersten unter Julian Nagelsmann – da trat RB wie ein Meister auf. Folgerichtig standen sie zur Winterpause ganz oben. Danach allerdings drehte der FC Bayern unter Hansi Flick auf und übernahm die Pole Position.

RB verfügt nach wie vor über eine unfassbar breit aufgestellte Offensive: Timo Werner, Yussuf Poulsen, Patrik Schick, Christopher Nkunku, Marcel Sabitzer, Dani Olmo, Emil Forsberg und Ademola Lookman. 74 Bundesligatore in einer Saison bedeuten schon jetzt einen neuen Vereinsrekord.

Wenngleich RB schon immer eine hervorragende Kontermannschaft war – und es noch immer ist – hat Julian Nagelsmann ihnen einen Hauch mehr Dominanz verpasst. Im Vergleich zur vergangenen Saison hat Leipzig im Durchschnitt 5 Prozent mehr Ballbesitz, zudem spielen sie rund 100 Pässe mehr pro Partie.

(Photo by Ina Fassbender/Pool via Getty Images)

Nach der Coronapause präsentierte sich RB etwas inkonsequent, was sie gegen Freiburg (1:1) und Hertha BSC (2:2) jeweils zwei Punkte kostete. Dafür hat die Mannschaft mit zwölf Toren in vier Spielen sichtlich Gefallen an der eigenen Offensive gefunden. Nagelsmanns Mission in Leipzig ist noch nicht beendet, aber sie trägt erste Früchte.

Allerdings ist in einigen auch der Wurm drin. So tendiert RB ganz gerne mal zu einer – interessanten – Art der defensiven Zuteilung. Gegen Hertha kam Marko Grujic glockenfrei zum Abschluss, am Montag in Köln Jhon Cordoba. In vier Spielen nach der Coronapause blieben sie nur einmal – beim 5:0 in Mainz – ohne Gegentor.

Leipzig weiß sich aber in den meisten Fällen zu befreien: 19 Punkte holten sie in dieser Saison schon nach Rückstand – Ligabestwert!

Das Restprogramm liest sich relativ machbar. Die einzige Hürde, die sie noch nehmen müssen, ist am 33. Spieltag Borussia Dortmund. Ansonsten warten noch Paderborn (H), Hoffenheim (A), Düsseldorf (H), und Augsburg (H).

Prognose: RB verteidigt zwar manchmal etwas luftig, trotzdem haben sie genug individuelle Qualität im Kader, um solche Spiele meistens auch zu gewinnen. Mit einem Sieg gegen den BVB könnten sie noch auf die Vizemeisterschaft schielen, ansonsten bleibt es bei Platz 3.

Platz 4: Borussia Mönchengladbach (56 Punkte, 57:35 Tore, Form: S/N/U/S)

Die Borussia vom Niederrhein hat vergangenen Sommer einige Transfers getätigt, die im Nachhinein guten Gewissens als Glücksgriff bezeichnet werden dürfen: Marco Rose hat der Mannschaft seine Handschrift verpasst, dazu harmonieren Alassane Plea und Marcus Thuram wunderbar. Wenn Borussia Mönchengladbach nach der Coronapause traf, war mindestens einer der beiden auf der Anzeigetafel.

Wer Thuram und Plea einzig auf ihre Torjägerqualitäten beschränkt, irrt jedoch. Gladbachs Offensive ist extrem variabel. Plea steht bei zehn Toren und elf Assists, Thuram bei zehn Toren und acht Assists. Hinter den beiden kommt Breel Embolo auf sieben Treffer und fünf Assists. Gerade diese Variabilität macht sie für gegnerische Abwehrreihen schwer zu lesen.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Diese Offensive geht mit einer erstaunlichen Konsequenz einher. 22,4 Prozent der Chancen landeten im gegnerischen Tor, nur Borussia Dortmund ist in der Bundesliga noch effizienter
(34,3 Prozent).

Allerdings übertünchen diese Fakten, dass Gladbach in anderen Bereichen noch massiven Nachholbedarf hat: Seit Jahresbeginn blieben sie in nur einem von elf Bundesligaspielen – beim 0:0 in Bremen – ohne Gegentor. Wirklich instabil ist ihre Defensive nicht, dafür gönnen sie sich pro Spiel trotzdem Auszeiten, die der Gegner in der Regel bestraft.

Die Form nach der Coronapause ist ordentlich. In Frankfurt und gegen Union gab es überzeugende Siege, allerdings ließ man sich zuhause von Leverkusen düpieren und das Spiel in Bremen wäre auch fast ins Auge gegangen. Sieben Punkte sammelte die Borussia nach der Pause, die wenigsten aller Champions League-Anwärter.

Mit dem FC Bayern (A), Wolfsburg (H) und Hertha BSC (H) warten noch drei Schlüsselspiele auf die Rose-Elf. Ansonsten geht es noch nach Freiburg und gegen den SC Paderborn.

Prognose: Gladbach täte gut daran, ein bis zwei der Schlüsselspiele für sich zu entscheiden. Nicht zuletzt, weil das Auswärtsspiel in Freiburg für sie Kryptonit ist. Gladbachs letzter – und einziger – Bundesligasieg im Breisgau datiert vom 23. März 2002, als Arie van Lent kurz vor Schluss zum entscheidenden 0:1 traf. Aufgrund dessen – und des vergleichsweise schwierigen Schlussprogramms – wird für die Borussia vom Niederrhein wohl einmal mehr lediglich die Europa League bleiben – Platz 5.

Platz 5: Bayer Leverkusen (56 Punkte, 54:36 Tore, Form: S/S/N/S)

Anfang Januar des letzten Jahres sagte Leverkusens – damals – neuer Trainer einen Satz, der sich ein wenig wie eine Drohung anhörte: „Ich denke nicht, dass die Leute hier schon den echten Peter Bosz gesehen haben“.

Die Zeit des Niederländers bei Borussia Dortmund war – gelinde gesagt – unglücklich. In Leverkusen aber konnte er die Mannschaft nach seinen Vorstellungen formen. Mit durchschnittlich 64 Prozent Ballbesitz und 621 Pässen pro Partie gehört die Werkself zu den spielstärksten Teams der Liga. Mit beiden Werten liegen sie im Übrigen weit über Ligaschnitt.

Allerdings wäre es ein Trugschluss zu denken, Leverkusen könne nur auf Ballbesitz spielen. Mit Moussa Diaby, Leon Bailey oder Karim Bellarabi hat Peter Bosz durchaus einige Raketen im Kader. Das schnelle Spiel mit wenigen Ballkontakten gehört somit auch zu ihrem Repertoire. Personaltechnisch konnte Kai Havertz in der Spitze überzeugen, er traf in drei der vier Spiele insgesamt fünfmal.

(Photo by STUART FRANKLIN/POOL/AFP via Getty Images)

Die logische Konsequenz: Konstanz. Drei der vier Spiele nach der Pause gewann Leverkusen. Gegen Wolfsburg allerdings mussten sie eine empfindliche 1:4-Heimniederlage einstecken, an der sie auch noch letzten Freitag in Freiburg zu knabbern hatten. Ja, das Spiel gewannen sie zwar. Aber dem SC boten sich durchaus auch mehrere exzellente Gelegenheiten, um selbst auf die Anzeigetafel zu kommen. Vor allem bei schnellen Gegenzügen kommt Bayer in Bedrängnis. Das Spiel gegen den FC Bayern am Wochenende, es wird einiges aufzeigen, wohin sich Leverkusen in den restlichen vier Spielen orientieren muss.

Die halten für sie noch Schalke (H), den 1. FC Köln (H), Hertha BSC (A) und Mainz 05 (H) bereit.

Prognose: Viel hängt vom Spiel gegen den FC Bayern ab. Sollte sich Leverkusen den nächsten Vollwaschgang einfangen, könnte sie das im Kampf um die Champions mental erheblich – und vielleicht entscheidend – schwächen. Das Restprogramm ist mit den formschwachen Schalkern und nach der Pause noch sieglosen Kölnern einerseits machbar, andererseits haben sie auch noch ein schwieriges Auswärtsspiel in Berlin vor der Brust. Es wird im Duell mit Gladbach auf Nuancen ankommen. Im Moment macht Bayer aber den kompletteren Eindruck – Platz 4.

Fazit

Vier Punkte trennen Borussia Dortmund auf Platz 2 und die fünftplatzierten Leverkusener. Theoretisch ist noch für alle Beteiligten alles möglich. Allerdings haben sich Dortmund und Leipzig als zu stabil erwiesen, um noch aus den Champions League-Rängen zu fallen. Es würde damit auf ein Duell zwischen Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen um Platz 4 hinauslaufen.

Vor allem der FC Bayern könnte hier zum Zünglein an der Waage werden. In der Hinrunde unterlagen die Münchener beiden Mannschaften 1:2, Hansi Flicks einzige Niederlagen als Cheftrainer des Rekordmeisters. Sollte eines der beiden Teams sein Kabinettstück wiederholen können, hätte es einen Vorteil, der nur schwer aufzuholen wäre. Im Moment spricht die Form und auch der etwas komplettere und reifere Spielstil eher für Bayer Leverkusen. Das ergäbe folgendes Abschlussbild in den Top 5.

1.) FC Bayern München
2.) Borussia Dortmund
3.) RB Leipzig
4.) Bayer Leverkusen
5.) Borussia Mönchengladbach

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Victor Catalina

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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