Vorschau EM 2021: Gruppe E mit Spanien, Polen, Schweden und Slowakei
9. Juni 2021 | Global News | BY Marc Schwitzky
Vorschau | Die Europameisterschaft 2021 steht kurz bevor. In der EM-Gruppe E treffen Spanien, Polen, Schweden und die Slowakei aufeinander. Zwar scheint diese Gruppe einen klaren Favoriten sowie Underdog zu haben, dazwischen tummelt sich jedoch viel Überraschungspotenzial – und mit Robert Lewandowski der aktuelle Weltfußballer.
- Favorit Spanien steht im Umbruch – Stolper-Potenzial?
- Polen und Schweden könnten positiv überraschen
- Der Slowakei bleiben Außenseiterchancen
Der Spielplan der EM-Gruppe E
14.06.2021, 18.00 Uhr: Polen – Slowakei
14.06.2021, 21.00 Uhr: Spanien – Schweden
18.06.2021, 15.00 Uhr: Schweden – Slowakei
19.06.2021, 21.00 Uhr: Spanien – Polen
23.6.2021, 18.00 Uhr: Slowakei – Spanien
23.06.2021, 18.00 Uhr: Schweden – Polen
Alle Kader der EM-Gruppe E findet ihr hier in der Übersicht!
Spanien: Gruppenfavorit – Aber nicht viel mehr?
Als klarer Favorit der EM-Gruppe E gilt Spanien. Der Weltmeister von 2010 gewann die Europameisterschaft das letzte Mal im Jahr 2012 – damals mit einem deutlichen 4:0-Sieg über Italien. Es war die endgültige Krönung der spanischen goldenen Generation rund um Iniesta, Xavi, Cesc Fabregas und co.. „La Furia Roja“ schien das neue Nonplusultra im Weltfußball zu sein. 2014 erfolgte mit dem überraschenden Aus in der WM-Gruppenphase jedoch die kalte Dusche. Nachdem dann auch bei der EM 2016 bereits im Achtelfinale Schluss war, musste sich Spanien eingestehen, dass die einstige Erfolgsformel überholt war. Ein Neuanfang musste her. Es sollte mit Julen Lopetegui gelingen, doch dieser wurde aufgrund seines bekannt gewordenen Wechsels zu Real Madrid kurz vor der WM 2018 gefeuert. Auch das Turnier in Russland wurde mit dem Achtelfinal-Aus gegen das Gastgeberland enttäuschend gestaltet.
Bis dahin war der letztendlich verschleppte Umbruch auf ganzer Linie gescheitert. Mit der Amtszeit von Luis Enrique (51), welche im Juli 2018 begann, sollte alles anders werden. Zwischenzeitlich von seinem einstigen Co-Trainer Robert Moreno vertreten, qualifizierte sich Spanien souverän für die EM-Endrunde in diesem Jahr. Enrique selbst kehrte erst im November 2019 zur Nationalmannschaft zurück, in 2020 gewann er mit Spanien drei Partien, spielte viermal Unentschieden und verlor einmal. Den absoluten Höhepunkt des Jahres 2020 stellte der furiose 6:0-Sieg über Deutschland im November dar.
Nun bei der EM angekommen, will Spanien wieder ein wahrer Titelfavorit sein. Die vergangenen Turniere verliefen allesamt enttäuschend, Querelen im Verband trübten das Bild ebenfalls. Vom Selbstverständnis her gehört Spanien zu den Titelanwärtern, allerdings ist der Umbruch noch vollends im Gange – das Turnier wird eine Operation am offenen Herzen des Kaders. Enrique hat vieles angestoßen, ob es bei dieser EM schon alles ineinanderlaufen wird, ist zumindest fraglich.
Luis Enrique braucht noch Zeit
Denn ja, an guten Tagen ist Spanien immer noch dazu in der Lage, Gegner gänzlich auseinanderzunehmen (siehe Deutschland-Spiel). In den letzten Jahren und Monaten war aber auch immer wieder viel Sand im Getriebe. Ein Symptom des noch nicht abgeschlossenen Umbruchs. Dieser hat mit der Nicht-Nominierung von Kapitän und Rekordnationalspieler Sergio Ramos (35) ein einschneidendes hinter sich, doch mit Spielern wie Sergio Busquets (32) oder Jordi Alba (32) finden sich immer noch die Gesichter alter Tage im Kader wieder.
Trainer Enrique soll ebenfalls die Erinnerung an die Zeit von Vicente del Bosque (70) aufleben lassen, doch in einem moderneren Rahmen. Von seiner Verpflichtung versprach man sich, die Barca-Schule wieder zu implementieren. Viel Ballbesitz, gutes Positionsspiel, Vertikalität – all das aber an den heutigen Fußball angepasst. Spanien agiert daher in einem typischen 4-3-3, mit einer sehr spielstarken Zentrale aus Spielern wie Busquets, Thiago (30), Fabian Ruiz (25) oder Rodri (24). Ohnehin ist das technisch-spielerische Niveau der Mannschaft einmal mehr beeindruckend.
Wird es schon das Turnier von Pedri, Ferran Torres und co.?
Das liegt auch an den Spielern, die zuletzt nachgerückt sind. Zwar fehlt mit Ansu Fati (17) das wohl größte spanische Talent, doch auch Barca-Mannschaftskollege Pedri (18) sorgt im Mittelfeld für Aufsehen. Mit Torhüter Unai Simon (23) und der Innenverteidigung aus Aymeric Laporte (27) und Pau Torres (24) hat sich eine spannende Defensivachse gebildet. Auch auf den offensiven Außenbahnen findet sich mit Ferran Torres (21), Dani Olmo (23) und Mikel Oyarzabal (24) lässt sich viel Talent finden.
Das Problem: Die Summe ist noch nicht so groß wie ihre Einzelteile. Das Team hat sich noch nicht vollends gefunden, besonders gegen tiefstehende Gegner wirkt das Spiel daher oftmals uninspiriert. Viele Spieler finden sich gerade erst auf dem höchsten Niveau ein, die Dichte an Weltstars hat in den letzten Jahren abgenommen. Thiago, Alvaro Morata (28) oder Marcos Llorente (26) sind tolle Spieler, aber nicht in ihrer „Prime“ wie beispielsweise ein Kylian Mbappe (22) oder Robert Lewandowski (32). Die festen Größen, die eine Mannschaft schlicht mitziehen können, fehlen ein wenig. Überdies fehlen mit Busquets und Diego Llorente gleich zwei Spieler zu Turnierstart aufgrund eines positiven Corona-Tests. Die Spanier bauen daher einen Parallelkader auf, um reagieren zu können.
Es ist daher fraglich, ob Spanien viel mehr sein wird als der Gruppenfavorit. Es wird immens auf die Turnier- und Tagesform der Einzelspieler ankommen – ansonsten ist diese EM womöglich nur das lange Anlaufen für die kommende Weltmeisterschaft, wenn Spielidee und Mannschaft weiter gereift sind.
Polen: Endlich zu den Big Playern aufschließen
Auch bei Gruppengegner Polen wird sich die letztendliche Stärke der Mannschaft erst im Turnier entfalten. Das liegt weniger an den Spielern selbst, die sich größtenteils seit vielen Jahren kennen und schon einige Turniere gemeinsam bestritten. Die Augen werden eher auf Trainer Paulo Sousa (50) gerichtet sein. Der Portugiese hat die polnische Nationalmannschaft erst am 21. Januar diesen Jahres übernommen, nachdem sein Vorgänger Jerzy Brzeczek (50) nach drei Jahren gegangen wurde. Brzeczek habe zu unattraktiven Fußball spielen lassen, hießen die Vorwürfe – der in Europa schon sehr weit herumgekommene Sousa sollte Polen modernisieren.
Mehr News und Storys rund um den internationalen FußballDie EM-Qualifikation im Jahr 2019 verlief sportlich allerdings sehr zufriedenstellend. Die „Biało-Czerwoni“ (Weiß-Roten) gewannen acht ihrer zehn Spiele, nur eine Partie wurde verloren (0:2 gegen Slowenien). So ließ man in der EM-Quali immerhin auch Österreich hinter sich. Der Bruch mit Ex-Trainer Brzeczek ist vielmehr auf die Auftritte in der UEFA Nations League im Jahr 2020 zurückzuführen. Hier präsentierte sich Polen nur gegen individuell deutlich schwächere Gegner wie Finnland oder die Ukraine ordentlich, gegen Italien und die Niederlande kam für die eigenen Ansprüche schlicht zu wenig. Das ewige 4-2-3-1 und etwas uninspirierte Spiel sollte einer Frischenzellenkur unterzogen werden.
Denn: Polen will nun endlich in den erweiterten Kreis der europäischen Big Player aufsteigen. Die Jugendarbeit der letzten zwei Dekaden hat immer bessere Einzelspieler herausgebracht, die teilweise bei den absoluten Topteams des Kontinents spielen. Allen voran Superstar Robert Lewandowski ist das Aushängeschild des polnischen Fußballs. Mit dem Bayern-Stürmer und weiteren namenhaften Akteuren soll bei dieser EM ein Ausrufezeichen gelingen.
Polen besticht mit einer eingespielten und erfahrenen Achse
Wer Polen nämlich auf Lewandowski alleine reduziert, macht einen Fehler. In den vergangenen Jahren hat sich eine stabile Achse aus Spielern geformt, die bereits seit langer Zeit in Europas Topligen unterwegs sind. Ganz hinten angefangen, hütet Wojciech Szczesny (31), seit Jahren Stammkeeper von Juventus Turin, das polnische Tor. Der starker Torhüter bildet zusammen mit Jan Bednarek (25) und Kamil Glik (33) die mehr als nur stabile Defensivachse Polens. Bednarek agiert seit Jahren auf gutem Niveau beim FC Southampton, Tausendsassa Glik ist auch noch bei Benevento Stammspieler und brilliert mit riesiger Erfahrung.
Auch das zentrale Mittelfeld der Rot-Weißen ist mit großer Qualität bestückt. Auf der sechs findet sich immer noch Grzegorz Krychowiak (31) wieder, der für viel Stabilität sorgt. Nach seinem Wechsel zu PSG fiel der Mittelfeldkämpfer in ein Loch, aus dem er sich bei Lok Moskau wieder herausgearbeitet hat. Zusammen mit dem so torgefährlichen Piotr Zielinski (27) von der SSC Neapel, der seit Jahren konstant stark aufspielt, bildet Krychowiak das Herzstück der Mannschaft. Je nachdem, wie man sich auf den Gegner einstellen will, können körperlich robuste Spieler wie Jakub Moder (22, Brighton) oder spielerisch intelligente wie Mateusz Klich (30, Leeds) hinzugefügt werden.
Kann Lewandowski sein Team tragen?
Über Weltfußballer und Gerd-Müller-Rekordknacker Lewand0wski ist nahezu alles gesagt. Auch bei Polen wird es natürlich auf den Mittelstürmer ankommen – der 32-Jährige kann Teams in andere Sphären heben. Bleibt er seiner Topform aus dieser Saison treu, wird Polen überraschen. Neben ihm steht auch Arkadiusz Milik (27, Marseille) für Torgefahr.
In den vorangegangenen Testspielen war zu erkennen, dass Trainer Sousa den Kader noch kennenlernen muss und daher viel ausprobiert. Es wurde zwischen verschiedensten Systemen – ob Dreier- oder Viererkette – gewechselt. Daher ist nicht wirklich klar, wie Polen bei dieser EM taktisch auftreten wird. Erfahrungsgemäß ist neben spielerischer Qualität viel Kampf und Leidenschaft zu erwarten. Findet Sousa den spielerischen passenden Schlüssel für sein Team, kann Polen zu einer Überraschung werden.
Schweden: Auch ohne Ibrahimovic eine Gefahr
Ärgster Konkurrent Polens um Platz zwei in der EM-Gruppe E wird aller Voraussicht nach Schweden werden. Die „Tre Konor“ (Drei Kronen) hatten eigentlich den Plan, mit Weltstar und Nationalmannschaftsrückkehrer Zlatan Ibrahimovic (39) in das Turnier zu starten, eine Knieverletzung verhinderte dieses Comeback aber letztendlich. Ohne Zweifel hätte „Ibra“ für einen gehörigen Impuls gesorgt – mental wie sportlich – doch ist Schweden auch ohne den Stürmer vom AC Milan nicht zu unterschätzen.
Nachdem die Weltmeisterschaften 2010 und 2014 verpasst wurden, befinden sich die Skandinavier seit ein paar Jahren durchaus im Aufschwung. 2018 setzte sich Schweden gegen Gruppengegner Deutschland durch und zog bis ins WM-Viertelfinale ein, wo man sich letztendlich gegen England (0:2) geschlagen geben musste. Es war ein erstes Ausrufezeichen, dass mit Schweden wieder zu rechnen ist. Ursprünglich in Liga B der Nations League platziert, präsentierte man sich so gut, dass man zur Saison 2020/21 in die höchste Spielklasse, Liga A, aufstieg. Die EM-Qualifikation verlief ebenfalls erfolgreich. Mit 21 Punkten lief Schweden nach Spanien und noch vor Norwegen auf Platz zwei der Quali-Gruppe ein.
Zwar tat sich Schweden in der Liga A der Nations League durchaus schwer (ein Sieg, fünf Niederlagen), Gegner wie Frankreich, Portugal und Kroatien sind aber wohl einfach ein Nummer zu groß für Tre Kolor. Das Team von Janne Andersson (58), der Schweden seit 2016 trainiert, präsentierte sich im Vorfeld der EM umso formstärker und gewann all seine Spiele in 2021 – ob WM-Qualifikation oder Testspiel.
Kommt Schwedens Offensive ins Rollen?
Das Bild der körperlich robusten, spielerisch aber sehr limitierten Schweden, hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Nordmänner einfachen Fußball spielten und auf einen einzigen Star a la Ibrahimovic oder Hendrik Larsson sowie Standards setzten. Mit Trainer Andersson und der immer besser werdenden Ausbildung der Spieler ist es Schweden heutzutage möglich, ebenfalls ansehnlichen und offensiven Fußball spielen zu lassen.
Meist agiert Schweden unter Andersson entweder in einem 4-2-2-2 oder 4-3-3 – der Flügelfokus ist in jedem System gegeben. Dort liegen wohl auch die Stärken Schwedens. Auf Linksaußen wirbelt Leipzigs Emil Forsberg (29), der eine starke Vereinssaison hinter sich hat und auch in den letzten Testspielen Schwedens auftrumpfte. Auf der gegenüberliegenden Seite ist mit Dejan Kulusevski (21) ein riesiges Talent zu finden, das in dieser Spielzeit den Durchbruch bei Juventus Turin schaffte. Allerdings hat er mit einem positiven Corona-Test zu kämpfen und fällt zumindest für den Auftakt aus. Beide Flügelspieler sind technisch stark, doch während Forsberg oftmals den äußeren Spielmacher gibt, ist Kulusevski eher für Dynamik und Torabschlüsse zuständig.
Mit Spielern wie Mainzer Robin Quaison (27), Ken Sema (27, Watford), Viktor Claesson (29, Krasnodar) finden sich weitere qualitativ hochwertige Außenbahnspieler, die je nach Spielverlauf und Gegnertyp eingesetzt werden können. Sie alle haben auch das Ziel, die so kaltschnäuzigen Strafraumstürmer Alexander Isak (21) und Marcus Berg (34) zu bedienen. Isak hat eine herausragende Saison bei La Real hinter sich, Berg besticht durch seinen großen Erfahrungsschatz.
Schweden besticht auch durch Erfahrung Grundtugenden
Allein die Einzelspieler zeigen: Kommt die schwedische Offensive ins Rollen, ist sie nur schwer zu stoppen. Man verfügt über verschiedenste Spielertypen, wodurch man schwer auszurechnen ist und sich auf jeden Gegner neu einstellen kann.
Was bei Schweden allerdings immer gegeben ist: Der Einsatz. Trainer Andersson ist sehr wichtig, dass alle Mannschaftsteile sowohl mit, als auch gegen den Ball aufopferungsvoll mitarbeiten – ohne Ballgewinn kein Ballbesitz. Deshalb ist die Leidenschaft, das kompakte Stehen und aggressive Zweikampfverhalten von großer Bedeutung. Die erfahrenen Albin Ekdal (31, Sampdoria) und Sebastian Larsson (36, AIK Solna) sorgen für viel Stabilität im Mittelfeld. Ihnen steht dann meist ein etwas kreativerer Spieler noch zur Seite. In der defensiven Viererkette stehen Spieler wie Victor Lindelöf (26, Manchester United), Marcus Danielson (32, Dalian Professional) oder Mikael Lustig (34, Solna) für immens viel Erfahrung und Körperlichkeit.
Schweden verbindet an guten Tagen Einsatz- mit Spielfreude. Sollte diese Mischung bei dieser EM perfekt gelingen, kann nicht nur das Weiterkommen in der Gruppe sondern vielleicht auch eine Überraschung in der K.O.-Phase vollbracht werden. Allein der Zweikampf mit Polen sollte ein spannendes Unterfangen in der EM-Gruppe E werden.
Slowakei: Solide Hausmannskost als Erfolgsrezept
Viel spannender als im Falle der Slowakei hätte die Qualifikation für die EM 2021 kaum verlaufen können. „Repre“ wurde ihrer Quali-Gruppe hinter Kroatien und einen Punkt hinter Wales Tabellendritter, weshalb es in die Playoffs ging. Im Oktober letzten Jahres setzten sich die Slowaken zunächst im Elfmeterschießen gegen Irland und darauffolgend nach Verlängerung gegen Nordirland durch. Das Tor von Michal Duris (33) in der 110. Minute ließ sich Slowakei für dieses Turnier qualifizieren.
Zwei Lehren können aus der so dramatischen Qualifikationsphase der Osteuropäer gezogen werden: Zum einen, dass die Slowaken niemals aufgeben und stets ihr Herz auf dem Feld lassen. Zum anderen, dass sie es bei dieser EM auch immens schwer haben werden, die Gruppenphase zu überstehen. Die Slowakei ist der Underdog der EM-Gruppe E. Daran wird auch nicht viel ändern, dass man sich in diesem Jahr bislang ordentlich präsentiert hat.
Im Rahmen der laufenden WM-Qualifikation hat die Slowakei immerhin mit 2:1 gegen Russland gewonnen, in dem letzten Testspiel gegen Österreich konnte ein 0:0 errungen werden. Die letzten Partien haben auch aufgezeigt: Von Nationaltrainer Stefan Tarkovic (48) wird kein experimenteller Offensivfußball, sondern solide Hausmannskost erwartet werden können.
Die individuellen Schwächen über das Kollektiv ausgleichen
Tarkovic, zuvor Co-Trainer und seit Oktober 2020 selbst Chefcoach, lässt seine Mannschaft meist in einem wohl bekannten 4-2-3-1 auflaufen. Die Marschroute ist dabei klar: Taktische Disziplin, Kompaktheit, die Offensive vor allem über die Außenbahnen auslösen. Von den Slowaken ist taktisch keine Überraschung zu erwarten. Das, was sie spielen, ist unspektakulär, aber sie spielen es immerhin mit voller Überzeugung.
Vor allem die Grundtugenden stimmen in der Mannschaft. Die Slowakei lebt vor allem vom Kampf, den Emotionen und dem enormen Aufwand, den sie betreibt. Ein Spiel gegen die Osteuropäer soll keinen Spaß machen, sondern entnerven, da man immer wieder gegen eine stabile und körperlich robuste Abwehr prallt und bereits im Mittelfeld mit großem Kampf empfangen wird. Die individuellen Qualitätsunterschiede sollen über das starke Kollektiv aufgefangen werden.
Das letzte große Turnier für Hamsik, Pekarik und co.?
Als großes Plus kann die Erfahrung und Eingespieltheit der Mannschaft herangezogen werden. Das Team spielt seit vielen Jahren genau in dieser Form schon zusammen. Im Tor steht mit Martin Dubravka (32, Newcastle) ein sehr starker Rückhalt, der zusammen mit Slowakei-Starspieler Milan Skriniar (26, Inter) und den beiden Routiniers Tomas Hubocan (35, Nikosia) und Peter Pekarik (34, Hertha) für eine immense Stabilität sorgen kann.
Gestärkt wird dieser Verbund durch die so erfahrenen Mittelfeldspieler: Marik Hamsik (33, Göteborg) und Jurai Kucka (34, Parma) sind seit jeher das Herz der slowakischen Mannschaft. Sie verbinden die Defensive mit der Offensive und führen das Team mit großem Aufwand an. Dem Offensivspiel fehlt meist die Inspiration, die meisten Chancen kommen durch Flanken, Distanzschüsse oder individuelle Geistesblitze zustande. Hierfür wird Ondrej Duda (26, Köln) als Spielmacher von großer Bedeutung sein – fällt ihm nichts ein, wird Slowakei nur selten ein Durchkommen gelingen, auch weil die Mittelstürmer im Kader sehr von Hereingaben abhängig sind.
Die slowakische Mannschaft wirkt – sowohl personell als auch taktisch – ein wenig aus der Zeit gefallen. Ein großer Erfahrungsschatz und Einsatzwille reichen heutzutage nur selten aus, um zu überraschen. Das Kreativitäts- und Tempodefizit wird den Slowaken wohl zum Verhängnis werden. So könnte es ein trostloses (und womöglich) letztes Turnier für Hamsik, Pekarik und co. werden.
Prognose
Trotz gewisser Fragezeichen für den weiteren Turnierverlauf wird Spanien die EM-Gruppe E als Tabellenerster abschließen. Für Platz zwei werden sich Polen und Schweden ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, welches Polen aufgrund der individuell besseren Achse knapp für sich entscheiden könnte. Die Slowakei wird sich ehrenwert präsentieren, allerdings kaum eine Chance gegen diese Gruppengegner haben.
Marc Schwitzky
Foto: IMAGO
Marc Schwitzky
Erst entfachte Marcelinho die Liebe zum Spiel, dann lieferte Jürgen Klopp die taktische Offenbarung nach. Freund des intensiven schnellen Spiels und der Talentförderung. Bundesliga-Experte und Wortspielakrobat. Seit 2020 im 90PLUS-Team.