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A La Liga | Real Madrid betreibt Tabellenkosmetik, Sevillas neue Realität

5. April 2023 | Spotlight | BY Michael Bojkov

Spotlight | Es ist viel los in La Liga. Neben einigen Trainerwechseln hat Real Madrid ein Ausrufezeichen gesetzt – aber ohne königlichen Lohn.

In „A La Liga“ thematisiert 90PLUS-Redakteur Michael Bojkov die Brennpunkte des spanischen Fußballs. Das Format erscheint im zweiwöchigen Rhythmus.

Real Madrid: Ein Statement-Sieg für die Goldene Ananas?

Es war eine Machtdemonstration, die Real Madrid am Sonntag rund 60.000 Zuschauern im heimischen Santiago Bernabeu bot. 60 Prozent Ballbesitz, 17 Schüsse auf das gegnerische Gehäuse, dazu ein Expected-Goals-Wert von 4,55 zu 0,82 – die Zahlen zum 6:0 über Real Valladolid spiegelten auch die Leistung der Königlichen wieder. Im Nachhinein stellt sich dennoch die Frage, welchen sportlichen Wert dieser Sieg hat. An der Tabellensituation jedenfalls konnte man herzlich wenig ändern, der Rückstand auf den FC Barcelona an der Spitze beträgt noch immer zwölf Punkte.

Zu inkonstant waren die Leistungen in La Liga zuletzt, zu zaghaft gerade die offensive Herangehensweise, exemplarisch bei der jüngsten Clasico-Niederlage (1:2), während Barça zwar auch nicht die Sterne vom Himmel spielte, aber seine Punkte beständig einfuhr. So ist der 6:0-Sieg gegen Valladolid aus Sicht der Blancos eher Tabellenkosmetik, wenn man so will. Bei zwölf Punkten Rückstand auf die Spitze und 14 Zählern Vorsprung auf Platz fünf ist es im Grunde einerlei, wie man den Saisonendspurt mit sich vereinbart.



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Ein wichtiger Faktor sollte dennoch nicht außen vor gelassen werden, für den ein sonntägliches Sechs-Tore-Spektakel in La Liga von Wert sein könnte: das königliche Ego. Das wird Real Madrid in den kommenden Wochen nämlich brauchen, denn da wären ja noch zwei weitere Hochzeiten, auf denen sie tanzen. Die erste findet schon heute Abend in der Copa del Rey statt, wo Real im Halbfinale eine 0:1-Hinspielniederlage gegen Barça drehen muss. Dass der letzte Copa-Sieg mittlerweile ganze neun Jahre zurückliegt und es überdies noch gegen den Erzrivalen geht, dem man im Mai bei der Pokalübergabe in La Liga wird zusehen müssen, dürfte Grund genug zur Motivation sein.

Sevilla und das Eingeständnis

Es ist nicht die Saison des FC Sevilla. Beileibe nicht. Elf Spieltage vor Schluss findet man sich auf Platz 13 wieder und mit vier Zählern Vorsprung auf Rang 18 noch immer mitten im Abstiegskampf. Gemessen an den Ansprüchen und der Qualität, die der Kader trotz der Abgänge von Jules Kounde und Diego Carlos noch immer hergibt, ist das eine Katastrophe.

Im Oktober reagierten Sportdirektor Monchi und die Oberen, entließen Erfolgstrainer Julen Lopetegui und installierten einen alten Bekannten: Jorge Sampaoli. Ein Fehlgriff, wie sich herausstellen sollte. Lediglich 1,2 Punkte pro Spiel holte der Argentinier in seinen 19 Partien in La Liga, bei einem Torverhältnis von 22:29. Der Cut vom sehr laufintensiven Lopetegui-Stil zum offensiven Hurra-Fußball von Sampaoli war zu hart und offensichtlich ungeeignet für den Abstiegskampf in La Liga. Das machte sich auch auf dem Platz bemerkbar, wo die Andalusier zwar viel Ballbesitz hatten, damit aber herzlich wenig anzustellen wussten.

Die Konsequenz der Verantwortlichen war es, einen Schritt zurückzugehen. Nach nichtmal einem halben Jahr musste Sampaoli wieder seine Koffer packen, Mendilibar übernahm das Ruder. Ein Name, der in La Liga zurecht bekannt ist, den aber wohl nur die wenigensten mit Sevilla in Verbindung gebracht hätte.

Aber es ist ein Eingeständnis der Bosse. Mendilibar hat bisher noch nie einen Klub in der sportlichen Rangordnung von Sevilla trainiert, weiß aber dafür genau, wie Abstiegskampf funktioniert. In Eibar hat er das zwischen 2015 und 2021 eindrucksvoll unter Beweis gestellt, mit einem kompromisslosen Pressing-Stil den Dorfverein aus dem Baskenland in La Liga gehalten. Ob er eine Mannschaft weiterentwickeln kann, die bis vor kurzem noch Dauergast in der Champions League war? Unwahrscheinlich.

Aber zumindest wird er den Andalusiern wichtige Elemente mitgeben können, die es für den Überlebenskampf in La Liga braucht – und um mehr als das geht es zunächst einmal auch nicht. Unter den Dächern des Ramon Sanchez Pizjuan hat man die neue Realität angenommen.

Weitere Trainerwechsel in La Liga

Apropos Trainerwechsel, da war Sevilla nicht allein. Mit Espanyol und Valladolid haben zwei weitere Abstiegskandidaten in La Liga reagiert und Köpfe rollen lassen. Gemessen an der Erwartungshaltung und den Vorschusslorbeeren dürfte man bei Espanyol von Diego Martinez besondern enttäuscht gewesen sein. Der 42-Jährige hat zwischen 2018 und 2021 herausragende Arbeit in Granada geleistet, die Andalusier von der Segunda Division bis in die Europa League geführt. In Spanien wurde Martinez mancherorts schon als der nächste große Trainer angepriesen.

Bei Barcas Stadtrivalen hat man sich daher nicht zu unrecht Hoffnungen gemacht. Auch der Kader von Espanyol zählt nicht zu den schlechtesten in La Liga, war aber offenbar keiner, mit dem Martinez zu arbeiten wusste. Nach 27 Spieltagen stehen lediglich 27 Punkte zu Buche, gleichbedeutend mit den drittmeisten Gegentreffern (44) und Tabellenplatz 18. Wie der Nachfolger heißt, ist aktuell noch offen.

Diego Martinez, ehemaliger Trainer von Espanyol (La Liga)

(Photo by Alex Caparros/Getty Images)

Auch in Valladolid hat man reagiert. Im Sommer 2021 hatte Pacheta die Pucelanos übernommen, sie zurück ins Oberhaus geführt und auch dort zumindest in Ansätzen überzeugt. Hielt man Real Madrid im Hinspiel trotz 0:2-Niederlage noch mit einem frechen, mutigen Ansatz weitestgehend in Schach, brachte die 0:6-Klatsche im Bernabeu das Fass offenbar zum Überlaufen. Es war nicht alles schlecht, Fakt ist dennoch, dass Valladolid nur drei seiner letzten 14 Spiele gewinnen konnte, lediglich einen Punkt über dem roten Strich steht. Wer das Ruder übernehmen wird, ist auch beim Klub von der brasilianischen Fußballlegende Ronaldo noch nicht klar.

Indes hat auch der FC Elche immer ein Wörtchen mitzureden, wenn es um Trainerentlassungen geht. Mit dem Argentinier Sebastian Beccacece, der zuletzt Defensa y Justicia trainierte, steht jetzt der insgesamt sechste Übungsleiter in dieser Saison an der Seitenlinie. Ob ausgerechnet er den Abstieg abwenden wird? Wohl kaum. Der Rückstand auf das rettende Ufer beträgt noch immer 14 Punkte und zum Auftakt gab es eine 0:4-Klatsche gegen den FC Barcelona.

(Photo by THOMAS COEX/AFP via Getty Images)

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 bei 90PLUS und vorwiegend in Spanien unterwegs.


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