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La Liga | Ein phänomenaler Höhenflug und Barcas Schuss ins eigene Knie – Tops & Flops 2023/24

27. Mai 2024 | Spotlight | BY Michael Bojkov

Die Saison 2023/24 steht in den Büchern. Gelegenheit für uns, ein paar Themen in La Liga noch einmal aufzuarbeiten. Mit dabei in den diesjährigen Tops und Flops: Gironas Wahnsinns-Saison und eine unerklärliche Rolle rückwärts in Barcelona.

La Liga 2023/24: Unsere Tops

Bellingham schlüpft in die Rolle des Torjägers

In Madrid war man sich sicher, dass die 103 Millionen Euro, die Real im vergangenen Sommer für die Dienste von Jude Bellingham nach Dortmund überwies, gut investiertes Geld seien. Dass der Engländer aber derart einschlagen würde, hätten sich wohl selbst die kühnsten Optimisten nicht erträumen können. Ganze fünf Treffer gelangen dem Neuzugang in den ersten vier Ligaspielen, am Ende der Saison waren es in 28 Einsätzen derer 19. Dabei war der 20-Jährige, der es selbstredend auch in unsere Elf der Saison in La Liga geschafft hat, nicht nur der torgefährlichste Blanco, sondern auch der Matchwinner schlechthin. So entschied er unter anderem beide Clasicos mit einem Tor in der Nachspielzeit.



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Die starke Trefferausbeute und dazu sechs Assists sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Mit seinem aus Dortmund und Birmingham bekannten Arbeistpensum spulte Bellingham extrem viele Kilometer ab und brachte als Zehner, teilweise sogar als Stürmer, nicht nur ordentlich Dynamik in die Angriffe der Ancelotti-Elf, sondern war stets auch einer der Pressinginitiatoren. Was ein Einstand in La Liga!

Gironas außergewöhnlicher Höhenflug

Noch phänomenaler als Bellinghams Toreschnitt war in La Liga eigentlich nur die Saison des FC Girona. Zwar war vielen klar, dass es für den Aufsteiger von 2022 nach Platz zehn in der Vorsaison noch höher gehen sollte. Dass die Mannschaft von Míchel mit Real Madrid im Meisterschaftskampf mithalten sollte und am Ende sogar fast vor dem FC Barcelona Vizemeister geworden wäre, hatten in der Form aber nur die Buchmacher mitsamt exorbitant hoher Wettquoten auf dem Zettel. Doch Míchel und seine Mannschaft gingen den in den vergangenen Jahren geebneten Weg mit riesigen Schritten weiter und verzauberten La Liga mit spektakulärem Offensivfußball. Selbst gegen die Topteams lautete die Devise, stets flach hinten rauszuspielen, ehe Kapitän und Topstar Aleix García, den es wohl nach Leverkusen zieht, seine Vorderleute bediente.

In der Offensive wirbelten insbesondere La-Liga-Toptorjäger Artem Dovbyk (24 Tore, acht Assists) und Linksaußen Sávio (acht Tore, zehn Assists), wobei es fast unfair gegenüber den Teamkollegen wäre, einzelne Spieler aus dieser herausragenden Truppe herauszupicken. Als besondere Erinnerungsstücke bleiben die beiden fulminanten 4:2-Siege gegen den „großen“ katalanischen Nachbarn Barca. In der kommenden Saison dürfen sich die Albirrojos auf der größten internationalen Fußballbühne in der Champions League unter Beweis stellen.

Architekt des Erfolges in Girona: Míchel

Architekt des Erfolges in Girona: Míchel. (Photo by Aitor Alcalde/Getty Images)

Alavés & Las Palmas: So verschieden und doch so gleich

Deportivo Alavés und die UD Las Palmas werden auch 2024/25 in La Liga spielen. Warum das eine Überschrift und zudem einen Platz in unserer Ehrenrunde wert ist? Weil den beiden Aufsteigern, die vor der Saison die niedrigsten Kaderwerte in La Liga hatten, nur die wenigsten ein Überleben in Spaniens Oberhaus zugetraut hatten. Dabei hätte die Art und Weise, wie sie den Klassenerhalt sicherten, unterschiedlicher kaum sein können. Während Las Palmas den für einen Aufsteiger unorthodoxen Weg mit Ballbesitzfußball wählte (durchschnittlich 59,8 Prozent, noch vor Real Madrid Platz zwei (!) in La Liga), ging Alavés die Mission Klassenerhalt deutlich konservativer und eher getreu dem Motto „beißen und kratzen“ an.

Das Bemerkenswerte: Trotz der komplett konträren Spielanlagen erzielten und kassierten die beiden Aufsteiger fast gleich viele Tore (Las Palmas 33:47, Alavés 36:46). Am Ende landete Alavés mit 46 Punkten sechs Zähler und sechs Plätze vor den Kanariern, wobei sich beide schon vorzeitig den Klassenerhalt gesichert hatten.

La Liga 2023/24: Unsere Flops

Das andalusische Tal der Tränen

Dass Las Palmas, Alavés und weitere Konkurrenten bereits Spieltage vor Schluss gerettet waren, lag auch an den Absteigern aus Andalusien: Cádiz, Almería und Granada mussten mehr oder minder chancenlos den Gang in die Segunda División antreten. Besonders die beiden letztgenannten Klubs enttäuschten auf ganzer Ebene. Während bei Almería insgesamt vier verschiedene Trainer an der Seitenlinie standen, die alle einte, dass der Punkterückstand auf das rettende Ufer stets von beachtlicher Natur war, brachten auch bei Granada zwei Trainerwechsel nicht den erhofften Umschwung.

Der Europa-League-Viertelfinalist von 2021 baute sogar zunehmend ab, wobei auch der Winterabgang von Schlüsselfigur Bryan Zaragoza (FC Bayern) eine tragende Rolle spielte. Am Ende standen bei Almería und Granada 75 respektive 79 Gegentore auf der Rechnung – wenig überraschend die meisten in La Liga. Unterdessen wurde dem FC Cádiz die seit Jahren zahnlose Offensive zum Verhängnis. Zwar sammelte der Aufsteiger von 2020 zwölf Punkte mehr als die beiden anderen Absteiger, am vorletzten Spieltag war der Abschied aus La Liga dennoch Gewissheit.

FC Sevilla verfällt zum Chaos-Klub

Dass es nicht die Saison der andalusischen Klubs war, lässt sich neben den Absteigern auch anhand des weiterhin vom Chaos geplagten FC Sevilla festmachen. Erstmals seit der Saison 2012/13 verpassen die Sevillistas das europäische Geschäft. Hatte in der vergangenen Spielzeit trotz schwacher Ligaplatzierung der Europa-League-Sieg zur Teilnahme an der Champions League ausgereicht, so schied man in dieser sang- und klanglos als Gruppenletzter aus. In La Liga lief es nicht bedeutend besser, schon gar nicht in der Hinrunde, als unter anderem zweimal der Trainer gewechselt wurde und die Blanquirrojos mit den Abstiegsrängen auf Tuchfühlung gingen.

Auch Rückkehrer Sergio Ramos kann n nicht zufrieden mit der Saison des FC Sevilla sein

Auch Rückkehrer Sergio Ramos kann mit der Saison des FC Sevilla nicht zufrieden sein. (Photo by JORGE GUERRERO/AFP via Getty Images)

Immerhin: Der kurz vor Weihnachten installierte Quique Sanchez Flores überlebte den Trainerstuhl bis Saisonende, bedeutend besser wurde es im Vergleich zu den Vorgängern aber nicht. Immerhin: Die bedrohte Zone konnte man wie in der Vorsaison rechtzeitig verlassen. Die jüngste Niederlagenserie von vier Spielen zeigt wiederum, dass von der erfolgreichen Sevilla-Elf, die Dauerabonnent in den Top vier war, nichts mehr übrig geblieben ist. Platz 14 lautete das Resultat einer abermals enttäuschenden Saison in La Liga.

FC Barcelona und das unrühmliche Xavi-Aus

Chaos gab es nicht nur in Sevilla, auch der FC Barcelona sorgte für Negativschlagzeilen – wieder einmal. Infolge einer zugegebenermaßen schwachen Hinrunde kündigte Trainer Xavi im Januar seinen Rücktritt zum Saisonende an. Nach einer sportlichen Trendwende folgte selbige auch neben dem Platz: Ende April wurde bekannt, dass Klubpräsident Joan Laporta Xavi davon überzeugt hatte, über die Saison hinaus Trainer der Katalanen zu bleiben. So weit, so gut. Was dann in der vergangenen Woche passierte, ist einigermaßen unerklärlich. Der Klub machte eine Rolle rückwärts und entschied sich genau einen Monat nach Xavis Verlängerung, die Vereinslegende nun doch zum Saisonende zu entlassen.

Was Laporta zu der rätselhaften Entscheidung trieb, ist nach wie vor unklar. Zumal die Katalanen fünf ihrer letzten sechs Saisonspiele gewinnen konnten. „Ich war mir immer darüber im Klaren, dass ich möchte, dass Xavi weitermacht. Stabilität ist sehr wichtig“, hatte der Klubpräseident bei der Verlängerung Ende April noch gesagt. Keine fünf Wochen später ist ein langfristiges Konzept, das insbesondere in der Förderung junger Spieler frühe Früchte trug, komplett über Bord geworfen. Und Barca steht kurz vor der Verpflichtung von Hansi Flick und einer Spielidee, die von Johan Cruyffs berühmtem und bei Barca eigentlich heilig gepredigtem Voetbal Totaal nicht weiter entfernt sein könnte.

Michael Bojkov

(Photo by LLUIS GENE/AFP via Getty Images)

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 bei 90PLUS und vorwiegend in Spanien unterwegs.


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