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Real Madrid | Luka Modric: Nur noch Teilzeitkraft

28. Oktober 2023 | Spotlight | BY Yannick Lassmann

Am Samstag blickt die Fußballwelt nach Spanien, denn Real Madrid trifft auf den FC Barcelona. Vor seinem 32. Clásico steht Luka Modric, allerdings unter veränderten Vorzeichen. In der Startelf wird er nämlich wahrscheinlich nicht zu finden sein.

Luka Modric: Zum Ende in der Zuschauerrolle

Der Mittwoch fühlte sich für Luka Modric wie ein Relikt der vergangenen Jahre an. Im Champions-League-Auswärtsspiel bei Sporting Braga kam er über 90 Minuten zum Einsatz und trug mit einer ansprechenden Leistung zum 2:1-Erfolg bei. Tatsächlich war es das erste Saisonspiel, in dem er die gesamte Spielzeit absolvierte. Ein Zustand, der zeigt: Die Zeiten haben sich geändert bei Real Madrid. Der Kroate, der einst als Kriegsflüchtling mit Fußball anfing, gehörte in seiner gesamten Laufbahn stets zum Stammpersonal. So benötigte er auch nach seinem Wechsel im Jahr 2012 von den Tottenham Hotspur zu den Königlichen keiner Anlaufzeit und startete direkt durch.



Die 35 Millionen Euro Ablöse erweisen sich für die Madrilenen im Nachhinein als Superschnäppchen, denn sie bekamen einen Mittelfeldspieler, der das Spiel des Klubs über ein Jahrzehnt prägte. Modrics Titelsammlung spricht für sich: Fünf Champions-League-Siege, drei Meisterschaften, zwei nationale Pokalsiege, vier Supercopas, vier UEFA-Supercups sowie fünf FIFA-Klub-Weltmeisterschaften stehen zu Buche.

Doch es sind nicht allein die Zahlen, die den Kroaten in Madrid unvergessen bleiben lassen. Gemeinsam mit Casemiro (31, heute bei Manchester United) und dem immer noch für Real auflaufenden Toni Kroos (33) stellte er das herausragende zentrale Mittelfeld Europas, das ganz entscheidend zu den drei Champions-League-Triumphen in Folge zwischen 2016 und 2018 beitrug. Die beeindruckende Entwicklung in Reihen von Real Madrid hatte ebenso große Auswirkungen auf die kroatische Nationalmannschaft. Diese erreichte 2018 das WM-Finale, woraufhin der öffentlich immer blass wirkende Modric zum Weltfußballer gekürt wurde.

(Photo by GABRIEL BOUYS / AFP) (Photo credit should read GABRIEL BOUYS/AFP via Getty Images)

Auch im Alter von 38 Jahren gibt er weiterhin den Ton bei den Kroaten an, absolvierte jüngst bei der 0:1-Niederlage in Wales sein 170. Länderspiel. Womöglich wäre es dazu gar nicht mehr gekommen, denn die Vatreni stand im Sommer kurz vor dem ersten Titel der Verbandsgeschichte. Das Finale der in Deutschland zwar oftmals belächelten aber in vielen anderen Ländern durchaus intensiv verfolgten Nations League ging erst im Elfmeterschießen gegen Spanien verloren. Es wäre wohl das Sahnehäubchen auf eine ohnehin schon nahezu perfekte Karriere gewesen.

Acht Tage nach dieser bitteren Niederlage verkündete Real Madrid die Verlängerung des Vertrags bis zum 30.06.2024. Zuvor hatte der in der abgelaufenen Spielzeit noch als Stammkraft fungierende Modric – anders als viele seiner prominenten Kollegen – hochdotierte Angebote aus Saudi-Arabien ausgeschlagen. „Ich muss mein Ego auch nicht mit diesen Geschichten über große Angebote stärken. Ich möchte einfach jeden Moment im Fußball und bei Real genießen und setze mir selbst keine Grenzen“, ließ er angesprochen auf seine Entscheidung verlauten.

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Generationswechsel bei Real Madrid: Modric muss weichen

In der laufenden Saison stieß Modric bislang allerdings an seine Grenzen. Trainer Carlo Ancelotti (64) entschied sich mit Blick auf den Abgang von Karim Benzema (35/Al-Ittihad) sowie der massigen Auswahl an Mittelfeldspielern für einen Wechsel weg vom Erfolgssystem 4-3-3 hin zum in einer Raute ausgeführten 4-4-2, in dem Überflieger Jude Bellingham (20) auf der Zehn gesetzt ist, der über Jahre herangeführte und mittlerweile etablierte Federico Valverde (25) auf der halbrechten Position unumstritten ist und Aurélien Tchouaméni (23) oder Eduardo Camavinga (20) in die Casemiro-Rolle als Abräumer schlüpfen. Bedeutet: Modric, an dessen feiner Technik sich jeder neutrale Fußballfans nur erfreuen kann, betreibt Jobsharing mit Kroos, wobei der Deutsche im bisherigen Saisonverlauf deutlich die Nase vorne hatte.

Dass die Situation für den es in La Liga nur auf 308 Einsatzminuten bringenden Mittelfeldstrategen ungewöhnlich ist, machte sich bereits im September bemerkbar, als er sich doch recht deutlich zu seiner Situation äußerte: „Niemand ist glücklich, wenn er nicht mehr spielt. Für mich war schließlich dieses Gefühl in meiner Karriere, in der ich nicht sicher bin, ob ich jemals drei Spiele hintereinander auf der Bank gesessen habe, besonders seltsam.“ Seitdem schaffte Modric viermal den Sprung in die Startelf, was ihn allerdings nur bedingt zufriedenstellt. „Ich will spielen. Wenn nötig, alle drei Tage, denn körperlich fühle ich mich gut. Es wäre eine andere Geschichte, wenn ich mich nicht gut fühlen würde, aber ich fühle mich körperlich und geistig gut und will spielen“, legt er erst jüngst, wieder im Rahmen einer Länderspielpause, nach.

(Photo by JAVIER SORIANO/AFP via Getty Images)

Ancelotti, zumeist die Ruhe in Person, zeigte sich von derlei Aussagen unbeeindruckt und erklärte lediglich: „Er wird diese Saison spielen und seinen Beitrag leisten.“ Die offensichtliche Uneinigkeit bei den Einsatzzeiten könnte sogar zur Trennung im Winter führen. Modric wurde zuletzt vermehrt mit Inter Miami in Verbindung gebracht. Dort läuft ein gewisser Lionel Messi (36) weiter zur Hochform auf, ohne aufgrund des sinkenden Niveaus in den Ligaspielen in der Nationalmannschaft nachzulassen. Ein Beispiel, das Modric gefallen könnte, denn er will mit Kroatien bei der EM 2024 in Deutschland einen letzten Anlauf in Richtung Titel starten.

Die inzwischen fast elfeinhalb Jahre andauernde Ära würde dann ein unpassendes Ende finden. Vorstand José Angel Sánchez (56) wiegelte einen Winterwechsel noch am Montag ab: „Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt nicht den Plan, dass er die Mannschaft verlässt.“ Doch letztlich würde Real Madrid einem solch verdienten Spieler im erhöhten Fußballalter wohl kaum einen Stein in den Weg legen, falls dieser sich die Freigabe wünscht. Dies würde bedeuten, dass Luka Modric am Samstag letztmals in einem Clásico sein Können unter Beweis stellt – wenn auch nur als Teilzeitkraft.

(Photo by Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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