Warum Toni Kroos bei Real Madrid unbedingt noch ein Jahr dranhängen muss

Wenige Monate vor dem Ende seines Vertrages bei Real Madrid ist noch immer nicht klar, wie es für ihn weitergeht. Eine erneute Verlängerung ist denkbar, genau wie ein Karriereende. 90PLUS-Redakteur Michael Bojkov spricht sich für ein weiteres Jahr Toni Kroos aus. Eine kommentierende Analyse.

Toni Kroos: Seine Leistungen sind herausragend

Wann ist eigentlich der optimale Zeitpunkt, um seine Karriere zu beenden? Auf diese Frage lässt sich keine einfache Antwort finden. Manchen Fußballerlegenden wird nachgesagt, ihr Karriereende sei zu spät gekommen, der Spieler schon über seinem Zenit gewesen. Im Fall von Toni Kroos wäre das Gegenteil der Fall: Ein Karriereende im Sommer wäre schade, weil es zu früh käme. Warum? Dafür genügt schon ein Blick auf seine Statistiken, die auch im Alter von 34 Jahren noch immer beeindruckend sind. Um nur die prägnantesten Daten zu nennen: Mit sieben Assists nach 23 Spielen ist der ehemalige Nationalspieler in der laufenden Spielzeit der beste Vorlagengeber in La Liga. Ebenfalls Nummer eins in Spanien sind die 11,3 raumgewinnenden Pässe, die der 34-Jährige im Schnitt pro Partie spielt. Kein Teamkollege kommt auch nur annähernd auf diese Werte.

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Dazu bringt es der Mittelfeldstar auf 2,34 schusserzeugende Aktionen pro Spiel. Damit ist Kroos essentiell für die Chancenerarbeitung und auch die Torproduktion seiner Mannschaft. Doch die Nummer 8 ist viel mehr als das. Kroos ist der Dirigent von Real Madrid, bestimmt mit seiner Passsicherheit und Übersicht Spielstruktur und -tempo. Dass er mit einer Passgenauigkeit von 94 Prozent ebenfalls zu den Besten Europas zählt, ist schon gar nicht mehr erwähnenswert, weil hinlänglich bekannt. 

Der Vorteil, den technisch hochveranlagte Spieler wie Kroos im zunehmenden Fußballeralter haben: Sie verschleißen in der Regel deutlich langsamer als Profis, die über ihre Athletik kommen. So ist Kroos zuzutrauen, das jetzige Level auch noch zwei, drei Jahre oder länger zu halten. Für den Moment jedenfalls könnte Real Madrid den gebürtigen Greifswalder kaum adäquat ersetzen, und das weiß auch sein Trainer Carlo Ancelotti. 

In der Kabine als Vaterfigur gefragt

Auch in der Kabine nimmt Kroos eine immer wichtigere Rolle ein. Mit seiner Erfahrung ist er nicht nur ein Vorbild für die vielen jungen Spieler bei den Madrilenen, sondern dient ihnen auch als Mentor. In den vergangenen Jahren ist den Königlichen mit den Abgängen von unter anderem Sergio Ramos, Marcelo und Karim Benzema eine wichtige Achse weggebrochen, die sportlich zwar ersetzt werden konnte, in der Kabine jedoch ein gewisses Vakuum hinterlassen hat. Mit Luka Modric könnte im Sommer eine weitere Legende Real Madrid verlassen. Umso stärker sind die Soft Skills der verbliebenen Veteranen gefragt – und da gibt es neben Kroos nicht mehr viele.

Toni Kroos kann jüngere Spieler wie Rodrygo an die Hand nehmen. (Photo by Angel Martinez/Getty Images)

Real Madrid hat sich nämlich zu einer extrem jungen Mannschaft entwickelt. Aber auch zu einer Mannschaft, die vielversprechender kaum sein könnte. Durch starke Arbeit im Scouting und auf dem Transfermarkt haben die Madrilenen einen Generationenwechsel eingeleitet, dabei jedoch kaum an Qualität einbüßen müssen. Mit Neuzugängen wie Aurélien Tchouaméni, Eduardo Camavinga, Jude Bellingham oder dem brasilianischen Trio aus Vinícius, Rodrygo und Éder Militão wurden in den vergangenen Jahren hochwertige Talente verpflichtet, die sich teils binnen kürzester Zeit zu Schlüsselspielern im Bernabéu entwickelt haben und in den nächsten Jahren – das ist sicher – um sämtliche Titel mitspielen werden.

Und Kroos hat die Möglichkeit, Teil dessen zu sein und im Herbst seiner Karriere das Herzstück einer talentierten, erfolgshungrigen Mannschaft zu bilden. Welch Privileg muss es sein, in diesem Fußballeralter mit einem der größten Klubs der Welt um die wichtigsten Titel mitspielen zu dürfen? Und das nicht als Kaderleiche, sondern als Schlüsselspieler, der die jungen Teamkollegen mit seiner Erfahrung zusätzlich besser macht. Ein Karriereende im Sommer käme zu früh. Dafür kann es Kroos schlichtweg noch viel zu gut. Auch seine Mutter Birgit wünscht sich eine neuerliche Vertragsverlängerung, wie Kroos jüngst im familieninternen Podcast Einfach mal Luppen mit Bruder Felix verraten hat. Hoffentlich setzt sich im Hause Kroos die altbekannte Weisheit durchsetzt, dass man auf seine Mutter hören sollte.

(Photo by Florencia Tan Jun/Getty Images)