Nur selten erregte die Vergabe des Ballon d’Or so viel Aufmerksamkeit wie in diesem Jahr. Überschattet wurde die Zeremonie dabei vom Fernbleiben Real Madrids und des vermeintlichen Siegers Vinicius Junior. Ein Kommentar.
Vinicius und Real: Im Stile trotziger Kleinkinder
Real Madrid ist ohne Frage das Who’s Who des Weltfußballs. Aus dieser Tatsache machen sie auch in der spanischen Hauptstadt keinen Hehl. „Ich werde beim größten Verein der Welt bleiben“, verkündete Vinicius Junior im Rahmen seiner Vertragsverlängerung 2022. Auch Florentino Perez betont in aller Regelmäßigkeit, dass auf dem ganzen Planeten doch nichts über seine heiß geliebten Königlichen ginge.
Und bei einem Blick auf die nackten Fakten will man da auch gar nicht widersprechen. Real gewann satte 15 Champions-League-Titel, holte den Henkelpott alleine in den vergangenen neun Jahren fünfmal und wurde vom Wirtschaftsmagazin Forbes mehrfach in Folge als wertvollster Klub der Welt ausgezeichnet. Die harten Faktoren, um sich als das internationale Nonplusultra zu bezeichnen, haben die Madrilenen also in jedem Fall auf ihrer Seite.
Aber was ist mit den weichen Faktoren? Jene, die man nur schwer in Pokalen oder Geldeinheiten messen kann. Faktoren wie Fairplay, Respekt und die Fähigkeit auch mal eine Niederlage einzustecken. Ist Real Madrid auch auf dieser Ebene ein Verein von Weltformat?
Eine Peinlichkeit sondergleichen
Nun ja, bei einem Blick auf die gestrige Verleihung des Ballon d’Or fällt das Finden einer Antwort nicht gerade schwer. Als im Verlaufe des Tages über die gängigen Medienportale durchsickerte, dass wider Erwarten doch nicht Vinicius, sondern ein anderer Akteur den begehrten Titel als bester Fußballer der Welt erhalten würde, ging dies mit folgender Nachricht einher: Weder der Brasilianer, noch seine ebenfalls nominierten Teamkollegen, noch die Klubführung würden bei der Gala in Paris vor Ort sein.
(Photo by Denis Doyle/Getty Images)
Und so kam es dann auch. Als Carlo Ancelotti, das Oberhaupt der königlichen Fußball-Garde, als bester Trainer der Welt ausgezeichnet wurde, musste ein einfacher Videoclip herhalten. Eine Grußbotschaft wie bei seiner ebenfalls geehrten Trainerkollegin Emma Hayes? Fehlanzeige! Auch der viertplatzierte Dani Carvajal, der drittplatzierte Jude Bellingham und der enttäuschte Vinicius auf Rang zwei blieben der Preisverleihung fern und so nahm Europameister Rodri in Abwesenheit sämtlicher Champions-League-Sieger den Titel als bester Fußballer der Welt entgegen.
Als wäre dieser bloße Auftritt nicht schon peinlich genug, legten Klub und Spieler im Anschluss weiter nach. „Ich mache es zehnmal, falls nötig. Sie sind nicht vorbereitet“, ließ Vinicius wie ein trotziges Kleinkind über seinen X-Account verlauten. Auch sein Arbeitgeber reagierte nur geringfügig professioneller. „Es ist klar, dass beim Ballon d’Or Real Madrid nicht respektiert wird“, erklärte der Verein in einer Presseerklärung wehleidig. „Und Real Madrid wird nirgendwo hingehen, wo es nicht respektiert wird.“
Rodri zeigt sich als würdiger Gewinner
Das sportlich extrem knappe Duell zwischen Rodri und Vinicius entschied der Spanier auf der nicht-sportlichen Ebene also mit großem Abstand für sich und untermauerte damit spätestens gestern, dass er der hochverdiente Gewinner des Ballon d’Or ist. Denn während sich der Real-Star in eine Opferrolle begab und seinem Widersacher nicht einmal gratulieren konnte, nahm Rodri die historische Unsportlichkeit der Madrilenen höchstprofessionell zur Kenntnis. „Sie haben ihre Entscheidung getroffen, sie wollten daher nicht hier sein. Ich konzentriere mich nur auf meinen Klub und meine Teamkollegen“, erklärte der 28-Jährige im Nachgang der Gala und unterstrich damit ein weiteres Mal die Eigenschaften, die ihn – neben seiner herausragenden Leistungen auf dem Feld – letztlich zum verdienten Weltfußballer machten.
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Denn das Magazin France Football weist neben Titeln und individuellen Performances auch den Sportgeist als klares Kriterium für den Gewinn der begehrten Trophäe aus. Und in diesem Bereich hat der Teamplayer Rodri seinem brasilianischen Rivalen mehr voraus als der FC Barcelona der Ancelotti-Elf am vergangenen Wochenende.
Die selbsternannten Königlichen haben sich hingegen bis auf die Knochen blamiert und dem Fußball darüber hinaus einen Bärendienst erwiesen. Wenn Real Madrid als größter Klub der Welt der bedeutendste Repräsentant des schönen Spiels schein soll, dann ist es um unser aller Lieblingssport schlechter bestellt als um die Manieren von Vinicius. Den besten Spieler haben die Madrilenen zwar nicht in ihren Reihen, doch der Preis für den schlechtesten Gewinner des Jahres 2024 ist ihnen schon jetzt nicht mehr zu nehmen.
(Photo by Denis Doyle/Getty Images)