Galtier, Messi, Personal, Enttäuschungen & Ungewissheit: Das PSG-Chaos in der Zusammenfassung
6. Mai 2023 | Spotlight | BY Manuel Behlert
Paris Saint-Germain könnte in dieser Saison den Meistertitel in der Ligue 1 einfahren. Das wäre nach dieser Saison allerdings nicht viel mehr als ein Trostpflaster. Denn bei PSG rumort es seit Wochen und Monaten. Einer chaotischen Episode folgt die nächste.
Dabei waren sich im Sommer viele Experten einig, dass PSG essenzielle Probleme behoben hat. Spieler wie Vitinha (22), Fabian Ruiz (26) oder Carlos Soler (25) verstärkten das Mittelfeld, Hugo Ekitike (20) sollte den offensiven Konkurrenzkampf verstärken und Nordi Mukiele (24) war eine kluge Ergänzung für die Defensive, weil er flexibel einsetzbar ist. Zudem kam Christophe Galtier (54), der Ex-Lille-Meistertrainer, der für seine taktischen Kniffe und gute Mannschaftsführung bekannt war. Kurz vor dem Ende der Saison lässt sich eher ein ernüchterndes Fazit ziehen. PSG versank zwischenzeitlich sogar im Chaos.
PSG: Ordentlicher Start, aber…
In der Ligue 1 zeigte sich früh, dass sich PSG in dieser Saison viel vorgenommen hat. Die ersten drei Spiele wurden allesamt gewonnen, dabei erzielte der selbsternannte Branchenprimus 17 Tore. Nach neun Spieltagen hatte das Team aus der Hauptstadt schon 25 Punkte auf dem Konto, die „großen 3“ in der Offensive, namentlich Lionel Messi (35), Neymar (31) und Kylian Mbappe (24) wirbelten die gegnerischen Defensivreihen durcheinander. Bis zur WM-Pause gab es zwei Remis, ansonsten wurden alle anderen 13 Partien gewonnen.
Friede, Freude, Eierkuchen herrschte zu dieser Zeit aber nicht immer, denn es gab ja auch noch die UEFA Champions League. In der Gruppenphase setzte sich PSG durch, allerdings als Gruppenzweiter hinter Benfica. Das Team von Roger Schmidt (56) erarbeitete sich gleich zweimal einen Punkt gegen PSG. Noch dazu spielten die Franzosen in keinem der sechs Gruppenspiele zu null, nicht einmal gegen Maccabi Haifa. Galtier, der mit Lille den Titel seinerzeit vor allem aufgrund einer guten Kompaktheit gewann, musste noch an einigen Stellschrauben drehen. Die Meinung, die vorherrschte: Die Zeit spricht für ihn, nicht alles lässt sich nun einmal in vier Monaten entwickeln.
Nach der WM-Pause nimmt das Drama seinen Lauf
Zugegeben, viele große Klubs in Europa hatten nach der Weltmeisterschaft in Katar Probleme, in ihren Rhythmus zu kommen. Bei kaum einem Team waren die Begleiterscheinung aber derart hochtonig wie beim Tabellenführer der Ligue 1. Gleich das zweite Spiel nach der WM-Pause wurde auswärts beim RC Lens verloren, es folgte wiederum nur zwei Spieltage später eine Niederlage in Rennes, danach ein 1:1 zuhause gegen Reims. Die Mannschaft tat sich schwer, Kritik an Spielern wie Sergio Ramos (37) wurde laut, dessen Zukunft in Frage gestellt. Gleichermaßen fehlte es in der Offensive an der Breite, wodurch wieder die Verantwortlichen für die Kaderplanung kritisiert wurden.
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Das war der Auftakt unruhiger Wochen bei PSG. Anfang Februar musste sich die Galtier-Elf vom ersten Titel verabschieden, nachdem im Coupe de France auswärts bei Marseille verloren wurde. Wenige Wochen später folgte das Aus in der Champions League, was das Fass endgültig zum Überlaufen brachte. Über alles wurde diskutiert, über die Spieler, die Spielweise, den fehlenden Willen in den entscheidenden Phasen, die individuellen Fehler, defensive Aussetzer und das Divenverhalten der Topstars.
Spätestens jetzt wurde auch darüber diskutiert, ob Superstar Messi, der nach seinem WM-Triumph eher kühl empfangen wurde, über den Sommer hinaus noch bei PSG spielen würde. Ein grundsätzliches Interesse zur Vertragsverlängerung bestand definitiv auch bei beiden Parteien, aber noch sollten die Gespräche nicht in ein intensives Stadium übergehen. Auch sportlich lief es nicht rund, selbst der Meistertitel geriet zwischenzeitlich mal mehr, mal weniger in Gefahr.
Galtier-Skandal, Messi-Beleidigungen und mehr: PSG versinkt im Chaos
Auch das waren nur die Vorboten. Unruhe gab es immer mal wieder bei PSG, gerade rund um die sportliche Führung. Dass ein Trainer in die Kritik gerät und die Mannschaft als untrainierbar und wenig homogen zusammengestellt gilt, kam häufiger zur Sprache. Doch 2023 nahmen die Diskussionen ein anderes Ausmaß an. Als Galtier im Zentrum der Kritik stand und die Medien unisono berichteten, dass es mit ihm nicht in die Saison 2023/24 gehen wird, kam ein mutmaßlicher Rassismus-Skandal um den Coach an das Tageslicht. Der Coach wurde beschuldigt, rassistische Äußerungen getätigt zu haben, auch schon während früherer Stationen. Die Folge: Polizeischutz für den Trainer und eine Verteidigungsstrategie über die Anwälte, die zahlreiche Klagen einreichten.
Dieses Thema beschäftigte die Medien in Frankreich lange. Galtier wies die Anschuldigungen von sich, auch einige Ex-Spieler nahmen den Trainer in Schutz und dennoch herrschte große Aufregung. Währenddessen ging Stürmer Mbappé den eigenen Klub im Streit um Einnahmen aus den Bildrechten an, das Pendel bei Messi schlug immer mehr in Richtung Abschied aus. Sportlich folgten zwei Heimniederlagen gegen Rennes (0:2) und Lyon (0:1), zuletzt gab es sogar eine dritte gegen Lorient (1:3), wodurch fünf Spieltage vor dem Ende nur noch fünf Punkte zwischen PSG und dem ersten Verfolger liegen.
Die Unruhe im Klub wälzte sich auf die Mannschaft ab, die zudem auch noch mit Verletzungssorgen zu kämpfen hatte. Einige Spieler schafften es zudem nicht, ihre Topform zu erreichen, spielten mitunter auch viel zu egoistisch. Mit diesem Stoff könnten andere Klubs eine Handvoll Jahre füllen, bei Paris Saint-Germain kam zuletzt aber noch ein Kapitel hinzu. Im Mittelpunkt stand diesmal zunächst wieder Messi, der aufgrund eines unautorisierten Besuches in Saudi-Arabien in die Kritik geriet. Der Argentinier wurde daraufhin von PSG für zwei Wochen suspendiert.
Damit noch nicht genug: Die Anhänger des Klubs setzten sich in Bewegung und machten ihrer schlechten Laune Luft. Vor dem Klubgelände versammelten sich zahlreiche Fans, hatten Banner dabei, auf denen die Absetzung der Verantwortlichen gefordert wurde. Messi selbst wurde beleidigt, auch Neymar solle den Verein im Sommer verlassen, skandierten die zahlreichen Personen, die auch das Haus des Brasilianers belagerten, woraufhin dieser in den sozialen Medien in Erscheinung trat. Wenn selbst die Fans die Nase voll haben von den großen Stars und den Verantwortlichen, dann ist es höchste Zeit, etwas zu ändern. Im Anschluss an diese Vorfälle scheint nun klar zu sein, dass Messi, der sich selbst in einem Video entschuldigte, den Verein im Sommer verlassen wird. Vielleicht folgen ihm der Trainer, Neymar und weitere Spieler und Verantwortliche, wer weiß das schon. Eines scheint sicher: Es muss vieles passieren, damit es in der nächsten Saison sehr ruhig in Paris wird.
(Photo by FRANCK FIFE/AFP via Getty Images)
Manuel Behlert
Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.