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PSG unter Luis Enrique: Die Restzweifel bleiben

21. November 2023 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Seit dem Sommer 2023 ist Luis Enrique der neue Trainer bei Paris Saint-Germain. Der Spanier hat die große Aufgabe, endlich das langersehnte Ziel zu erreichen, nämlich mit PSG die UEFA Champions League zu gewinnen. Dafür musste sich im Sommer einiges ändern. 

Als Luis Enrique (53) sein Amt antrat, wusste er das bereits. Der Kader musste verjüngt und flexibler gestaltet werden. Auch vor größeren Namen wurde kein Halt gemacht, Neymar (31) beispielsweise zog es nach Saudi-Arabien. Lionel Messi (35) in die USA. Individuelle Klasse ging verloren, eine neue Hierarchie konnte sich entwickeln. Nach mehreren Monaten unter dem neuen Coach lohnt sich nun ein erstes Zwischenfazit.



Luis Enrique übernimmt PSG: Revolution light

In den letzten Jahren war PSG geprägt von einer fehlenden Konstanz auf der Trainerbank und immer wiederkehrenden Problemen zwischen den Verantwortlichen im zwischenmenschlichen Bereich. Auch die Tatsache, dass die drei Offensivsuperstars permanent im Mittelpunkt standen, trug nicht immer zu seiner positiven Grundstimmung bei. Lediglich Kylian Mbappé (24) blieb nach der Sommertransferperiode übrig. Und in dieser leisteten die Verantwortlichen gute und vor allem sehr viel Arbeit. 

Verkäufe von Spielern wie Marco Verratti (30), Georginio Wijnaldum (32), Julian Draxler (29) oder Mauro Icardi (30) sorgten für Einnahmen und freie Kaderplätze, die wiederum mit einer Mischung aus erfahrenen und jungen Spielern gefüllt wurden. Goncalo Ramos (22), Kang-in Lee (22) oder Bradley Barcola (20) sollten den Konkurrenzkampf vorantreiben, Milan Skriniar (28), Ousmane Dembele (26) oder Lucas Hernandez (27) sukzessive in Führungsrollen wachsen. 

Im Kader veränderte sich vieles, es war eine Art „Revolution light“. Enrique bekam genau die Spieler, die er für sein Spiel brauchte. Manuel Ugarte (24) dient als hervorragendes Beispiel. Der Sechser verkörpert eine Mischung aus spielerischer Qualität und Zweikampfstärke, perfekt für diese Position im Enrique-System. Doch die Veränderung des Kaders ist nur ein Faktor von vielen, die Basis wird hiermit geschaffen, nicht mehr.

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Die „neue“ Spielidee von PSG

16 Pflichtspiele hat PSG unter Luis Enrique bis dato absolviert. In Sachen Formation und Ausrichtung lassen sich gleich mehrere Dinge beobachten. Einerseits legt sich der Trainer nicht fest, bleibt flexibel. Die Mannschaft kann im 4-3-3-System auflaufen, ebenso wie in einem 4-4-2-System. Das hängt vor allem von der Verfügbarkeit der eigenen Akteure ab. Andererseits bleiben einige Grundprinzipien gleich. Das bedeutet, dass viele Pässe gespielt werden sollen, um die Kontrolle auf dem Feld auszuüben und den Gegner laufen zu lassen.

PSG Luis Enrique

(Photo by Alex Pantling/Getty Images)

In vielen Fällen funktioniert das auch. Gleich siebenmal spielte PSG in dieser Saison und ließ einen xGa(expected Goals against)-Wert von weniger als einem Gegentor pro Partie zu. Das Leitbild lässt sich dabei sehr gut erkennen. Die Defensive soll strukturiert agieren, im Ballbesitz nicht zu schnell Risiko eingegangen werden. Spieler wie Mbappé, Dembélé und Co. können auch eine tiefstehende Abwehr vor Probleme stellen und ihre individuelle Klasse ausspielen. Dafür ist kein Harakiri-Fußball mit vielen Tempowechseln notwendig. 

Einige dieser Grundprinzipien waren auch für den Vorgänger von Luis Enrique, Christophe Galtier (57), sehr bedeutungsvoll. Er schaffte es aber nicht, dass die einzelnen Zahnräder ineinandergriffen. Die letzten Wochen vor der Länderspielphase, in denen PSG fünf Ligasiege in Folge einfahren konnte, zeigten erste deutliche Verbesserungen. Nicht nur die Spielweise hatte zunehmend einen Wiedererkennungswert, der Branchenprimus aus der Ligue 1 lernte, in den wichtigen Momenten die Entscheidung herbeizuführen und sich defensiv des Drucks der Gegner zu erwehren.

Luis Enrique muss die Inkonstanz seiner Mannschaft abstellen

Nun kann behauptet werden, dass ein Team mit der individuellen Klasse von PSG das in einer Liga wie dieser ohnehin können muss, doch so einfach ist das nicht. In der Ligue 1 gibt es eine Reihe sehr guter Mannschaften, die phasenweise auch schon aufgedeckt haben, wie PSG zu knacken ist. Fairerweise weitgehend zu Saisonbeginn, denn dort gab es nur zwei Siege in fünf Ligaspielen für den amtierenden Meister. Die Remis gegen Lorient und Toulouse zu Saisonbeginn, heraufbeschworen durch Teams, die sehr diszipliniert agierten, sorgten in Verbindung mit dem 2:3 gegen Nizza zuhause am 5. Spieltag für einen mehr als durchwachsenen Start. 

Positiv anzumerken ist, dass Luis Enrique die Geduld behielt und den eingeschlagenen Weg weiterging. Ab dem 6. Spieltag gab es nur noch einen Patzer, ein 0:0 bei Clermont. Sieben Ligaspiele in Folge verlor PSG nun nicht, in dieser Phase setzte es aber auch die Auswärtsniederlagen bei Newcastle (1:4) und Milan (1:2). Und diese waren bitter, denn aktuell steht das Weiterkommen in der Champions League noch auf der Kippe. Wird die K.O.-Runde verpasst, herrscht Alarmstufe rot. 

Luis Enrique

(Photo by GABRIEL BOUYS/AFP via Getty Images)

Nach wenigen Monaten im Amt hat Luis Enrique bei PSG schon einige Ideen umsetzen können. Die Schwankungen im Leistungsvermögen bleiben, aber die Grundstabilität hat sich verbessert. Heißt: PSG fällt noch in Phasen der Inkonstanz, aber spult dabei ein höheres Niveau ab, als es in den letzten Jahren in ähnlichen Situationen der Fall war. Soll aber die Meisterschaft, der Pokal und idealerweise auch noch die Königsklasse gewonnen werden, müssen diese Phasen seltener bis gar nicht mehr auftreten.

Genau deswegen existieren noch Restzweifel, ob Luis Enrique wirklich nachhaltig dafür sorgen kann, dass die Mannschaft aus der französischen Hauptstadt den entscheidenden Schritt gehen kann. Vier der fünf Gegner vor der kurzen Winterpause stammen aus der oberen Hälfte der Tabelle. Im Europapokal kommt Newcastle, es folgt der Auswärtsauftritt in Dortmund. Es könnten schon früh Wochen der Wahrheit werden, in denen sich zeigt, wie stabil der Enrique-Fußball in Paris schon ist. Die Ansätze sind vielversprechend. Mehr aber auch noch nicht.

(Photo by MARCO BERTORELLO/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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