Notti magiche: Franz Beckenbauer und die WM 1990

9. Januar 2024 | News | BY sid

Die WM 1990 ist für Generationen eine prägende Erfahrung. Franz Beckenbauer war der perfekte Dirigent.

Als Franz Beckenbauer endgültig im Fußball-Olymp ankam

Kaiserwetter lachte über dem Chiemsee, als die Helden von 1990 sich im vergangenen Sommer zum rauschenden Klassentreffen versammelten. Da standen sie fast allesamt, die sie 33 Jahre zuvor wie von Sinnen über den Rasen des Olympiastadions in Rom getanzt waren: Lothar Matthäus, mit einer Kopie des WM-Pokals in der Hand, Rudi Völler, lachend Arm in Arm mit Jürgen Klinsmann, Pierre Littbarski scheint gerade einen Witz erzählt zu haben. Notti magiche. Nur einer - der fehlte. Franz Beckenbauer. Für ihren Ehemann, so ließ es damals schon seine Frau Heidi ausrichten, wäre die Teilnahme "einfach zu viel" gewesen. Es wurde ein Abend, von dem man sagt, am Bankett sei noch einmal in Mannschaftsstärke der kaiserliche Straßenfeger "Gute Freunde kann niemand trennen" geschmettert worden. Und einer, an dem viele ahnten, dass es wohl bald zu Ende gehen wird mit Franz Beckenbauer, bei aller Hoffnung, die sie in sich trugen, so wenig sie es sich auch eingestehen wollten.

[sc name="dugout_aktuelles_video" ][/sc]

Franz Beckenbauer, nach dem Abpfiff ganz allein über den Rasen gehend, jeden Grashalm mit Lederschuhen erforschend, mit der Goldmedaille um den Hals und seinen krausen Haaren, das ist eine Ikone des deutschen Fußballs. "Ich wollte meine Ruhe haben", hat er später erzählt, "und da war Ruhe." Woran mag er gedacht haben? Genau hat er das niemals aufgelöst, denn er wusste es schlicht nicht. An den Sieg gegen Wales 1989, als alles auf der Kippe gestanden hatte? An zwei Länder, die eines wurden? "Ich hatte das Gefühl, es drängt mich einer, es schiebt mich einer über den Platz", sagte Beckenbauer in der neuen ARD-Dokumentation. Es war der Sommer der Einheit, Deutschland feierte gemeinsam. Alles schien möglich. Der Weg dahin war lang. Und steinig. Beckenbauer schaute bereitwillig nicht allzu genau hin, wenn einer seiner Stars sich mal eine Zigarette ansteckte, aber wehe, wehe, auf dem Platz stimmte es nicht. Dann konnte der Mann von Welt cholerisch werden, fuchsteufelswild. Nach dem Viertelfinale gegen die Tschechoslowakei (1:0) tobte er wie Rumpelstilzchen durch die Kabine, "er trat fluchend Eiskübel durch die Gegend", wie sich Matthäus erinnerte. Klaus Augenthaler wollte sich ins Entmüdungsbecken retten: "Aber selbst da kam er hinterher und wütete".

[sc name="mehr_news_und_storys" ][/sc]

Doch auch in der Raserei besaß Franz Beckenbauer noch Humor. Einem Balljungen soll er damals angeboten haben, ihn einzuwechseln, schlimmer könne es ja nicht werden: "Der hat mich natürlich nicht verstanden. Aber ich hätte den gebracht!" Vor dem Finale gegen Argentinien, diesem verdienten 1:0 im Stadio Olimpico, sah Beckenbauer seine Mannschaft "so konzentriert wie noch nie, das konnte gar nicht schiefgehen". Somit hatte er keinen Grund, vorher "noch Purzelbäume zu schlagen oder rumzuschreien", er sagte zum Abschluss seinen legendären Satz: "Geht's raus und spielt's Fußball." Und das taten sie. Wenn nun Rudi Völler "unendlich traurig ist, einen guten Freund" zu verlieren, wenn Matthäus "tief schockiert" ist und von einem "großartigen und großherzigen Menschen schwärmt", so liegt all dies in jenen Tagen und Wochen begründet. Notti magiche, der Soundtrack der rauchigen Gianna Nannini - magische Nächte in Italien, oder, wie Franz Beckenbauer sagte: "Es war perfekt. Wir durften danach die Sau rauslassen. Und das haben wir getan." Mehr News und alle Gerüchte in unserem Tagesticker.

(Photo by Bongarts/Getty Images)


Ähnliche Artikel