DFB-Erkenntnisse: Von schwankenden Führungsspielern bis stechenden Jokern

8. Juni 2024 | Spotlight | BY Jannek Ringen

Deutschland schlägt Griechenland trotz einer schwachen ersten Halbzeit und einem Rückstand mit 2:1. Damit gelingt die Generalprobe vor der Europameisterschaft und die Stimmung wird aufrecht erhalten. Aber vieles passte auch nicht. Wir liefern die Erkenntnisse zum letzten Test des DFB-Teams.

Die Erkenntnisse des letzten DFB-Tests

Im letzten Testspiel vor der Europameisterschaft 2024 traf die deutsche Nationalmannschaft um die Champions-League-Sieger Toni Kroos und Antonio Rüdiger auf Griechenland. Nach einer schwachen ersten Halbzeit und einem Fehler von Manuel Neuer ging die Mannschaft von Julian Nagelsmann mit 0:1 in Rückstand. Treffer von Kai Havertz und des eingewechselten Pascal Groß sorgten dafür, dass das DFB-Team die Partie drehte und mit 2:1 gewinnen konnte. Die Erkenntnisse zum letzten Test vor dem Turnier.



1. Die Joker können stechen

Seit den erfolgreichen Spielen gegen die Niederlande und Frankreich im März veränderte Bundestrainer Julian Nagelsmann seine Startelf kaum. Er setzte darauf, dass sich die Mannschaft einspielen kann und Kontinuität herrscht. Doch gegen die Griechen taten sich etablierte Stammspieler wie İlkay Gündoğan und Antonio Rüdiger schwer. Auch Florian Wirtz erwischte nicht seinen besten Tag. Umso mehr konnten die Joker stechen. Leroy Sané belebte das deutsche Offensivspiel, Pascal Groß erzielte den Siegtreffer und Nico Schlotterbeck zeigte, dass er die starke Form vom Ende der Saison konservieren konnte. Damit kann Nagelsmann auch auf seine Joker bauen.

Dennoch hat er eine klare Startelf vor Augen, die jedoch „nicht in Stein gemeißelt“ sei. „Wir haben 13 Spieler, die für die Startelf infrage kommen“, sagte der Bundestrainer nach der Partie, merkte jedoch auch an, dass die Startelf des DFB-Teams gegen Schottland „ungefähr so aussehen wie heute“ wird. Auf die Joker ist dennoch Verlass.

2. Die deutsche Mannschaft kann Spiele drehen

Bei den vergangenen Turnieren ging die deutsche Nationalmannschaft oftmals in Rückstand. Bei der WM 2022 lag man in jeder Partie zurück, konnte jedoch nur noch das Spiel gegen Costa Rica drehen. Und auch bei der letzten Europameisterschaft tat man sich nach Rückstand schwer. Sowohl gegen die Niederlande im März als auch gegen Griechenland ging das DFB-Team erneut früh in Rückstand. Im Gegensatz zu den vergangenen Turnieren konnten beide Partien gedreht werden.

Dies ist eine Qualität, die der deutschen Nationalmannschaft bei den letzten Turnieren abhanden ging. Oftmals lag das Team um Manuel Neuer früh zurück, obwohl man selbst am Drücker war. Von diesem Zeitpunkt an tat sich die Mannschaft trotz der enormen individuellen Qualität schwer, die Partien noch zu drehen. Dass dies gegen Griechenland erneut geklappt hat, dürfte dem DFB-Tross Selbstbewusstsein geben. Hoffentlich liegen sie im Turnier nicht erneut früh zurück.

3. DFB-Stützen nicht in Top-Form

Eines der Erfolgsrezepte bei der Weltmeisterschaft 2014 war, dass die Stützen des DFB-Teams in Top-Form waren. Thomas Müller traf nach Belieben, Mats Hummels und Jérôme Boateng waren in der Form ihres Lebens und Manuel Neuer definierte das Torwartspiel neu. Vor der Europameisterschaft im eigenen Land ist dies jedoch anders. Viele klare Stammspieler wie Manuel Neuer, İlkay Gündoğan oder Antonio Rüdiger präsentierten sich gegen Griechenland nicht wirklich in guter Verfassung.

Die Diskussionen um DFB-Kapitän Gündoğan werden nach dem Spiel nicht nachlassen, denn er enttäuschte erneut. Muss er aus der Startelf heraus? Neuer patzte, ähnlich wie im Saisonendspurt. Auch hier werden die Rufe nach Marc-André ter Stegen wieder lauter. Champions-League-Sieger Antonio Rüdiger schaffte es abermals nicht, die starken Leistungen aus dem Club in die Nationalmannschaft zu übertragen. Für ein erfolgreiches Turnier müssen die Führungsspieler auf den Punkt da sein.

4. Im Spielaufbau wird sich zu viel auf Toni Kroos verlassen

Im Spiel der deutschen Nationalmannschaft lag der Fokus abermals auf Toni Kroos. Der Rekord-Champions-League-Sieger kippte immer wieder in die Kette ab und gestaltete das deutsche Aufbauspiel aus der letzten Linie heraus. So hatte Deutschlands wohl bester Spieler viel Einfluss auf das Spiel, jedoch fehlte auch ein weiterer Spieler im Mittelfeld, wenn Kroos seine ikonische Bewegung in die Abwehr machte. Und er nahm den Innenverteidigern viel Verantwortung im Aufbau ab, vielleicht sogar zu viel.

Denn auffällig war, wie wenig Jonathan Tah und sein Partner Antonio Rüdiger die Bälle progressiv und ins Mittelfeld spielten. Immer wieder entschieden sie sich für den Querpass zu Kroos, der das deutsche Spiel aufbauen sollte. Dies wohl auch zurecht, denn beide hatten mit dem Ball am Fuß immer wieder Fehler drin, die ausgebessert werden müssen. Als Nico Schlotterbeck in die Partie kam, machte er es deutlich besser. Auch Robert Andrich spielte auffällig viele Rückpässe und suchte Kroos, gerade in der ersten Halbzeit. Im deutschen Spielaufbau wird sich noch zu viel auf Kroos verlassen.

5. Viel Kreativität, wenig Ideen – Sané wird zum Faktor

Griechenland machte es clever gegen die DFB-Elf. Sie schlossen das Zentrum und lenkten die Angriffe der deutschen Mannschaft auf außen. Da sich die komplette Offensive von Nagelsmann jedoch im Zentrum am wohlsten fühlt, entstand nur selten Spielfluss, geschweige denn Gefahr. Die Offensive der Nationalmannschaft verfügt über enorm viel Qualität, zeigte jedoch wenig Ideen. Vor allem İlkay Gündoğan und Kai Havertz agierten wie Phantome, zumindest eine Halbzeit lang. Eine ähnliche Ordnung wie die Griechen könnten die Gruppengegner an den Tag legen.

Allerdings hat Nagelsmann ja noch Rückkehrer Leroy Sané in der Hinterhand. Der Flügelstürmer des FC Bayern kam zur Pause in die Partie und wollte sich direkt beweisen. Dass er auf seiner rechten Seite immer wieder die Breite hielt, tat dem deutschen Spiel sichtlich gut und er kurbelte viele Angriffe an. Auch wenn bei ihm noch nicht alles klappte, zeigte er, dass der Bayern-Star für das Turnier enorm wichtig werden kann. Viel steht und fällt jedoch mit seiner Fitness, denn er plagte sich die ganze Saison mit Verletzungen herum.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Jannek Ringen

Sozialisiert durch die Raute von Thomas Schaaf, gebrochen durch den Abstieg unter Florian Kohfeldt. Fußball in Deutschland ist sein Fachgebiet, aber immer mit einem Blick in England und Italien.


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