DFB: Generation Kimmich – Von wegen „Nummer 1“

23. Juni 2023 | News | BY sid

News | Die Jahrgänge 1995/96 galten als „goldene Generation“ des deutschen Fußballs. Doch diese droht mit Hansi Flick zu scheitern.

Goldene Generation des DFB droht zu scheitern

Joshua Kimmich ging wie immer voran. Die Goldmedaille um den Hals und eine Bierflasche in der Hand, enterte er das Podium. „Die Nummer 1 der Welt sind wir“, riefen der Vorsänger und seine Boygroup, ihr verdutzter Chef Joachim Löw erduldete die Sekt- und Bierdusche mit einem väterlichen Lächeln. „Wir haben gesehen, was in uns steckt, was wir für ein Potenzial haben“, schwärmte Kimmich von den „Wahnsinns-Jungs“, die gerade den Confed Cup gewonnen hatten.

Fünfeinhalb Jahre nach dieser „magischen Nacht“ (Löw) von St. Petersburg war es wieder Kimmich, der sinnbildlich stand für die Lage der Fußball-Nation. Das frühe WM-Aus in Katar sei „nicht so einfach zu verkraften“, sagte er fassungslos, „weil ich persönlich mit dem Misserfolg in Verbindung gebracht werde. Das ist nichts, wofür man stehen möchte.“ Der Hoffnungsträger von einst war zum Verlierer geworden – und stand damit stellvertretend für die „Generation nix“ (Süddeutsche Zeitung).

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Das drohende Scheitern des Bundestrainers Hansi Flick ist auch jenes der vermeintlich „goldenen“ Jahrgänge 1995/96 um Kimmich. Nur zwei Tage vor dem Confed-Cup-Triumph 2017 war ein Teil von diesen Hochgelobten um Serge Gnabry bereits U21-Europameister geworden, nach dem Erfolg von Russland stöhnte die spanische Marca: „Deutschland gewinnt immer!“ Und Bild frohlockte: „Das Beste kommt erst noch!“

Heute scheint es so, als hätten Kimmich und Co. ihren DFB-Höhepunkt bei einem Turnier erlebt, das – auch wegen seiner Bedeutungslosigkeit – längst abgeschafft ist. Die Generation wurde „früh glorifiziert“, schrieb die Süddeutsche – zu früh? 2014 gewann sie mit Kimmich und Julian Brandt die U19-EM, Torschützenkönig wurde ein gewisser Davie Selke. Schon bei der EM 2016 gehörten mit Kimmich, Leroy Sané, Jonathan Tah und Julian Weigl vier 1995 oder 1996 geborene Spieler zu Löws Turnieraufgebot.

Doch nach dem doppelten Erfolgsjahr 2017 mit Confed-Cup und U21-EM zeigten sich bald auch die Schwächen der Himmelsstürmer. Vor der WM 2018 warf DFB-Trainer Löw das Ausnahmetalent Sane wegen zu lascher Einstellung aus dem WM-Kader. Sein Nachfolger Flick versuchte im März erneut, den Münchner mit seiner Nichtberücksichtigung wachzurütteln. Im Juni verfuhr er so bei Niklas Süle – und attackierte ihn öffentlich.



Der Dortmunder, mit Kimmich in St. Petersburg tanzend auf dem Podium, habe als Verteidiger „riesiges Potenzial, aber ich finde, er lässt noch einiges liegen“, kritisierte Flick. Er müsse „von seiner Einstellung, von seiner Mentalität einen Schritt nach vorne“ machen. Der Bundestrainer sprach über einen Einzelnen – doch es klang, als hätte er eine ganze Generation im Blick. Er habe den Spielern gesagt, betonte er, „dass wir erwarten, dass sie ans Limit gehen, dass sie auch leiden“.

Doch es leiden vornehmlich die Trainer – an der vermeintlich „goldenen“ Generation. Nicht nur Löw oder Flick, auch Julian Nagelsmann oder Thomas Tuchel verzweifelten in München an ihren Vertretern. Auch an einem Gnabry oder einem Leon Goretzka. Sogar an Kimmich, den alle Genannten als Anführer schätzen, der ihren Teams aber mit seinem Überehrgeiz mitunter mehr schadet als hilft.

18 Profis aus den Jahrgängen 1995/96 reiften zu Nationalspielern – nur vier aber (Kimmich, Goretzka, Sane, Timo Werner) kamen über die Jahre zu 50 oder mehr Einsätzen. Die Nummer 1 der Welt? Weit gefehlt!

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)


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