Nachruf auf Mario Zagallo: Eine Legende geht

7. Januar 2024 | News | BY sid

Brasilien trauert um den legendären Mario Zagallo – den einzigen Mann, der seine Hand viermal am WM-Pokal hatte.

Brasilien trauert um Mario Zagallo

Bei der Ur-Katastrophe des brasilianischen Fußballs stand Mario Zagallo in der ersten Reihe. Er würde ein Magier werden, ein Charismatiker und Professor, ein Mentor, eine stilprägende Ikone mit vier WM-Titeln – doch 1950 sah er als Militärpolizist, wie seine Helden den verfluchten Pokal vor 200.000 Zuschauern Uruguay in den Schoß warfen. „Ich habe die Trauer und die Stille im Maracana nie vergessen“, erzählte er noch 70 Jahre später.



Am Freitag ist Mario Jorge Lobo Zagallo im Alter von 92 Jahren gestorben. Brasilien trägt Trauer, den Älteren kommt es vor, als müssten sie Abschied von einem Lebensbegleiter nehmen. „Mit enormer Traurigkeit verkünden wir den Tod unseres ewigen viermaligen Weltmeisters“, teilte die Familie mit: „Ein hingebungsvoller Vater, liebevoller Großvater, ein treuer Freund, glorreicher Profi und großartiger Mensch.“

Um Zagallos Bedeutung zu erfassen, kann in Deutschland nur der Vergleich mit Franz Beckenbauer gezogen werden, einem von drei Menschen, die als Spieler und Trainer Weltmeister wurden – neben Zagallo selbst und Didier Deschamps. „Aber sein Vermächtnis lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Zagallos Einfluss auf den Fußball und insbesondere auf den brasilianischen Fußball ist unvergleichlich“, erklärte FIFA-Präsident Gianni Infantino. Der Ende 2022 verstorbene Pele, für den Zagallo einst „wie ein großer Bruder“ war, hat einmal gesagt: „Von allem, was ich für Brasilien geleistet habe, gehören vielleicht 50 Prozent ihm.“

Als Peles Stern 1958 aufging, war Zagallo 26 und stürmte über die linke Seite. „Ich war mitdenkend, clever“, sagte er in einer Dokumentation zu seinem 90. Geburtstag, er tippte sich an die Stirn. Im WM-Finale gegen Schweden (5:2) erzielte er das vierte Tor, das fünfte legte er Pele auf.

Andere glänzen zu lassen, das war bei allem Talent seine Aufgabe. Er war Peles Absicherung, derjenige, der auch nach hinten ackerte. So triumphierte er 1958 mit dem krummbeinigen Garrincha, Didi und Vava, er siegte 1962 in Chile an der Seite von Nilton Santos und Amarildo. Pele war verletzt.

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Wo andere Karrieren geendet hätten, fand jene des Mario Zagallo eine jahrzehntelange Fortsetzung. Er wurde Trainer. „Grün und Gold“, die Farben Brasiliens, sagt er, „haben mich nie verlassen.“ Die weiße Spielkleidung hatte die Selecao nach dem „Maracanazo“ von 1950 abgelegt. Sie war befleckt.

Bei Botafogo empfahl Zagallo sich für das höchste Traineramt im Lande, er führte Brasilien zu einer Blüte, die die Welt begeisterte. Die WM-Elf von 1970, mit Pele, Jairzinho, Rivellino, Carlos Alberto, Clodoaldo, Tostao, sie spielte den wohl schönsten Fußball jemals. „Ich habe diese Mannschaft vollkommen verändert“, sagte Zagallo, er führte die Selecao aus dem alten 4-2-4-System in die Moderne: „Das wird immer in Erinnerung bleiben.“

1974 wurde Brasilien in Deutschland Vierter, Zagallo räumte den Stuhl und, naja, er tingelte sich so durch. Er trainierte Kuwait, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate – und immer wieder Klubs aus Rio de Janeiro, dabei stammte er aus Maceio, mehrere Hundert Kilometer nördlich. Eigentlich, so sagt man ihm nach, habe er Pilot werden wollen: Aber seine Augen waren zu schlecht.

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Das Auge und vor allem das Gefühl für den Fußball hat „O velho lobo“ („Der alte Wolf“) nie verloren. Er wurde Technischer Direktor und fuhr als Assistent von Carlos Alberto Parreira zur WM 1994. Er war furios, wenn er mit pochender Schlagader in die Kamera brüllte und die Spiele bis zum Titel herunterzählte. Brasilien siegte wieder – mit Romario, Bebeto und Ronaldo, der sagt: „Ich hatte viele Trainer, aber er war der größte.“

Im Museum der brasilianischen Nationalmannschaft steht Mario Zagallo als Wachsfigur in typischer Pose, im blauen Trainingsanzug, die Hände in die Hüften gestemmt. Der „Professor“ saß bei der Enthüllung schon im Rollstuhl und hielt sein Trikot mit der legendären Nummer 13 hoch, von der er besessen war. Er heiratete an einem 13., er wohnte gerne im 13. Stock – und er liebte Sätze aus 13 Buchstaben.

„Zagallo ist tot“: Dieser traurige Satz hat 13 Buchstaben.

(Photo by Clive Mason/Getty Images)