Abstiegscheck der Premier League, Teil 2: Sind die Abstiegsplätze bereits vergeben?
11. Dezember 2024 | Spotlight | BY Lukas Heigl
Auch in dieser Saison wollen wir euch regelmäßig über die Geschehnisse im Abstiegskampf der Premier League auf dem Laufenden halten. Bereits bis zum zweiten Teil der Reihe scheinen sich die Fronten recht klar geklärt zu haben. Schon jetzt liegen zwischen den Mannschaften auf den Abstiegsplätzen und dem Rest vier Punkte Abstand. Was nicht viel klingt, ist die Hälfte der Punkte, die die Teams auf den Abstiegsplätzen bisher holen konnten. Deshalb konzentrieren wir uns diesmal hauptsächlich auf die letzten drei Teams und prüfen, ob sie sich noch rausarbeiten können.
Leicester City und Everton – Bereits etwas abgesetzt
Die beiden Vereine, die wohl am ehesten noch zittern müssen, sind die Foxes aus Leicester und die Toffees aus Liverpool. Beide Teams haben aber zuletzt ihre Hausaufgaben gemacht und ordentlich gepunktet. Besonders auf Everton trifft das zu. Besonders defensiv besticht das Team von Sean Dyche dabei. Mit Ausnahme des Ausrutschers gegen Manchester United (0:4) gab es in den letzten vier Spielen keinen einzigen Gegentreffer. Und das, obwohl mit West Ham United (0:0) und dem Brentford FC (0:0) durchaus gute Gegner dabei waren.
Hier zeigt sich, wie wichtig die Rückkehr von Abwehrchef Jarrad Branthwaite war. Der Innenverteidiger war zu Saisonbeginn verletzt, entsprechend kassierte Everton dort deutlich mehr Tore als in der letzten Saison. Damals war die Defensive um Nationalkeeper Jordan Pickford die viertbeste der Liga. So gut wird man aufgrund des schwachen Saisonstarts wohl nicht mehr werden, die Abwehr sollte jedoch gut genug sein, um sich in den nächsten Wochen immer weiter von den Abstiegsplätzen entfernen zu können.
Leicester steht punktemäßig genauso gut da wie Everton. Die Art, wie man dorthin gekommen ist sind jedoch andere. Während bei Everton von Beginn an eine Wagenburg-Mentalität vorhanden war, gab es in Leicester schnell interne Spannungen. Trainer Steve Cooper, der im Sommer vom zu Chelsea abgewanderten Enzo Maresca übernommen hatte, holte zwar durchaus ordentliche Ergebnisse (neun Punkte aus elf Spielen), verlor jedoch sehr schnell einen Großteil der Mannschaft.
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Nach der Niederlage gegen Ex-Trainer Maresca und die Blues flogen einige Spieler nach Kopenhagen, um ihren Frust in einem Nachclub freien Lauf zu lassen. Der Frust war so groß, dass sich die Spieler dazu hinreißen ließen, ein Plakat mit der Aufschrift „Enzo (Maresca) I miss you“ in die Kamera zu halten. Spätestens jetzt war das Tischtuch zerschnitten, den Verantwortlichen blieb nichts andere übrig, als Cooper zu entlassen.
Sein Nachfolger, Ruud van Nistelrooy, brachte eine ganz neue Energie ins King Power Stadium. Aus den ersten beiden Spielen unter dem Niederländer, die beide zu Hause stattfanden, holte Leicester starke vier Punkte (3:1 gegen West Ham und 2:2 gegen Brighton). Der Spielstil ist deutlich progressiver als unter Cooper, die Spieler scheinen einen offensiveren Spielstil zu bevorzugen. Geht es so weiter, wird man wenig mit dem Abstieg zu tun haben.
Wolverhampton Wanderers – Hat das Everton-Spiel das Team gebrochen?
Ein Team, dem es deutlich schlechter geht, sind die Wolves. Der Verein, der in den letzten Jahren sportlich immer weiter heruntergewirtschaftet wurde, steht bei nur neun Punkten. Die Gründe hierfür sind jedoch recht offensichtlich. Das Team von Gary O’Neil hatte das wohl schwerste Auftaktprogramm der Liga. In den ersten neun Spielen traf man auf keinen einzigen direkten Konkurrenten als Gegner. Die Saison Wolverhamptons ging erst danach so richtig los.
Und prompt lieferte man auch deutlich bessere Ergebnisse ab. Viermal in Folge blieben die Wolves ungeschlagen und holten acht Punkte. Besonders überzeugend war dabei der 4:1-Erfolg bei Fulham. Die gute Phase wurde in der letzten Woche jedoch direkt wieder zunichte gemacht. Zunächst verlor man unglücklich zu Hause gegen Bournemouth (2:4), nur um dann den wohl schwächsten Auftritt unter O’Neil hinzulegen. Bei Everton kamen die Wolves mit 0:4 unter die Räder.
Entsprechend sauer waren die Fans im Auswärtsblock. Am Montag folgte dann ein mehr als unglückliches 1:2 bei West Ham United, bei dem einige Entscheidungen des Schiedsrichters und des VAR gegen die Wolves liefen. Für O’Neil könnte es trotz der guten Arbeit in der letzten Saison nun eng werden, am kommenden Wochenende gegen Ipswich muss ein Sieg her, will der Trainer seinen Arbeitsplatz behalten.
Ipswich Town – Schwer zu knacken, aber ohne Sieg wird es nichts
Besser als erwartet sieht es bisher für die Blues aus Ipswich aus. Als klarer Außenseiter in die Saison gegangen zeigte sich schnell, warum Manchester United und Brighton im Sommer an Trainer Kieran McKenna interessiert waren. Der junge Engländer hat das Team nach dem Durchmarsch aus Liga drei bereits mehrfach neu erfunden, und auch die Spielweise in der Premier League hat nicht mehr viel mit der Systematik des letzten Jahres zu tun. Man spielt wesentlich defensiver, ist nur noch schwer zu knacken.
Das Problem ist jedoch, dass durch diese defensive Spielweise und die mit Ausnahme von Liam Delap fehlende individuelle Qualität – Delap ist für sechs der 14 Tore verantwortlich – dazu führt, dass Ipswich kaum offensiv in Erscheinung tritt. Weniger als ein Tor pro Spiel ist einfach zu wenig, um die Liga halten zu können. In den letzten vier Spielen erzielte man gar nur zwei Treffer. McKenna muss in den nächsten Wochen einen besseren Mix aus Offensive und Defensive finden.
Helfen könnte dabei auch die intrinsische Entwicklung einiger Spieler. Ipswich verpflichtete im Sommer einige große Talente, die im Laufe der Saison noch besser werden dürften. Neben dem bereits angesprochenen Delap, der im Sommer für 18 Millionen Euro aus der Jugend von Manchester City kam, ist hier vor allem Innenverteidiger Jacob Greaves zu nennen. Der Engländer what sich in den ersten Spielen schnell zum Abwehrchef gemausert. Umso bitterer ist es, dass Greaves seit Spieltag acht verletzt ausfällt. Gegen Crystal Palace (0:1) versuchte er es zwar, ist nun aber erst einmal wieder raus. Er dürfte nach seiner – hoffentlich baldigen – Rückkehr die Abwehr wieder stabilisieren.
Southampton FC – Schön spielen allein reicht nicht
Die Saints sind wohl das seltsamste Team der Liga. Der Aufsteiger spielt womöglich sogar den schönsten Fußball der gesamten Liga. Mit 53,7% hat man den sechstmeisten Ballbesitz der Liga, mit 88,3% die zweitbeste Passquote. Selbst beim Auswärtsspiel bei Manchester City (0:1) hatte man bis weit in die zweite Hälfte hinein noch mehr Ballbesitz als der Meister.
Das Problem ist: Das bringt alles nichts, wenn am Ende keinerlei Ertrag steht. Und so ist es bei Southampton. Man stellt mit drei Toren Abstand den schlechtesten Angriff der Liga. Das hat zwei Gründe: Zum einen schießt Southampton im Verhältnis zum eigenen Ballbesitz extrem selten auf das gegnerische Tor (nur 9,3 Schüsse pro Spiel, Platz 20), zum anderen scheitern die Spieler in schöner Regelmäßigkeit aus besten Lagen. So unterperformt man seine erwarteten Tore massiv. Aus 19 erwarteten Toren wurden am Ende nur elf. Eine größere Diskrepanz findet sich in der Liga nur bei Crystal Palace und Bournemouth.
Und es ist fraglich, ob das in Zukunft besser wird. Denn die Saints sind individuell einfach allen anderen Teams unterlegen. Und so muss man sich im Süden Englands wohl auf einen kurzen Premier-League-Aufenthalt einstellen – der ob der Spielweise jedoch dennoch etwas Spaß machen kann.
(Photo by Carl Recine/Getty Images)
Lukas Heigl
Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert