Ansu Fati: 5 Fragen und Antworten zur Leihe zu Brighton & Hove Albion
12. September 2023 | Spotlight | BY Lukas Heigl
Einen Tag vor dem Deadline Day kam plötzlich ein wildes Gerücht auf: Der FC Barcelona sei bereit, Ansu Fati für ein Jahr zu verleihen. Fati, das Wunderkind, der jüngste Torschütze in der Geschichte von Barça, der Champions League und bis vor wenigen Tagen auch der spanischen Nationalmannschaft. Der designierte Nachfolger von Lionel Messi. Die Nummer 10 eines der größten Clubs der Welt. Und tatsächlich wechselte Fati am Deadline Day nach England zu Brighton & Hove Albion. Fünf Fragen und Antworten zum Transfer.
1. Warum verleiht Barcelona Ansu Fati?
Hierfür gibt es zwei Gründe. Der eine ist der sportliche Grund. Ansu Fati (20) kam nach seiner Oberschenkelverletzung im Herbst 2021 nie wieder voll zurück. Nachdem ihn die Verletzung ganze fünf Monate pausieren ließ, fehlte dem jungen Spanier in der Folge das Vertrauen in seinen Körper. Er kam in der Saison 2022/23 zwar 36-mal in der Liga zum Einsatz, jedoch meist nur als Joker. Von Beginn an lief Fati nur 13-mal auf, seine Spielminuten addiert ergeben nur knapp über 15 volle Spiele. Für Fati war ein Tapetenwechsel also unumgänglich, will er an seine Leistungen aus der Zeit vor seiner Verletzung anknüpfen.
Es gibt aber auch noch einen anderen Aspekt dieses Wechsels. Barca hat seit Jahren Probleme mit ihrem Gehaltsgefüge. In Spanien darf man neue Spieler nur zum Spielbetrieb anmelden, wenn man das ligainterne Salery Cap einhält, also nicht mehr als einen gewissen Prozentsatz seiner Einnahmen für Gehälter ausgibt. Die Katalanen wollten aber am Deadline Day nochmal zwei Spieler auf Leihbasis verpflichten, namentlich Joao Felix (23) und Joao Cancelo (29).
Damit dies klappen konnte, musste erstmal Raum geschaffen werden. Dies hat man durch die Fati-Leihe geschafft, der wie beschrieben zuletzt sportlich nicht die größte Bedeutung für Barça hatte. Brighton übernimmt Berichten zufolge mit 175.000 € pro Woche knapp 80% des Gehalts des Spaniers. Und so ermöglichte die Leihe gleich zwei Neuverpflichtungen.
2. Warum hat sich Fati für Brighton entschieden?
Der wichtigste Faktor war, wie auch Fati selbst immer wieder in seinem ersten Interview in England betont hat, Trainer Roberto De Zerbi (44). Der Italiener hat am Tag des Wechsels persönlich mit Fati telefoniert und ihn von der Spielidee und damit von einem Wechsel überzeugt. Dazu kommt, dass Fati wohl unbedingt in die Premier League wollte (auch Tottenham war interessiert). Neben De Zerbi war dann vor allem die Tatsache, dass der Offensivkünstler in Brighton international spielen kann der Grund, weshalb der er schlussendlich an der englischen Südküste gelandet ist.
3. Warum ergibt die Leihe für Brighton Sinn?
Wie bereits angesprochen, übernimmt Brighton einen großen Teil des Gehalts. Was sich zunächst wie ein unverhältnismäßig hoher Anteil anfühlt – vor allem auch im Hinblick auf ihr Gehaltsgefüge (der bisherige Topverdiener war Lewis Dunk (31) mit knapp 70.000 € Wochengehalt) – relativiert sich wenn man bedenkt, dass die Engländer als Ausgleich für den hohen Gehaltsanteil keine Leihgebühr bezahlen müssen. Es war für die Seagulls also egal, ob man nun Leihgebühr und weniger Gehalt zahlt, oder eben diesen riesigen Batzen. Finanziell ist es für die Engländer also absolut im Rahmen.
Sportlich war die Leihe vor allem wichtig, da sich mit Julion Enciso (19) einer der Shootingstars aus der Endphase der letzten Spielzeit kurz nach Saisonstart schwer verletzt hat und bis Januar ausfallen wird. Im Januar findet dann auch noch der Africa Cup of Nations statt. Zu dieser Zeit werden mit Simon Adingra (21, Elfenbeinküste) und Tariq Lamptey (22, Ghana) wohl zwei weitere Offensivoptionen nicht zur Verfügung stehen. Und so entschied man sich im Süden Englands, noch etwas für die Breite in der Offensive zu tun. Eine Leihe war hierfür deutlich sinnvoller als eine feste Verpflichtung. Und so wurde Fati zur besten Option.
4. Wie passt Fati sportlich zu Brighton?
Brighton ist seit einigen Jahren eines der aufregendsten Teams Europas. Seit der Ankunft von De Zerbi im Oktober 2022 hat man sich endgültig in die Herzen vieler Fußballliebhaber gespielt. Die Seagulls spielen offensiven Ballbesitzfußball, auch gegen individuell stärkere Teams und sind taktisch das wohl interessanteste Team im Bezug auf neue Ideen. Auch in der Bundesliga übernehmen nach und nach einige Vereine Facetten aus der Spielweise von Brighton. Pep Guardiola (52) bezeichnet De Zerbi als den einflussreichsten Trainer auf den Weltfußball für die kommenden 20 Jahre.
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Fati passt perfekt in dieses Team. Im System der Seagulls sind die Flügelspieler extrem wichtig. Diese spielen sehr breit, von der Seitenauslinie werden immer wieder Läufe mit und ohne Ball in den freien Raum gestartet, wo sie dann aus dem Mittelfeld gefunden werden. Vor allem Linksaußen Kaoru Mitoma (26) ist weltklasse darin, diese Räume zu erkennen und zu belaufen. Fati hat in Barcelona bereits angedeutet, dass diese Eigenschaft auch zu seinen Stärken zählen.
Doch die Mannschaft findet auch andere Wege, um ihre Flügelspieler in Szene setzen zu können. Das gelingt mit der inzwischen viel besprochenen Pressingfalle. Brightons Innenverteidiger halten sehr lange den Ball und versuchen damit, die Gegner anzulocken. Diese werden dann mit einstudierten Passstaffetten gekonnt überspielt, wobei auch der Stürmer sehr tief kommt, um als zusätzliche Anspielstation zur Verfügung zu stehen. Die Flügelspieler hingegen bleiben hoch und warten darauf, dass die übrigen neun Spieler (der Keeper wird sehr intensiv im Spielaufbau mit eingebaut) den Ball zu ihnen bringen. In diesen 1-gegen-1-Duellen ist Fati schon jetzt einer der besten Spieler in Europa und wird unter De Zerbi nochmal besser werden – wie es in der letzten Saison bereits Mitoma und vor allem Solly March (29) geworden sind.
5. Kann die Leihe Fati und Barcelona langfristig helfen?
Das Arbeiten mit De Zerbi wird Fati auf jeden Fall weiterbringen. Viele Trainer haben sich im Laufe ihrer Karriere einen Ruf in der besonders guten Entwicklung einzelner Spielertypen erarbeitet. Jürgen Klopp (56) etwa ist für Außenverteidiger wohl der beste Trainer, Pep Guardiola (52) für zentrale Mittelfeldspieler. De Zerbi ist aktuell wohl der beste Trainer überhaupt was die Entwicklung von Flügelspielern angeht. Aus March, der davor aufgrund seiner Ungefährlichkeit im letzten Drittel als Flügelverteidiger eingesetzt wurde und in 148 Premier-League-Spielen nur fünf Tore erzielt hatte, einen Spieler zu machen, der in 31 Spielen unter De Zerbi zehn Tore markieren konnte und inzwischen als Kandidat für die englische Nationalmannschaft gilt, darf als mittelschweres Wunder angesehen werden.
Was die Hauptfrage sein dürfte ist, ob Fati genug Einsatzzeit bekommen wird. Auf seinem linken Flügel ist auch Mitoma zu Hause, der bei Brighton einer der wichtigsten Spieler ist. Dazu gibt es als Backup bereits Simon Adingra (21), der von einer Leihe aus Belgien zurückkam und in der Vorbereitung durch gute Leistungen auffiel. De Zerbi wird sich also überlegen müssen, ob er Mitoma oder Fati auch einmal über die rechte Seite spielen lassen kann. Falls dies nicht gelingen sollte, dürfte Fati zwar aufgrund der Dreifachbelastung auf seine Spielminuten kommen, diese dürften aber nicht viel mehr werden als in der abgelaufenen Saison in Barcelona. Und das wird man sich weder in Spanien noch von Spielerseiten aus von der Leihe versprochen haben.
(Photo by Steve Bardens/Getty Images)
Lukas Heigl
Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert