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Arsenal vs. Tottenham – Wem gehört der Norden Londons? Das Streitgespräch

24. September 2023 | Spotlight | BY 90PLUS Redaktion

It’s derby time! Der FC Arsenal empfängt am Sonntagnachmittag die Tottenham Hotspur. Wer gewinnt das 175. North London Derby? Das Streitgespräch.

Der Norden Londons und seine Renaissance

Auf dem Papier erwartet uns das qualitativ hochwertigste North London Derby seit Jahren. Beim FC Arsenal hat Mikel Arteta es geschafft, aus jungen, talentierten Spielern eine gestandene Mannschaft zu formen, die mittlerweile nicht nur ManCitys stärkster Widersacher in der Premier League ist, sondern mit der ersten Champions-League-Qualifikation seit sieben Jahren auch auf europäischem Parkett wieder ganz oben angreifen will.



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Derweil hat Tottenham nach Jahren der Tristesse in Ange Postecoglou einen neuen Trainer gefunden, von dessen Fähigkeiten man im Norden Londons so überzeugt ist, dass selbst einem Topstar wie Harry Kane nur mit einem Auge hinterhergeweint wird. Und in der Tat scheint man sich nicht zu viel versprochen zu haben: Die Spurs spielen mittlerweile nicht nur attraktiven Fußball, im Klub und unter den Fans herrscht eine Aufbruchstimmung und neue Zuversicht.

Die Basis für eine erfolgreiche Zukunft ist sowohl bei Arsenal als auch den Spurs gelegt und beide Seiten blicken mit jeweils 13 Punkten aus fünf Spielen auf einen erfolgreichen Saisonstart in der Premier League zurück. Die Zutaten für ein hochklassiges North London Derby, sie liegen bereit. Die spannende Frage ist, welche Mannschaft die womöglich erste Niederlage der noch jungen Saison einstecken muss.

Im Streitgespräch argumentieren die 90PLUS-Redakteure Chris McCarthy (Arsenal) und David Schöngarth (Tottenham), warum die Gunners beziehungsweise die Spurs am Sonntag als Sieger vom Platz gehen werden.

Darum gewinnt Arsenal

Die Stimmung im Norden Londons könnte nicht besser sein. Zugegeben, das betrifft gleich beide vorherrschenden Klubs der Region. Mit einem Unterschied: Im roten Teil Nordlondons bewegen wir uns auf einem anderen Niveau.

Blicken wir alleine auf die letzten sieben Tage zurück. Am Sonntag hat das ungeschlagene Arsenal am fünften Spieltag bei Angstgegner Everton die Saison-Punkte elf bis 13 eingefahren, am Mittwoch den ersten Auftritt in der Champions League nach sechsjähriger Abstinenz in einen Galaabend verwandelt (4:0) und am Freitag den Vertrag von Martin Ödegaard langfristig verlängert. Einer der besten Spieler der Premier League, Kapitän und Motor des wiedererstarkten Vizemeisters.

Womit wir beim Thema sind. Denn bei allem Respekt für Postecoglous beeindruckenden Auftakt bei den Spurs (sogar Arsenal-Fans verfallen seinem liebenswerten Charme) – bei sechs Pflichtspielen, drei davon gegen Abstiegskandidaten, ist es bislang eben nur das: ein Auftakt. In eine neue Ära, wahrscheinlich aber eines Umbruchs. Und der FC Arsenal hat eben jenen bereits hinter sich. Das Resultat? Der zweitbeste Kader und die zweitbeste Spielanlage der Premier League, jeweils nur von der besten Mannschaft der Welt übertroffen, Manchester City.  Ja, das sind die Sphären, in denen sich Arsenal mit Mikel Arteta nun wieder bewegt, und von denen Tottenham selbst im Best Case wohl noch ein paar Jahre entfernt ist.

Sicher, der besondere Charme des North London Derbys rührt daher, dass es immer ein packendes und intensives Duell ist – unabhängig von Form und Qualität der jeweiligen Teams. Allerdings spielt die treibende Kraft des Aufschwungs bei den Spurs ausgerechnet den Gunners in die Karten: Postecoglou hat die Fesseln seiner destruktiven Vorgänger durch mutigen und mitreißenden Offensivfußball gesprengt. Das heißt, sie wollen agieren statt zu reagieren. Und in dieser Saison wählte nur ein Gegner des FC Arsenal diesen Ansatz – die PSV Eindhoven in der Champions League. Die Folge? Die Gunners nutzten die Räume, spielten die Niederländer schwindelig und boten die beste Offensivleistung 2023/2024.

Doch selbst wenn die Spurs eine passivere Ausrichtung wählen: Der FC Arsenal deutete nach guten Ergebnissen (aber durchwachsenen Vorstellungen) am Mittwoch an, allmählich auch auf die Bestform des Vorjahres zuzusteuern. Ein Kaliber, mit dem es Postecoglous Spurs ohnehin noch nicht zu tun hatten, läuft heißt.

Chris McCarthy

Das letzte North London Derby entschied Arsenal mit 2:0 auswärts bei Tottenham für sich.

Das letzte North London Derby im Januar entschied Arsenal mit 2:0 auswärts bei Tottenham für sich. (Photo by ADRIAN DENNIS/AFP via Getty Images)

Darum gewinnt Tottenham

Das North London Derby wird für die neue Spurs-Mannschaft unter Ange Postecoglou der größte Test der noch jungen Saison. Die Gunners gehen als klarer Favorit in das Duell und man ist knapp sechs Kilometer südlich einfach mehrere Schritte weiter in der Entwicklung. Das gilt es neidlos anzuerkennen.

Trotzdem hat das Team von Ange Postecoglou, den derzeit sowohl auf als auch nebem dem Platz ein Nimbus der Unfehlbarkeit umgibt, durchaus Chancen, alle drei Punkte aus dem Emirates zu entführen. Es ist noch nicht allzu lang her, da trennten wenige Zentimeter von Alejandro Garnachos Schulter die Gunners von einem eher mittelmäßigen Saisonstart. Zugegebenermaßen scheint das Team von Mikel Arteta seitdem einen Gang hoch geschaltet zu haben und befindet sich spätestens seit dem beeindruckenden 4:0 in der Champions League unter der Woche auf Derby-Betriebstemperatur. Über Momentum verfügen jedoch auch die Spurs, die mit dem spätesten Comeback der Premier-League-Geschichte im Rücken anreisen. Ohnehin dürfte auf den Schultern der Gunners mehr Druck lasten, schließlich will Arsenal die Leistungen aus der Vorsaison bestätigen und nicht schon zu Beginn der Saison Manchester City aus den Augen verlieren.

Aber auch mit Blick auf den Kader müssen die Spurs sich auf keinen Fall vor dem Starensemble von Arsenal verstecken. Selbst wenn die Gunners nicht mehr von Derby-Spezialist Harry Kane (30) heimgesucht werden können, steht auf Seiten der Spurs immer noch viel Qualität auf dem Platz. Cristian Romero (25) scheint nach einer schwachen Saison endlich wieder der Innenverteidiger zu sein, der Argentinien zum Weltmeistertitel verhalf, im defensiven Mittelfeld glänzt Yves Bissouma (27) derzeit in Topform. James Maddison (26), der im Spiel der Spurs seit Jahren so dringend benötigte Kreativspieler, entpuppt sich als einer der besten Transfers des Sommers und vorne zeigt Son Heung-Min (31), der in der vergangenen Saison auf dem linken Flügel oft unglücklich war, warum er als Stürmer mit seiner Schnelligkeit und seinem eiskalten Abschluss so gefährlich sein kann.

Das könnte auch für eine hoch stehende Arsenal-Abwehrreihe zum Problem werden. Man denke nur mal zurück an die beiden Gegentore, die die Gunners gegen Manchester United hinnehmen mussten. Und mit Neuzugang Brennan Johnson (22) verfügen die Spurs über den zweitschnellsten Spieler der Liga, der beim späten Sieg gegen Sheffield eingewechselt wurde und Gerüchten zufolge sogar sein Startelfdebüt im Emirates feiern könnte. Was Tottenham außerdem in die Karten spielen könnte, insbesondere wenn die Partie bis zum Schluss auf Augenhöhe ausgetragen wird, sind die frischen Beine, mit denen die Spurs anreisen. Anders als Arsenal war Tottenham nicht unter der Woche im Europapokal im Einsatz und konnte sich eine ganze Woche auf das Derby vorbereiten und schonen. In heiß umkämpften Schlussphasen kann das den Unterschied machen.

Die Spurs brauchen einen perfekten Matchplan gegen den favorisierten Rivalen Arsenal. Trotzdem waren die Aussichten, zum ersten Mal seit 2010 in der Liga auswärts gegen die Gunners zu gewinnen, selten besser.

David Schöngarth

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)


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