Arsenal bezwingt Tottenham: Derby-Feeling, der X-Faktor und was ist mit Romero los? Die Blitzreaktionen

15. September 2024 | Premier League | BY Chris McCarthy

Der FC Arsenal gewinnt auswärts bei den Tottenham Hotspur das North London Derby. Ein Statement. Wir haben die Blitzreaktionen.

Arsenal schlägt Tottenham: Das erwartet intensive Derby

Ohne Wunschmittelfeld und mit einer ungewöhnlichen Portion Druck für einen vierten Spieltag, konnte der FC Arsenal zum dritten Mal in Folge auswärts das North London Derby gegen die Tottenham Hotspur für sich entscheiden (1:0 – zum Spielbericht). Doch wie kam es dazu? Was war auffällig? Und vor allem: Was bedeutet das für die Gunners und die Spurs?



Chris McCarthy liefert die Blitzreaktionen.

Wie verkrafteten die Gunners die Ausfälle von Ödegaard, Rice und Merino?

Mikel Arteta musste gegen die Spurs ohne sein komplettes Wunschmittelfeld auskommen: Declan Rice fehlte gesperrt, Neuzugang Mikel Merino und Kapitän Martin Ödegaard verletzt. Die kontrollierende Präsenz von Rice, vor allem aber Ödegaards Kreativität sind eigentlich kaum zu ersetzen.

Personell versuchte der spanische Coach dies mit Erfahrung zu kompensieren: Neben Thomas Partey (31) durfte erstmals überhaupt in dieser Saison der 32-jährige Jorginho ran, während sich Leandro Trossard (29) auf der Zehn mit Kai Havertz abwechselte. Spielerisch dagegen versuchte Arsenal erst gar nicht, die Rollen auf andere Schultern zu verlagern und das Mittelfeld zu dominieren. Stattdessen fokussierten sich die Gunners auf eine stabile Grundordnung, blitzschnelle Umschaltmomente, situatives Pressing und ihre Standardstärke. Man könnte sagen, Arsenal akzeptierte das Chaos. Das Team von Mikel Arteta hatte am Ende weniger Ballbesitz (37 Prozent), aber fast genau so viele expected Goals (0,8 zu 0,7) – bei der Hälfte der Abschlüsse (15:7).

Nach der 1:0-Führung durch Gabriel (64.) setzte sich schließlich die Abgezocktheit des Vizemeisters durch: Der Ballbesitz wurde in die gegnerische Hälfte verlagert, die zunehmende Hektik der Spurs ausgenutzt und der Rhythmus gestört.

Welche Ausrichtung wählte Tottenham?

Ange Postecoglu hat mit seinem aggressiven Ansatz bei Tottenham für neuen Schwung gesorgt. Gleichzeitig offenbart die risikobehaftete Herangehensweise mit einer hohen Verteidigungslinie Schwächen in der Defensive. Folgenschwer wird es, wenn wie zuletzt die Effizienz im Angriff fehlt – nicht nur im Abschluss sondern auch in der Entscheidungsfindung, so wie bei der Pleite gegen Newcastle und dem Remis gegen Leicester (zwei vermeidbare Punktverluste).

Gegen die dezimierten Gunners blieb sich der Australier wie erwartet treu: Er wählte eine sehr offensive Aufstellung mit nur einem defensiv-orientiertem Mittelfeldspieler (Bentacur für den angeschlagenen Bissouma) und eine ebenso offensive Ausrichtung. Die Spurs versuchten die Gäste in der Anfangsphase zu überrumpeln, legten eine irre Intensität an den Tag und suchten schnell das letzte Drittel. Dort scheiterten sie aber erneut an sich selbst – Dominic Solanke hatte die beste Chance zum 1:0, brauchte aber zu lange, um zum Abschluss zu kommen – und an der hervorragenden Defensive des FC Arsenal.

Nach dem Rückstand fiel Tottenham gegen einen nun tief stehenden Gegner spielerisch viel zu wenig ein.

Das erwartet intensive North London Derby? 

Ja! Wie so oft in diesem historisch hitzigen Duell der verhassten Stadtrivalen, war dies kein fußballerischer Leckerbissen sondern ein intensiver Schlagabtausch mit vielen Zweikämpfen. Alleine in der ersten Hälfte gab es sieben der insgesamt neun Gelben Karten (sechs für Tottenham, drei für Arsenal) – nie gab es in der Premier League in einem ersten Durchgang mehr.

Das lag allerdings auch an Schiedsrichter Jarred Gillett, der zu früh und zu schnell zur Tasche griff. Das Spiel hätte ihm angesichts der vielen Verwarnungen durchaus aus den Händen gleiten können. Um so wichtiger, dass er in der 35. Minute einen kühlen Kopf behielt. Jurrien Timber hatte Pedro Porro bei einem Zweikampf hart am Knöchel getroffen. Im Anschluss spielte der Niederländer kurz weiter, was bei den Spurs nicht gut ankam. Tottenham-Keeper Guglielmo Vicario baute sich in der Folge aufgebracht vor Timber auf, der ihn daraufhin kurz am Trikot hielt. Timber sah für das Foul zurecht Gelb, aber nicht für das Nachspiel, denn das hatte Vicario angezettelt.

Im North London Derby zwischen Tottenham und Arsenal ging es gewohnt hitzig zur Sache.

(Photo by ADRIAN DENNIS/AFP via Getty Images)

Was war der X-Factor? 

Arsenals Innenverteidiger. Und natürlich die Standards.

Hinter einem umorganisierten Mittelfeld und den auffällig trägen Beinen von Jorginho und Thomas Partey waren die Abwehrspieler des FC Arsenal am Sonntag besonders gefordert. Und sie lösten ihre Aufgabe mit Bravur. Gabriel und William Saliba stellten die Angreifer der Spurs oft in Windeseile zu, schränkten sie mit viel Körperkontakt ein und blockten unglaublich viele Schussversuche. Die Kombination aus Schnelligkeit, Ballfertigkeit und Physis machte den Brasilianer und den Franzosen letzte Saison zum Herzstück der besten Defensive der Premier League. Am Sonntag waren sie beim Derby-Sieg die Schlüsselfiguren: Hinten sorgten sie für die Null, vorne markierte Gabriel per Kopfball nach einer Ecke den Siegtreffer.

Natürlich ein Standard! Keine Mannschaft erzielte 2023/2024 mehr Tore nach ruhenden Bällen (22) – nur drei kassierten letzte Saison mehr als Tottenham (16). Hier müssen die Spurs nachlegen.

Arsenal mit Statement – Unruhe bei Tottenham?

Was ist mit Cristian Romero los? 

Eigentlich gehört auch Cristian Romero zu den besten Innenverteidigern der Liga. Das würde man nach seinem Saisonstart allerdings nicht meinen. Nachdem sich der Argentinier bereits gegen Leicester vom 37-jährigen Jamie Vardy den Schneid abkaufen ließ und gegen Newcastle bei beiden Gegentoren keine gute Figur machte, war er gegen Arsenal quasi alleine am entscheidenden Treffer schuld.

Als der Eckball ausgeführt wurde, stand Romero noch eng bei Gabriel. Sekunden später nickte sein Mann völlig ungehindert zum 0:1 ein. Unerklärlich, wie Romero den Torschützen urplötzlich komplett aus den Augen ließ.

Aufgrund der Spielweise der Spurs, sind die Innenverteidiger besonders wichtig. Um so besorgniserregender, dass der 27-Jährige 2024/2025 komplett von der Rolle wirkt.

Was bedeutet das Resultat für Tottenham?

Zumindest etwas Unruhe. Nach vier Spielen hat Tottenham nur vier von zwölf möglichen Punkten geholt. Sicher, rein von den Leistungen könnten es zumindest sieben sein. Aber genau das gehört zum Problem. Denn ähnlich wie letzte Saison gab es auch in den ersten vier Spielen einige, teilweise sehr positive Ansätze. Aber auch immer wieder die gleichen Probleme, die diese zunichte machten –  vor allem in der Defensive und bei Standards.

Die Zweifel an Postecoglous unterhaltsamer, aber auch gelegentlich eindimensionaler und riskanter Spielweise werden lauter.

Was bedeutet das Resultat für Arsenal?

So früh in der Saison von einem Must-Win-Game zu sprechen, klingt dramatisch. Doch hätte Arsenal gegen die Spurs verloren, wäre der Rückstand auf Manchester City nach nur vier Spielen schon auf fünf Punkte angewachsen. Und das direkt vor dem direkten Duell im Etihad nächste Woche.

Dass die Gunners trotz des Drucks und der signifikanten Ausfälle (neben den Mittelfeldakteuren fehlten übrigens auch Riccardo Calafiori, Oleksandr Zinchenko) auswärts als Derby-Sieger hervorging, zeugt von massiver Resilienz und Reife.

(Photo by ADRIAN DENNIS/AFP via Getty Images)

 

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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