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Kaderanalyse Brighton & Hove Albion – Trotz Abgängen weiter oben dabei

29. Oktober 2023 | Spotlight | BY Lukas Heigl

Brighton & Hove Albion konnte sich in der letzten Saison erstmals in der Vereinsgeschichte für das internationale Geschäft qualifizieren. Trotz der Mehrbelastung und dem Verlust der drei Schlüsselspieler Moises Caicedo (21, zu Chelsea), Alexis Mac Allister (24, zu Liverpool) und Levi Colwill (20, nach Leihe zurück zu Chelsea) stehen die Seagulls mit 16 Punkten aus neun Spielen erneut gut da – und das trotz eines sehr schweren Spielplans. Im Folgenden werden wir den Kader analysieren und erläutern, wie man es an der englischen Südküste schafft, das Niveau zu halten.

Brighton – Neuzugänge auf hohem Niveau

Zunächst muss man feststellen, dass Brighton trotz eines Transferüberschusses von knapp 90 Millionen Euro auch mehr als 100 Millionen Euro investiert hat. Für dieses Geld kamen vier Spieler, die allesamt als Nachfolger verlorener Spieler geholt wurden. Joao Pedro (22) wurde zum neuen Rekordeinkauf gemacht (34 Millionen Euro), der brasilianische vielseitig einsetzbare Offensivspieler, der die letzten Jahre bei Watford spielte und dort einer der besten Spieler der Championship war, soll Mac Allister ersetzen.



Als Nachfolger von Caicedo verpflichteten die Seagulls den hochtalentierten Carlos Baleba (19) für 27 Millionen Euro aus Lille. Baleba hatte bis zu seinem Wechsel nicht einmal 700 Minuten Profifußball hinter sich. Von daher war der Transfer durchaus ein Gamble, die Verantwortlichen in Brighton waren jedoch restlos überzeugt vom Talent des defensiven Mittelfeldspielers – ein gutes Zeichen, schließlich haben die Seagulls durch einen streng geheimen Algorithmus von Besitzer Tony Bloom (53) und dessen Firma „StarLizard“ das wohl beste Scouting-Tool der Welt.

Auch für die Innenverteidigung kam als Ersatz für Colwill, den man gerne gehalten hätte, ein Spieler, bei dem nicht jeder sicher war, dass er das nötige Niveau mitbringen würde. Der Brasilianer Igor (25), ausgebildet in der RB-Schule, wurde für 17 Millionen Euro von der AC Florenz geholt. Er war letzte Saison jedoch alles andere als Stammspieler bei Florenz und kam in der Liga nur auf knapp 60 Prozent der Spielminuten. Ersatzkeeper Robert Sanchez (25, ebenfalls zu Chelsea) wurde durch Bart Verbruggen (21) ersetzt, eines der größten Torhütertalente in Europa. Für den jungen Niederländer flossen 20 Millionen Euro Richtung Anderlecht. Verbruggen ist vor allem spielerisch deutlich besser als Sanchez, der aufgrund dieses Aspekts des Spiels letzte Saison seinen Stammplatz an Jason Steele (33) verloren hatte.

Besitzer Tony Bloom ist das Gehirn hinter dem Erfolg von Brighton

(Photo by GLYN KIRK/AFP via Getty Images)

Für die Kaderbreite holte Brighton noch drei Spieler, die allesamt keine Ablöse kosteten. James Milner (37) und Mahmoud Dahoud (27) kamen ablösefrei aus Liverpool respektive Dortmund. Ansu Fati (20) konnte man am Ende des Transfersommers für ein Jahr vom FC Barcelona leihen. Der Spanier war zunächst nicht als Neuzugang eingeplant und kam kurzfristig als Ersatz für Julio Enciso (19), der verletzungsbedingt bis Januar ausfällt. Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die Rückkehr von Simon Adingra (21) nach seiner Leihe zu Royale Union Saint-Gilloise. In Belgien konnte der ivorische Flügelspieler in 51 Spielen starke 30 Torbeteiligungen sammeln.

Nur drei essentielle Stammspieler

Der Kader, der bereits vor dem Sommertransferfenster recht breit gewesen war, wurde also nochmals aufgepolstert. Es gibt auf jeder Position mehrere starke Spieler, die diese bekleiden können. Hier kommt Brighton auch die Vielseitigkeit einzelner Spieler entgegen. Milner etwa wird von den Seagulls hauptsächlich als Rechtsverteidiger eingesetzt, kann aber auch links und im Mittelfeld spielen. Solly March (29) und Tariq Lamptey (23) können beide auf den Außenbahnen jede Position bekleiden. Und in der zentralen Offensive können die fünf Spieler beliebig zusammenspielen.

Nur drei Spieler sind nahezu unersetzbar. Kapitän Lewis Dunk (31) ist inzwischen – für die meisten Experten viel zu spät – fester Bestandteil der englischen Nationalmannschaft. Der Innenverteidiger kommt aus der eigenen Jugend der Seagulls und ist essentiell. Dunk entwickelte sich in den letzten Jahren vom Verteidiger alter Schule zu einem der besten Aufbauspieler der Liga, ohne dabei seine defensiven Qualitäten einzubüßen.

Mitoma und Groß sind gemeinsam mit Dunk die einzigen unverzichtbaren Spieler bei Brighton

(Photo by Naomi Baker/Getty Images)

Letzte Saison spielte der Engländer die meisten Pässe der Liga, auch dieses Jahr ist er wieder ganz vorne dabei. Ein weiteres Plus ist, dass Dunk sowohl als linker wie auch als rechter Innenverteidiger spielen kann, also auch neben jedem der anderen drei zentralen Verteidiger im Kader zum Einsatz kommen kann. Der zweite essentielle Spieler ist Pascal Groß (32). Der deutsche Nationalspieler ist derart polyvalent einsetzbar, dass er auf der Doppelsechs im 4-2-3-1 neben jedem Partner spielen kann und das auch tut. Fehlt er nicht gerade verletzt (was er diese Saison drei Spiele lang tat), steht Groß in Brighton immer in der Startelf.

Offensiv ist das Spiel sehr auf Kaoru Mitoma (26) zugeschnitten. Der Japaner machte in den letzten Jahren eine erstaunliche Entwicklung durch und ist inzwischen einer der besten Offensivspieler der Liga. Geht es nach vorne, versucht Brighton fast immer, den Ball zu Mitoma zu bringen. In zwölf der 13 bisherigen Spiele stand Mitoma in der Startelf, im 13. Spiel beim 3:1 gegen Bournemouth kam er zur Pause und traf direkt doppelt.

De Zerbi rotiert viel – Verletzungen häufen sich dennoch

Durch diesen breiten Kader kann Trainer Roberto De Zerbi (44) sehr viel rotieren. Und das macht der Italiener auch. Im Schnitt wechselt De Zerbi seine Startaufstellung bisher auf über fünf Positionen pro Spiel. Kein anderer Verein nimmt derart viele Veränderungen vor. Bis auf die genannten Dunk, Groß und Mitoma hat kein Spieler einen Startplatz sicher. So ist Brighton auch eine der ganz wenigen Mannschaften, die ihren Keeper regelmäßig austauschen. Verbruggen und Steele sieht De Zerbi auf demselben Niveau, entsprechend bekommen auch beide Einsatzzeiten von ihm. Verbruggen stand bisher fünfmal im Tor, Steele achtmal. Dabei gibt es auch nicht die von anderen Vereinen teilweise praktizierte Aufteilung in „Pokaltorwart“ und „Ligatorwart“. Verbruggen spielte viermal in der Liga, Steele fünfmal.

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Durch diese vielen Wechsel bleiben die Spieler im Kopf und in den Beinen frisch. Der Nachteil ist jedoch, dass sich Automatismen viel schwerer einspielen. Und das sieht man gerade in der Arbeit gegen den Ball durchaus. Brighton hat wettbewerbsübergreifend in 13 Spielen bereits 24 Gegentore kassiert, also fast zwei pro Spiel. Eine Zahl, die für ein Team, das sich erneut für Europa qualifizieren will, natürlich viel zu hoch ist. Gegen Ajax in der Europa League am Donnerstag (2:0) blieb man zum ersten und einzigen Mal in dieser Saison ohne Gegentor. Diese Zahl können auch die 28 erzielten Tore nicht vollständig kompensieren.

Hier muss De Zerbi in den nächsten Wochen den richtigen Mix finden zwischen Rotation und einer eingespielten Startelf. Das könnte zeitnah auch passieren. Schließlich ist De Zerbi ein Verfechter davon, Neuzugänge langsam aufzubauen und ihnen viel Zeit zu geben. Igor etwa saß in den ersten sieben Ligaspielen durchgehend auf der Bank, zuletzt startete er zweimal in Folge. Ähnlich Baleba.

Dazu kommt, dass Brighton ein sehr hohes Verletzungspech hat. Fast durchgehend fallen drei Stammspieler aus. Neben Enciso waren dies zuletzt Pervis Estupinan (25) und Milner. Kaum sind diese beiden Spieler wieder verfügbar, fallen die nächsten – namentlich March und Danny Welbeck (32) – langfristig aus. Da für Brighton der Spielplan in den kommenden Wochen zwar leichter, aber auch voller wird, ist es gut möglich, dass De Zerbi vermehrt Nachwuchsspielern eine Chance gibt. Jack Hinshelwood (18) etwa, ein flexibel einsetzbarer Mann fürs zentrale Mittelfeld und die Außenverteidigerpositionen, war bereits bei der Vorbereitungstour in den USA dabei und stand in der Liga einmal in der Startelf.

Welbecks Platz im Angriff könnte Mark O’Mahony (18) einnehmen. Der Ire kam im Januar aus seiner Heimat und traf in dieser Saison in sechs Spielen der U21-Premier-League starke siebenmal. Wichtig für das Team könnte zudem die Rückkehr von Jakub Moder (24) werden. Der Pole riss sich im April 2022 das Kreuzband, nach einigen Rückschlägen in der Reha steht Moder nun kurz vor einem Comeback. Unter De Zerbis Vorgänger Graham Potter (48) war der vielseitige Mittelfeldmann Stammspieler. Es wird spannend sein zu sehen, wie er nach seiner Rückkehr eingesetzt wird.

(Photo by Charlie Crowhurst/Getty Images)

Lukas Heigl

Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert


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