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Gründe, Folgen, Nachfolger: Fragen und Antworten zum Chelsea-Beben

3. April 2023 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Am Sonntagabend gab der FC Chelsea eine Pressemitteilung heraus. Graham Potter und die Blues gehen ab sofort getrennte Wege. Nach einem 0:2 gegen Aston Villa, das den Absturz in die untere Tabellenhälfte bedeutete. Reaktion auf Krise? Ganz so einfach ist es nicht. Es stellen sich einige Fragen rund um die Blues. 

Warum trennen sich Chelsea und Potter?

Nach einem allenfalls durchschnittlichen Saisonstart trennte sich der FC Chelsea von Thomas Tuchel (49). Das Amt als Cheftrainer übernahm Graham Potter (47), der zuvor Brighton and Hove Albion trainierte und dort herausragende Arbeit leistete. Die Blues hofften, dass er einen Draht zur Mannschaft finden und das Team entwickeln würde. Das Gegenteil war der Fall, denn trotz einiger ordentlicher Resultate wirkte das Team in vielen Phasen der Saison wackelig, unkonzentriert. Auch die großen Investitionen im Winter halfen nur wenig. Chelsea schaffte es, die eigenen Statistiken zwar zu verbessern, viele Punkte kamen nicht dabei herum.

Kein Spiel gegen ein Team aus der oberen Tabellenhälfte wurde gewonnen. Die Niederlage zuhause gegen Aston Villa bedeutete den Absturz in die untere Hälfte der Tabelle. Englische Medien berichten zudem, dass Potter in der Mannschaft auf Gegenwehr stieß. So sollen die Spieler Witze über ihn gemacht haben.

Kurzum: Der Trainer wurde von Teilen des Teams nicht richtig respektiert. Das sind generell schlechte Voraussetzungen für eine weitere Zusammenarbeit. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Schuld nicht auch im Kader zu suchen ist, der deutlich mehr Potenzial hat, als er bisher abruft. Einen Anteil an der Entlassung könnte indes auch Todd Boehly (49), der Eigentümer des Klubs, gehabt haben. Seit seiner Übernahme ist Chelsea durchaus dafür bekannt, schnelle Entscheidungen zu treffen – und keine überlegten.

Wäre mehr Geduld sinnvoll gewesen?

Diese Frage ist sehr interessant und das gleich aus mehreren Gründen: Einerseits ist es kaum zu beantworten, ob es sinnvoll gewesen wäre, wenn die Verantwortlichen mehr Geduld bewiesen hätten. Potter kann es schließlich nicht beweisen oder widerlegen. Ein Blick rein auf die nüchternen Resultate zeigt, dass es Probleme gab, aber die Statistiken verraten, dass Chelsea eine Entwicklung durchlief, die langfristig vielleicht doch dazu hätte führen können, dass das Team Potter-Fußball auf den Platz bringt.

Potter Chelsea

(Photo by JUSTIN TALLIS/AFP via Getty Images)

Das 0:2 gegen Aston Villa ist sinnbildlich für die Monate nach Weihnachten, in denen Chelsea knapp acht Punkte weniger holte als es gemäß expected Points zu erwarten wäre: Das Team hatte mehr Ballbesitz, spielte mehr Pässe, spielte sich mehr Torchancen heraus und dominierte beim Expected-Goals-Wert deutlich. Konzentrationsaussetzer, schlechte Abschlüsse, gute Paraden und teilweise auch unglückliche Gegentore definierten die schwächeren Resultate der Blues zuletzt. Was klingt wie eine Ausrede, ist die Wahrheit. Der Weg war nicht komplett falsch. Fußball bleibt aber ein sehr schnelllebiges und manchmal einfach auch unfaires Geschäft.

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Chelsea: Welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf den Kader?

Der Chelsea-Kader war noch kein Potter-Kader. Das ist eine Nachricht, die zweierlei Dinge erklärt. Einerseits die strukturellen Probleme respektive die Schwierigkeiten der Mannschaft, die Entscheidungen und Anpassungen des Trainers en detail umzusetzen und andererseits die Möglichkeit Chelseas, den Kader im Sommer ohne den Komplettumbruch in die richtige Richtung zu lenken. Naja, fast. Denn selbst unter dem nunmehr zweiten Ex-Trainer hätten die Blues einiges verändern müssen. Homogenität existiert in diesem Kader nämlich nicht.

Aktuell stehen 32 Spieler im Aufgebot, darunter allein acht Akteure für das zentrale Mittelfeld. Zur neuen Saison kehren außerdem gleich sieben Leihspieler zurück nach London. Ausgemusterte Spieler wie Pierre-Emerick Aubameyang (33) stehen auch noch auf der Gehaltsliste. Ein Romelu Lukaku (29), der zu den Gutverdienern gehört, könnte ebenfalls im Sommer wieder bei Chelsea aufschlagen, es gibt also sehr viele Personalien zu klären. 

Die Planungen hinsichtlich des Kaders werden also zunächst einmal verschoben. Das ist nicht gut, denn Geschwindigkeit und Timing bei Transfers sind wichtige Elemente. Zumal Chelsea in diesem Sommer nicht einfach so das Geld aus dem Fenster werfen kann, kluge Investitionen sind nötig, noch dazu braucht es Einnahmen. Ein neuer Trainer bringt auch neue Ideen mit und so stehen bei genauer Betrachtung mindestens zehn bis zwölf Spieler mit einem Fuß bei einem anderen Klub. Könnte es chaotisch werden? Ja!

Welche Nachfolgekandidaten gibt es für die Blues?

Aktuell übernimmt erst einmal Bruno Saltor (42) die Mannschaft. Er ist der Interimstrainer. Wie lange das der Fall ist, kann noch nicht abgesehen werden. Chelsea ließ offen, ob noch im Verlauf der Saison oder erst im Sommer ein neuer Cheftrainer auf der Bank sitzen wird. Das wird auch von der Verfügbarkeit der Optionen abhängig sein. Der heißeste und offensichtlichste Kandidat scheint Julian Nagelsmann (35) zu sein. Chelsea hat Interesse am Ex-Trainer des FC Bayern, der seinerseits kürzlich entlassen wurde. Aber: Noch gab es keine Gespräche. Und beide müssten sich erst einmal intensiv austauschen, was bei der Taktung der Spiele aktuell nicht ganz einfach ist.

Ein weiterer Kandidat ist, wie die Bild am Montag berichtete, Oliver Glasner (48). Der Österreicher steht noch bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag (bis 2024), ist aber immer wieder Bestandteil einiger Wechselgerüchte. Mit ihm soll sich Chelsea schon im Spätsommer 2022 beschäftigt haben. Ebenfalls aktuell zur Verfügung stehen Trainer wie Mauricio Pochettino (51), Luis Enrique (52) oder Zinedine Zidane (50). Zu ihnen gibt es aber aktuell keine konkrete Verbindungen. Klar ist, dass Chelsea in diesem Fall gut beraten wäre, eine überlegte und keine schnelle Entscheidung zu treffen. Wo das hinführen kann, hat Eigentümer Boehly ja schon miterlebt. 

(Photo by JUSTIN TALLIS/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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