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Darum muss Harry Kane Tottenham im Sommer 2023 verlassen

9. März 2023 | Spotlight | BY Jannek Ringen

Harry Kane ist einer der besten englischen Stürmer aller Zeiten, könnte allerdings ohne großen Titel durch seine Karriere gehen und damit unvollendet bleiben. Immer wieder kommen Wechselgerüchte auf. Muss Kane den Schritt zu einem neuen Klub wagen?

Harry Kane ist bei Tottenham bereits eine Legende

Am Mittwochabend verabschiedeten sich die Tottenham Hotspurs gegen Milan aus der Champions League. Damit ist auch die letzte Titelchance der Spurs in dieser Saison gestorben und die Durststrecke geht weiter. Zuletzt gewann man 2008 den Ligapokal, seitdem konnte der Verein keinen Titel holen. Auf eine Meisterschaft warten die Fans seit 1961. Das anhaltende Ausbleiben von Titeln ist vor allem für einen Spieler ein Grund, den Club zu verlassen. Harry Kane (29), einer der größten englischen Stürmer aller Zeiten, hat in seiner Karriere noch keinen Titel geholt.

Harry Kane durchlief bei den Tottenham Hotspur einige Jugendmannschaften und gehörte schließlich seit Sommer 2013 zum festen Bestandteil des Kaders der Nordlondoner. Seinen Durchbruch hatte Kane in der Saison 2014/15, als er in 34 Ligaspielen 21 Tore in der Premier League erzielte und entscheidender Faktor in der Saison der Spurs war. Die ursprünglich etablierten Stürmer Roberto Soldado und Emmanuel Adebayor hatten mit großen Leistungsschwankungen zu kämpfen und so wurde der damals 21-jährige Kane zum absoluten Leistungsträger in der Mannschaft. Nach dieser Saison wurde Kane nicht von wenigen als das klassische „One-Season-Wonder“ verschrien.

Mittlerweile dürfte klar sein, dass das Gegenteil der Fall ist. In 423 Spielen für Tottenham erzielt er 268 Tore und löste erst kürzlich Vereinslegende Jimmy Greaves als besten Torschützen aller Zeiten in der vereinsinternen Rangliste ab. Zudem steht er aktuell bei 201 Treffern in der Premier League und befindet sich auf Platz drei hinter Wayne Rooney (208 Tore) und Alan Shearer (260 Tore). Nicht auszuschließen, dass Harry Kane sich irgendwann als bester Torschütze der Premier League Geschichte feiern kann. Schon jetzt ist er jedenfalls eine bedeutende Vereinslegende in der Geschichte der Spurs.

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Titelchance mit den Three Lions

Seit der Weltmeisterschaft 2018 ist Harry Kane Kapitän der englischen Nationalmannschaft und bedankte sich bei Trainer Southgate für das Vertrauen mit dem goldenen Schuh für die meisten Tore beim Turnier in Russland. Kane ist der offensive Fixpunkt der Engländer und eine Führungspersönlichkeit auf und neben dem Platz. Viele Spieler blicken zu ihm auf und in einem Team, das fast vor Talent zu platzen droht, ist er einer der absoluten Chefs. Die Sehnsucht nach einem Titel könnte Kane also auch mit der englischen Nationalmannschaft stillen, gerade aufgrund der hochbegabten Zulieferer.

Ein Titel mit den Three Lions würde sein Standing ebenfalls sehr deutlich erhöhen. Die Engländer warten seit der WM 1966 auf einen Erfolg bei einem großen Turnier und konnten auch dank dem Angreifer in den vergangenen Jahren wieder mehr Hoffnung schöpfen. Bei der Weltmeisterschaft 2018 scheiterte man im Halbfinale an Kroatien, 2022 war im Viertelfinale gegen Titelverteidiger Frankreich Schluss. Immer noch schmerzen dürfte das verlorene Finale der Europameisterschaft 2021 im heimischen Wembley gegen Italien. Bei all diesen Turnieren führte Kane die Mannschaft als Kapitän auf den Rasen. Was fehlt, ist auch hier die Vollendung.

(Photo by Julian Finney/Getty Images)

Die Gefahr der unvollständigen Karriere

Dreimal Torschützenkönig in der Premier League, dazu bester Torschütze der Weltmeisterschaft 2018: An individuellen Trophäen mangelt es Harry Kane definitiv nicht. Da Fußball allerdings ein Mannschaftssport ist, fällt die Bewertung über den 29-Jährigen insgesamt unterschiedlich aus. Gerade die letzten Jahre  werden begleitet von Wechselgerüchten. Manchester United, Manchester City und der FC Bayern galten und gelten als mögliche Abnehmer. Zudem sind sich viele Experten einig, dass der Angreifer einen Klubwechsel vornehmen müsse, um sich ein paar Titel ans Revers heften zu können.

Einen Titel mit den Tottenham Hotspurs zu holen, gestaltet sich derzeit schwierig. In der Liga gibt es eine Reihe von Teams, die entweder individuell besser oder in ihrer gesamten Entwicklung weiter sind. International ist ein Titel, zumindest in der Champions League, äußerst unwahrscheinlich, obwohl das Team 2019 das Finale erreichte. Die Möglichkeit nach einem Titel besteht auch in einem der beiden Pokal Wettbewerbe in England, allerdings tun sich die Spurs hier gewohnt schwer. Zuletzt schied man im FA-Cup bei Zweitligist Sheffield United aus.

Noch dazu erwecken die Spurs dieser Tage nicht den Eindruck, eine Einheit zu bilden und geschlossen an den hohen Zielen zu feilen. Rund um Trainer Antonio Conte gibt es mehr Berichte über Abgangsszenarien als inhaltliche Aussagen, wie die Zukunft gestaltet werden soll. Der Kader muss schon wieder umgebaut werden, das Verpassen der Champions League droht – und ein weiteres, verlorenes Jahr?



England, Spanien oder Deutschland – was sind die Optionen?

Da stellt sich automatisch die Frage, wohin es Kane im Fall der Fälle ziehen könnte. Einen abschlussstarken und mitspielenden Stürmer hätte wohl jeder europäischer Topverein gerne in seiner Mannschaft. Und sein Vertrag läuft im Sommer 2024 aus. Welche Optionen bieten sich für Harry Kane? Im Sommer 2021 führte eine nur kurzzeitig heiße Spur wie erwähnt zu Manchester City und Pep Guardiola. Ein Transfer kam nicht zustande, jetzt spielt ein gewisser Haaland bei den Skyblues.

Für einen Titel in der Premier League müsste es zu einem weiteren Big-Six-Team gehen. Arsenal fällt aufgrund der Rivalität zu Tottenham raus aus der Verlosung, ähnlich wie der FC Liverpool, der sich im vergangenen Sommer mit Darwin Nunez einen teuren Stürmer geholt hat. Wären da noch Chelsea und Manchester United. Chelsea hat in dieser Saison bereits Unsummen für Neuzugänge ausgegeben und in ihre Transferpolitik passen derzeit eher jüngere Spieler. Kane wäre wahrscheinlich trotzdem ein interessanter Kandidat für die Blues, jedoch ist der Wechsel eher unwahrscheinlich. In England ist die Option Manchester United auf dem Papier wohl die realistischste. Allerdings gilt bei den Spurs das Credo, den Angreifer nicht innerhalb der „eigenen“ Liga zu verkaufen.

Das führt aber zu einem neuen Problem: Außerhalb der Premier League gibt es wenige Klubs, die sich das Gesamtpaket leisten könnten. Selbst bei einem Jahr Restvertrag dürfte der Spieler nicht für weniger als 70 Millionen Euro wechseln. Mit dem obligatorischen Handgeld, Beraterhonoraren und einem hohen Jahressalär steht schnell ein Gesamtpaket von 130 Millionen Euro für drei Jahre in den Büchern. Der FC Bayern gilt als interessiert, hat aber mit Eric Maxim Choupo-Moting verlängert und weist die Gerüchte von sich. Und sonst? Real Madrid, FC Barcelona, PSG? Bei all diesen Klubs gibt es große Zweifel, ob Kane der richtige Spieler wäre respektive realisiert werden kann.

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Fazit: Für einen Titel muss Kane die Spurs verlassen

Nach dem Aus gegen Milan wirkte Kane resigniert. Unter dem Strich steht wieder ein Jahr ohne Titel, die Stimmen, die nach seiner Zukunft fragen, werden nicht leiser. Medienberichten zufolge stockten die Vertragsverhandlungen zunächst, ehe die Spielerseite doch wieder die Tür öffnete. In einer Phase, in der Tottenham gute Ansätze zeigte. Aktuell drohen aber der Verlust des Trainers und der „Trostpreis“ Europa League, was wiederum gleichbedeutend mit einer finanziellen Limitation wäre. Es ist realistischer, dass die Spurs von Umbruch zu Umbruch schlingern, als mit Kontinuität und klugen Investitionen zurück in die Spur finden.

Für Kane stellt sich eine Grundsatzfrage: Wird er zur Spurs-Legende und nimmt in Kauf, eben nicht die goßen Titel zu gewinnen oder will er seine Karriere nicht ohne Silberware beenden? Im zweiten Fall muss ein Wechsel her. Und zwar im Sommer 2023. Ein solcher Spieler sollte nicht komplett unvollendet bleiben. Das Dilemma dabei ist aber weiterhin die geringe Schnittstelle zwischen Teams, an die Tottenham den Engländer abgeben würde und Klubs, die sich das Gesamtpaket leisten und wollen. Es bleibt also kompliziert.

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Jannek Ringen

Sozialisiert durch die Raute von Thomas Schaaf, gebrochen durch den Abstieg unter Florian Kohfeldt. Fußball in Deutschland ist sein Fachgebiet, aber immer mit einem Blick in England und Italien.


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