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Premier League | Manchester City unantastbar? Die Suche nach den Schwachstellen

10. August 2023 | Spotlight | BY David Schöngarth

Vorschau | In der vergangenen Saison krönte sich Manchester City nach langem Warten zum Champions-League-Sieger und gewann das Triple. Trotz einigen Abgängen im Sommer hat der Kader der Cityzens kaum Schwachstellen. Bleibt City auch in der kommenden Saison unantastbar? Unsere Vorschau zum amtierenden Meister.

Manchester City: Der Champions-League-Fluch ist besiegt

Die Premier League gilt als stärkste Liga der Welt. Hier tummeln sich finanzielle Schwergewichte, aufstrebende Vereine und internationale Superstars. Trotzdem war die Meisterschaft auf der Insel in den letzten Jahren eine ziemlich klare Angelegenheit. Fünf der letzten sechs Spielzeiten ging der Titel an Manchester City, zuletzt drei Mal in Serie. Das Team von Pep Guardiola zählt seit Jahren zur unangefochtenen Weltspitze. Dennoch war der Hunger im blauen Teil Manchesters in den letzten Jahren nie gestillt. Denn das große Ziel, die Champions-League-Trophäe, entging den Cityzens Jahr für Jahr auf manchmal mehr, manchmal weniger tragische Art und Weise. Spätestens nach dem Last-Minute-Aus gegen Real Madrid in der Saison 2021/22 machte der Begriff “Fluch” für Man City in der Champions League immer mehr die Runde. Diesen Fluch hat die Mannschaft von Pep Guardiola in der vergangenen Saison aber endgültig besiegt, gewann nicht nur Premier League und FA Cup, sondern setzte sich nach einem 1:0-Finalsieg gegen Inter Mailand mit dem Champions-League-Titel die europäische Vereinskrone auf.



Insofern ist es durchaus berechtigt, die vergangene City-Saison als Abschluss einer Ära und die Neue als Beginn zu verstehen. Das wirft natürlich einige Fragen auf: Kann City die erlangten Titel verteidigen? Sich spielerisch vielleicht sogar nochmal verbessern? Oder ist man möglicherweise vom eigenen Erfolg übersättigt? Gibt es das “business as usual” in der Premier League für City überhaupt noch, mit Blick auf die wachsende Konkurrenz? Manchester City ist und bleibt das Maß aller Dinge. Wer die Cityzens auf Platz eins tippt, braucht sich vor niemandem zu erklären. Doch ist City wirklich so unantastbar, wie es scheint?

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Der Umbruch im Kader

Symbolisch für das beschriebene Ende einer Ära bei City nach der vergangenen Saison verließen zwei namhafte Leistungsträger der letzten Jahre den Verein in diesem Sommer, andere könnten noch wechseln. Hier sticht Ilkay Gündogan (32) hervor, der bis zuletzt Kapitän und Herzstück der Mannschaft war. Sein ablösefreier Wechsel zum FC Barcelona dürfte City besonders schmerzen, und ob Guardiola den Deutschen ersetzen kann, ist noch unklar. Im Mittelfeld hat City bisher Mateo Kovacic (29) vom Liga-Rivalen Chelsea verpflichtet. Aktuell baggern die Cityzens zudem an Lucas Paqueta (25) von West Ham und wären bereit, fast 80 Millionen für den Brasilianer auszugeben. Auch Riyad Mahrez (32), eine Säule des Erfolgs in der Premier League in den vergangenen Jahren, verließ die Skyblues kürzlich in Richtung Saudi-Arabien. Von dort gibt es auch Offerten für Bernardo Silva (28), Aymeric Laporte (29) könnte ebenfalls noch wechseln. Bis vor kurzem sah es außerdem noch danach aus, als befände sich Rechtsverteidiger Kyle Walker (33) auf dem Sprung in die Bundesliga zum FC Bayern München – daraus wird aber nun offenbar nichts. Walker hat sich für einen Verbleib bei City entschieden, befindet sich mit seinen 33 Jahren jedoch bereits im fortgeschrittenen Fußballer-Alter und muss langfristig ersetzt werden. Gleiches gilt für Spielmacher Kevin De Bruyne (32), der natürlich genau wie Walker noch auf Top-Niveau spielt, perspektivisch gesehen aber innerhalb der nächsten Jahre ersetzt werden muss.

Ilkay Gündogan im Trikot von Barcelona.

Ein ungewohnter Anblick: Ilkay Gündogan wechselte im Sommer zum FC Barcelona und wird im City-Mittelfeld vermisst werden. (Photo by PAU BARRENA/AFP via Getty Images)

Selbstverständlich machen diese (potenziellen) Abgänge nur einen kleinen Teil des City-Kaders aus. Darin befinden sich immer noch Stammspieler wie Rodri (27), Ruben Dias (26), Jack Grealish (27) oder Erling Haaland (23), die auf ihren Positionen zur absoluten Weltspitze zählen und langfristige Verträge bei City haben. Es ist eben ein schleichender Umbruch bei City, die in den letzten Jahren zudem ein glückliches Händchen auf dem Transfermarkt bewiesen haben. Auch in diesem Jahr hat City wieder zugeschlagen und sich für eine mutmaßlich Rekordsumme die Dienste von Josko Gvardiol (21) gesichert. Der Kroate wechselt von RB Leipzig und zählt zu den größten Abwehrtalenten der Welt. Er kann sowohl als Linksverteidiger als auch als linker Innenverteidiger eingesetzt werden, zeichnet sich durch seine besonders große Ballsicherheit und seine Fähigkeiten im Spielaufbau aus und dürfte damit perfekt zu Guardiola passen. Der 21-Jährige, der mit dem Transfer zum teuersten Abwehrspieler aller Zeiten aufsteigt, zählt zu den Blockbuster-Transfers des laufenden Wechselfensters.

Die ohnehin schon exzellent bestückte Defensive der Cityzens wird somit um ein Talent ergänzt, das das Potenzial zur Weltklasse hat. Und auch davor ist City trotz des Abgangs von Gündogan stark aufgestellt. Dazu kommt noch, dass der letztjährige Neuzugang Kalvin Phillips (27), der vergangene Saison nur magere 600 Minuten in 21 Einsätzen sammelte, in der kommenden Spielzeit ein Faktor sein könnte. Von Citys Qualität im Sturm in Person von Erling Haaland muss gar nicht angefangen werden. Nach Mahrez’ Abgang ist eine Lücke auf den Flügeln aufgegangen, die City aber noch bis Ablauf des Transferfensters Ende August füllen kann. Kritik am Kader der Cityzens ist Meckern auf hohem Niveau, die Schwachstellen sind rar. Und mit Gvardiol hat sich City noch einmal qualitativ und in der Breite enorm verstärkt.

Josko Gvardiol

Hat das Potenzial, ein Weltklasse-Verteidiger zu werden: Josko Gvardiol. (Photo by Martin Rose/Getty Images)

Sind die Cityzens den Erfolg nicht langsam satt?

Der Kader einer Mannschaft kann noch so gut sein, ohne den nötigen Titelhunger, der die Spieler den letzten Schritt gehen lässt, ist Erfolg nicht garantiert. Motivation schien bei City in den letzten Jahren, trotz der Meisterschaften in Serie, kein Problem zu sein. Aber da hatte das Team von Pep Guardiola auch noch nicht die Champions-League-Trophäe in der Hand gehalten. Für die City-Spieler dürfte der 10. Juni der größte Tag ihrer bisherigen Vereinskarriere gewesen sein. Keiner von ihnen hatte vorher die Champions League gewonnen. Sich nach diesem Erfolg aufzuraffen und mit dem selben Hunger erneut anzugreifen? Das ist nicht leicht. Die Vorstellung, dass bei einigen der City-Spieler im Kopf ein paar Prozent fehlen werden ist nicht weit hergeholt. Und es wäre im übrigen überaus menschlich, sollte es letztendlich so kommen. Wobei ähnliche Gedanken zu City schon nach den Premier-League-Titeln der letzten Jahre geäußert wurden, auf die das Team von Pep Guardiola nur mit einer abermaligen Leistungssteigerung antwortete.

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Trotzdem gibt es eine Welt, in der Manchester City zum Saisonstart erst einmal wieder die Systeme hochfahren muss und den eigenen Erfolgshunger wiederfinden muss. Bis dahin können andere aufstrebende und wiedererstarkte Teams Druck ausüben auf den amtierenden Meister – so zum Beispiel der Vizemeister Arsenal oder Newcastle.

Die Premier League wird immer stärker

Lange hieß der größte Konkurrent von Manchester City um den Premier-League-Titel Liverpool. Und obwohl die Reds von Jürgen Klopp die abgelaufenen Saison auf dem enttäuschenden fünften Platz beendeten und im Meisterschaftskampf keine Rolle spielten, war der Weg zur Meisterschaft für City kein Spaziergang. Lange Zeit duellierten sich die Cityzens nämlich mit Arsenal um die Meisterschaft. Erst im Saisonendspurt ging den Gunners schließlich die Puste aus. Es ist davon auszugehen, dass Arsenal auch in der kommenden Saison City das Leben schwer machen wird. Zumal die Gunners ihren Kader durch die Sommer-Verpflichtungen von Declan Rice, Jurrien Timber und Kai Havertz noch einmal enorm verstärkt haben. Den ersten Sieg über das Team von Guardiola konnten die Gunners bereits im Community Shield, dem englischen Supercup feiern.

Arsenal Manchester City

Letzte Saison zog Arsenal gegen City den Kürzeren, in der kommenden Saison wollen die Gunners wieder angreifen. (Photo by JUSTIN TALLIS/AFP via Getty Images)

Und dann wäre da ja noch besagter FC Liverpool, der in der kommenden Saison wieder angreifen will. Auch Manchester United hat den Blick nach einer soliden ersten Saison unter Erik ten Hag nach oben gerichtet. Die neureichen Magpies aus Newcastle wollen auch ein Wort mitreden an der Tabellenspitze. Und auch Tottenham und Chelsea könnten nach einem großen Umbruch im Sommer wieder gefährlich werden – zumal die Spurs ohnehin ein Angstgegner Citys sind. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Premier League wird immer stärker, die klassischen “Big Six” gibt es in der Form kaum noch. Ob Manchester City da das Meisterschafts-Abo der letzten Jahre ungestört fortführen kann oder nicht mit mehr Konkurrenz und Wettbewerb rechnen muss, darf zumindest infrage gestellt werden. Letztendlich bleibt City aber erst einmal das Maß aller Dinge. Ob der Nimbus der Unantastbarkeit in Zukunft schwindet, wird sich schon bald zeigen.

(Photo by JUSTIN TALLIS/AFP via Getty Images)

David Schöngarth

Aufgewachsen mit Grafite, Luca Toni und Co. entfachten Gareth Bale und Mauricio Pochettinos Spurs in David eine Leidenschaft für die Premier League. Interessiert sich für alles, was auf der Insel vor sich geht. Seit 2022 bei 90Plus.


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