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Newcastle United: Sportswashing at its finest?

10. Juni 2023 | Spotlight | BY 90PLUS Redaktion

Spotlight | Newcastle United mauserte sich innerhalb zweier Saisons von einem Abstiegskandidaten zum Champions-League-Teilnehmer. Für den modernen Fußball ein Beispiel par excellence, da reicht ein Blick nach Paris oder Manchester. Doch für Fußballromantiker ist es nur ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur reinen Kapitalisierung des Sports. Wie weit darf die Einflussnahme eines Staates, in diesem Fall Saudi-Arabien, auf einen Verein gehen?

Newcastle United spielt nach 21 Jahren Abstinenz wieder Champions League. Ein großer Erfolg für die Mannschaft von Trainer Eddie Howe, der seit November 2021 die Geschicke der Spieler lenkt. Howe machte sich in England bereits beim AFC Bournemouth einen Namen und stieg mit dem Club 2015 zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die Premier League auf. Nun ist er also der Vater des Erfolges von Newcastle – doch der Club hat nicht nur ein Elternteil, welches ihn vom Abstiegskampf in die Königsklasse führte.

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Staatsfond als Geldgeber – gängige Praxis oder fragwürdige Übernahme?

Die Rede ist von einem saudischen Konsortium, das den Verein für umgerechnet rund 360 Millionen Euro aufkaufte. 80 Prozent der Anteile am englischen Traditionsverein wurden dem Staatsfond PIF zugeschrieben, welcher unter dem Einfluss des Kronprinzen Mohammed bin Salman steht. Apropos Tradition – gegründet wurde der Club bereits 1881 unter dem Namen Stanley FC. Es hätte eine ruhmreiche Geschichte auf den Verein warten können, stattdessen wurde er wie so manch anderer englischer Club an einen privaten Investor verhökert.

Den Fans schien dieser Umstand nichts ausgemacht zu haben. Als der Verkauf verkündet wurde, sangen viele: „Wir steigen ab mit einer Milliarde auf dem Konto.“ Der Abstieg erfolgte nicht, sondern der rasche Aufstieg in internationale Gefilde. Coach Howe und sein Team machten gegen Leicester City die Königsklasse klar. Der 45-Jährige sagte nach der Partie: „Man muss immer hoffen und träumen, aber wir hatten das Gefühl, dass wir nach dem Abstiegskampf noch nicht so weit waren“. Gehofft und geträumt haben die Magpies – aber auch clever mit den saudischen Millionen eingekauft. Es stellt sich die Frage, ob ein so rasanter Höhenflug auch ohne das große Geld möglich gewesen wäre.

Newcastle United: Transfersumme verdoppelte sich um das Dreifache

Am Ende der ersten Saison nach dem Einstieg des Investmentfonds stand Newcastle United auf einem soliden elften Tabellenplatz. Vor der Übernahme sah die Sache noch ganz anders aus, United war am 11. Spieltag Anfang November ein direkter Abstiegskandidat. Doch die neureichen Engländer nutzten die saudischen Millionen gut. In der Saison 21/22 holte United 13 neue Spieler. Verstärkt wurde der Kader nicht nur mit Spielern auswärtiger Ligen, auch die Premier League und Championship dienten als Einkaufsmeile für Newcastle.

Die Gesamtkosten beliefen sich auf 130,50 Millionen Euro – klingt zunächst nach nicht viel, im Vergleich dazu, was andere Premier-League-Clubs pro Transferfenster ausgeben. Doch in der Saison zuvor gab Newcastle gerade einmal 39 Millionen für neue Spieler aus, ein Bruchteil von dem, was mit dem Scheich-Geld möglich gemacht wurde.

(Photo by Stu Forster/Getty Images)

Im Sommer-Transferfenster vor der Saison 2022/23 legte das Management dann noch eine Schippe drauf. Ganze 185,35 Millionen Euro ließen die Magpies auf dem Transfermarkt. Teuerster Neuzugang war Alexander Isak, den Kenner der Bundesliga noch aus seinen Zeiten bei Borussia Dortmund in Erinnerung haben dürften. Dort konnte er allerdings nie so richtig Fuß fassen und wechselte zu Real Sociedad. Für Newcastle spielte Isak wettbewerbsübergreifend in 29 Partien, erzielte elf Tore und steuerte zwei Vorlagen bei.

Der 23-Jährige steht wie viele andere Neuzugänge für den Umbruch bei Newcastle United und mauserte sich zu einem echten Führungsspieler. Wertvollster Spieler der Mannschaft ist derzeit Bruno Guimarães, der Brasilianer besitzt einen Marktwert von 60 Millionen Euro und ist seit Januar 2022 in der Mannschaft. Der 25-Jährige ist auch einer der Spieler, die nach dem Verkauf von Newcastle an den saudischen Investmentfond den Weg nach England gefunden haben.

Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien weiterhin extrem

So weit, so gut. Doch was Saudi-Arabien mit dem Verein vorhat, könnte als Paradebeispiel für Sportswashing gesehen werden. Der Begriff beschreibt den Versuch eines Landes, durch Sport oder Sportevents sein Image bei der internationalen Bevölkerung aufzupolieren. Ein Exempel dafür war die WM in Katar. Die Regierenden des Landes hatten die von vornherein als sehr kritisch angesehene Weltmeisterschaft dafür genutzt, sich der internationalen Bevölkerung als weltoffen und freigeistig zu präsentieren.

Die Wahrheit sieht anders aus – so auch bei den neuen Besitzern von Newcastle United. In einem Report von Amnesty International vom 28. März 2023 wurde aufgeführt, dass sich die EU besorgt über den starken Anstieg der Zahl der Hinrichtungen äußerte. Zudem kritisierten die westlichen Länder die Verstöße gegen die Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie den Einsatz von Reiseverboten. In Saudi-Arabien wird weiterhin die Todesstrafe vollstreckt, zudem werden systematisch Menschenrechtsaktivisten und Aktivistinnen inhaftiert und in Haft schikaniert.



Die Verantwortlichen von Newcastle United scheinen die Vorwürfe rund um das konservative Land gekonnt zu ignorieren oder sie werden aufgrund der Finanzspritze in Kauf genommen. Der Einzug in die Champions League mag für den Verein sowie die Fans ein Anlass sein, die fragwürdigen Praktiken der neuen Besitzer zu dulden. Eine Investition in Fußballclubs ist seit Jahren eine mehr oder weniger respektierte Praxis. Im Falle des staatlichen Investmentfonds und der herrschenden Politik in Saudi-Arabien dürfte davon ausgegangen werden, dass eine Image-Aufpolierung mit Sicherheit eine Rolle beim Kauf gespielt hat. Das Erreichen der internationalen Plätze ist dennoch ein achtenswerter Erfolg – der aber ohne die Millionen aus Saudi-Arabien so nicht möglich gewesen wäre.

Autorin: Magdalena Schwaiger

(Photo by -/AFP via Getty Images)


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