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Darwin Nunez | Großes Versprechen, oft unglücklich: Wann explodiert der Liverpool-Stürmer?

17. Dezember 2023 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Im Sommer 2022 verpflichtete der FC Liverpool Stürmer Darwin Nunez von Benfica. Rund 80 Millionen Euro war der Uruguayer den Reds wert. Mit dieser Transfersumme ging auch eine hohe Erwartungshaltung einher. 

Eine gewisse Zeit der Akklimatisierung wurde dem Stürmer zugestanden. Ein neues Umfeld, eine neue Liga, ein neues Spielsystem: Die Anforderungen veränderten sich. Eineinhalb Jahre später entsteht trotz solider Statistiken der Eindruck, dass die Akklimatisierungsphase noch nicht abgeschlossen ist. Und das führt zu einer ganz entscheidenden Frage: Folgt die Leistungsexplosion des Angreifers überhaupt noch und wenn ja, wann?

Darwin Nunez: Vorschusslorbeeren en masse

Rückblick, Saison 2021/22: Benfica spielt im zweiten Gruppenspiel in der UEFA Champions League gegen den FC Barcelona. Im Angriff des portugiesischen Traditionsklubs spielen Roman Yaremchuk und ein gewisser Darwin Nunez, Trainer ist der erfahrene Jorge Jesus. Die Katalanen gehen an diesem Abend mit 0:3 baden, weil eben jener Nunez einen Doppelpack erzielt und die gesamten 86 Minuten, die er auf dem Feld verbringt, ein Störfaktor ist. Es war die Saison, in der er den Durchbruch in Europa hinlegte, in der er insgesamt 34 Tore erzielte und vier weitere vorlegte. Der Uruguayer spielte gut, sehr gut sogar. Und stand schnell auf den Notizzetteln europäischer Topklubs. 



Im Profigeschäft muss man schnell sein, wenn ein Spieler andeutet, dass er „durch die Decke“ gehen kann. Der FC Liverpool war im Sommer 2022 schnell, umgarnte den Angreifer, zeigte ihm mögliche Perspektiven auf. In einem Sommer, in dem der Angriff nach den Abgängen von Divock Origi und Sadio Mané eine gewisse Umstrukturierung erfahren sollte, war er für 80 Millionen Euro der Königstransfer. Schon eine Saison zuvor wurde Luis Diaz verpflichtet, der der Angriffsreihe ebenfalls ein neues Element hinzufügte. Darwin Nunez sollte nun das entscheidende Puzzleteil werden, mit seiner Physis, seiner Dynamik und seinem unbändigen Willen schien er wie geschaffen für den kloppschen Spielstil. Die Hoffnungen, die auf ihm ruhten, waren sehr groß, die Vorschusslorbeeren ebenso. 

Eine Debütsaison mit Höhen und Tiefen 

Wie eingangs bereits erwähnt: Eine gewisse Zeit der Akklimatisierung muss einem jedem Spieler gewährt werden. Das gilt natürlich auch für Darwin Nunez beim FC Liverpool. In der Vorbereitung auf seine Debütsaison wurden Ansätze bereits deutlich, aber auch einige Aktionen, die sich sofort in den sozialen Medien verbreiteten. Der Spieler hat ein besonderes Talent dafür, aussichtsreiche Abschlussaktionen kläglich zu vergeben. Das zog sich ohnehin durch die gesamte Saison, immer wieder tauchte er relativ frei vor dem Tor auf, verzog aber komplett und brachte einfachste Bälle nicht im Tor unter. 

Nunez Liverpool

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

Nur, um dann wieder einen Treffer aus möglichst spitzem Winkel oder hohem Gegnerdruck zu erzielen. Die Diskrepanz in seinen Aktionen war immens, aber jeder konnte erkennen, warum Liverpool so viel Geld für ihn bezahlt hat. Bei Transfers geht es immer auch um das Potenzial, das eine Rolle für die endgültige Ablösesumme spielt. Am Ende der Saison 2022/23 stand der Uruguayer bei 15 Toren und vier Vorlagen in 42 Spielen, flog einmal mit einer glattroten Karte vom Feld. Das war keine Bilanz eines Königstransfers, aber eben auch keine schlechte. 

Nunez: Das falsche Abstempeln & Rückfälle in vergangene Zeiten

Fußball ist ein (zu) schnelllebiges Geschäft. Deswegen überraschte es nicht, dass Darwin Nunez von einigen Medien bereits abgestempelt wurde, nachdem seine erste Saison vorüber war. Direkt zu Beginn der laufenden Saison strafte er die Kritiker lügen. Allen voran am dritten Spieltag, als er gegen Newcastle United im Topspiel mit einem Doppelpack zum 2:1-Sieg des FC Liverpool beitrug. Auch hier zeigte sich die Schnelllebigkeit wieder deutlich: Plötzlich drehte der Wind, die mediale Berichterstattung vollzog einen Perspektivwechsel und dem Uruguayer wurde nun der sofortige Durchbruch, die Leistungsexplosion zugetraut. Das war Ende August.

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Jetzt, Mitte Dezember, ist man natürlich schlauer als damals. Der Blick auf die Statistiken zeigt, nüchtern betrachtet, dass die Evolution, die zu Saisonbeginn beobachtet wurde, nicht fortgeführt werden konnte. 23 Spiele, sieben Tore, sieben Vorlagen: All das liest ich nicht schlecht. Aber noch immer dominieren die kurzen Clips vergebener Torchancen gegenüber Huldigungen, weil Nunez ein Spiel für den LFC entschieden hat.

In hervorragende Abschlusspositionen kommt er häufig. 13 Tore aus 23.47 xG brachte der Uruguayer in der Premier League zustande, seitdem er bei den Reds unterschrieb. Das sind mehr als zehn Tore weniger als eigentlich erwartet. Große Stürmer mit großer Effizienz übertrumpfen die erwarteten Tore eigentlich. Es kommt faktisch einfach zu wenig dabei herum, wenn der 24-Jährige auf das Tor des Gegners schießt.

Folgt die Explosion des Angreifers noch?

Die Zeit der Ausreden ist allmählich vorbei, die Akklimatisierungsphase abgeschlossen. Er zeigte seine Qualität in vielen Spielen bereits, aber eben nicht konstant. Jetzt stellt sich automatisch die Frage: Folgt die Explosion überhaupt noch? Oder bleibt es dabei, dass der Angreifer zwar hervorragende Anlagen hat, aber die Konzentrations- und Effizienzprobleme den großen Durchbruch verhindern?

Mut macht, dass eigentlich fast alle Statistiken für ihn sprechen. Knapp neun Ballberührungen im gegnerischen Strafraum pro 90 Minuten, über vier Schüsse pro Partie, über drei chancenerzeugende Aktionen, 0,27 Vorlagen, was für einen Stürmer ein guter Wert ist und sogar 0.69 xG pro Partie (!): Die Zahlen lügen nicht. Hier ist er überall zu den vier, fünf besten Prozent der Mittelstürmer zu zählen. Nur bei den Toren eben nicht. Wenn diese Diskrepanz bald noch behoben werden kann, wird am Saisonende anders über den 24-Jährigen gesprochen. 

(Photo by OLI SCARFF/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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