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Premier League 2024/25: Wie gut sind die Aufsteiger gerüstet?

11. August 2024 | Spotlight | BY Michael Bojkov

Am kommenden Freitagabend startet die Premier League in ihre neue Spielzeit. Neu mit an Bord: Der FC Southampton und Leicester City, die beide den direkten Wiederaufstieg geschafft haben. Mit Ipswich Town feiert zudem ein Traditionsverein die lang ersehnte Rückkehr ins englische Oberhaus. Wer ist wie gut gerüstet? Wir haben die drei Aufsteiger unter die Lupe genommen. 

Ipswich Town und der unverhoffte Durchmarsch

Mit Ipswich Town ist einer der ältesten und traditionsreichsten Fußballklubs Englands zurück in der Premier League. 22 Jahre ist es her, dass die leidenschaftliche Anhängerschaft in Ipswich, zu der auch Sänger Ed Sheeran gehört, letztmals Erstliga-Fußball zu sehen bekam. Nun gelang der doch eher unverhoffte Durchmarsch von der dritten Spielklasse bis in die Premier League. Und die vorab wichtigste Nachricht: Die Aufstiegsmannschaft ist in ihrem Kern zusammengeblieben. Rechtsaußen Wes Burns und Kreativposten Conor Chaplin (21 Torbeteiligungen letzte Saison) sollen auch in der Premier League für Gefahr sorgen, genau wie der dritte Mann in der offensiven Dreierreihe, Linksaußen Nathan Broadhead (16 Torbeteiligungen), der den Saisonstart jedoch verletzungsbedingt verpassen wird.



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Entscheidenden Support werden sie von ihrem extrem laufstarken Linksverteidiger Leif Davis erhalten, dem letzte Saison ganze 18 Torvorlagen gelangen – Rekord für einen Verteidiger in der Championship. Auch die verlässliche Doppelsechs aus Massimo Luongo and Sam Morsy ist dem Klub aus der Grafschaft Suffolk im Osten des Landes erhalten geblieben. Fluktuation im Kader gab es dennoch. Genauer gesagt stehen elf Abgängen sieben Neuzugänge gegenüber, zu denen auch Torhüter Arijanet Muric (kommt von Burnley), Rechtsverteidiger Ben Johnson (West Ham) und der vielversprechende 23-jährige Innenverteidiger Jacob Greaves (Hull City) zählen. Von Liam Delap (ebenfalls Hull City) verspricht man sich mehr Torgefahr auf der Stürmerposition, zudem wurde der technisch begabte und gegen den Ball intensive Rechtsaußen Omari Hutchinson fest von Chelsea verpflichtet.

Die wichtigste Unterschrift des Sommers wurde derweil auf das Arbeitspapier des Trainers gesetzt: Noch im Mai verkündete Ipswich Town die Vertragsverlängerung mit Erfolgscoach Kieran McKenna, was für die mittlerweile fast wieder erfolgsverwöhnten Anhänger der „Tractor Boys“ einem weiteren Meilenstein gleichkam. Der 38 Jahre junge Fußballlehrer hatte das Ruder im Dezember 2021 übernommen, und von da an ging es steil bergauf. McKenna erhielt zahlreiche Angebote von anderen Klubs, darunter auch aus der Premier League – selbst Chelsea soll sich nach dem Nordiren erkundigt haben. Er entschied sich, die Erfolgsstory in Ipswich weiterzuschreiben und will von seinem intensiven, auf hohem Pressing und Umschaltmomenten basierenden Spielstil auch in der Premier League nicht abrücken. 

Ob und inwiefern er damit auch gegen die besten Mannschaften des Landes Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Sowohl von außen als auch klubintern herrscht Konsens darüber, dass der Aufstieg ins Oberhaus eigentlich zu früh kam, die Mannschaft noch nicht reif genug ist. Zuzutrauen wäre ihr der Klassenerhalt aber – und er sollte nach zwei Aufstiegen in Folge auch niemanden ersthaft überraschen. Ein Sprung ins kalte Wasser ist das Abenteuer Premier League für die Beteiligten aber allemal – und wie kalt: Zum Auftakt geht es direkt gegen Liverpool, ehe am 2. Spieltag Meister ManCity auf Kieran McKenna und seine Mannschaft wartet. 

Leicester City: Zum (Ver)kaufen gezwungen

Man könnte meinen, in Leicester sei die Welt wieder in Ordnung. Nach dem direkten Wiederaufstieg in die Premier League herrscht jedoch weitestgehend Pessimismus beim Sensationsmeister von 2016. Denn nach den Feierlichkeiten im Mai – diesmal im Unterhaus – kamen mehr schlechte als rechte Nachrichten. Die erste davon am 3. Juni, als der Klub verkünden musste, dass Meistertrainer Enzo Maresca die Foxes nach nur einem Jahr verlässt und zum FC Chelsea wechselt. Und mit ihm der wichtigste Spieler der vergangene Saison, Kiernan Dewsbury-Hall, wie rund einen Monat später bekannt wurde. Leicester war und ist aufgrund der Finanz- und Nachhaltigkeitsregeln der Premier League zu weiteren Spielerverkäufen gezwungen, auch, um selbst noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv zu werden.

So verlor der Klub aus den Midlands mit Dennis Praet, Marc Albrighton und Kelechi Iheanacho auch drei erfahrene Spieler. Immerhin: Die verloren gegangenen Premier-League-Minuten bekommt man zumindest ein Stück weit durch Bobby Decordova-Reid eingefangen, der von Fulham kommt und auf beiden Flügeln spielen kann. Dort verfügt Leicester mit Stephy Mavididi und dem 20-jährigen Abdul Fatawu Issahaku über zwei aufregende Spieler, deren Premier-League-Tauglichkeit jedoch erst unter Beweis gestellt werden muss. Dass der Schuh vor allem in der Offensive drückt, legten auch die drei Testspielniederlagen schonungslos offen, bei denen die Mannschaft kein einziges Tor erzielen konnte. Für das von Neutrainer Steve Cooper präferierte 4-2-3-1 fehlt ein klarer Zehner, zudem braucht Leicester einen neue Stürmer.

Jamie Vardy ist zwar auch im Alter von mittlerweile 37 Jahren für den einen oder anderen Treffer gut, wie seine 18 Saisontore in der Championship unterstrichen, allerdings macht sich auch bei der ewigen Vereinslegende das zunehmende Fußballeralter bemerkbar. Schon in der vergangenen Saison stand der Meistermacher von 2016 nur in der Hälfte der Spiele in der Startelf. Patson Daka fehlt der Killerinstinkt, um in die Rolle des verlässlichen Torjägers zu schlüpfen. Sein letztes Pflichtspieltor datiert aus dem Februar. Immerhin: Nach Wochen des Stillstandes scheint sich endlich auch in Leicester wieder etwas auf dem Transfermarkt zu tun. So wollen die Foxes angeblich Wilfried Zaha zurück in die Premier League holen. Der langjährige Stürmer von Crystal Palace würde zumindest ein Fragezeichen beseitigen. 

Auch mit 37 Jahren noch immer für ein Tor gut: Jamie Vardy.

Auch mit 37 Jahren noch immer für ein Tor gut: Jamie Vardy. (Photo by Marc Atkins/Getty Images) (Photo by Marc Atkins/Getty Images)

Die größten Hoffnungen im Kampf gegen den erneuten Abstieg liegen derweil in der Hintermannschaft. Cooper legt großen Wert auf defensive Stabilität und Kompaktheit – und verfügt hierzu auch über die passenden Spieler. Mit Ricardo Pereira, Jannik Vestergaard, Wout Faes, Victor Kristiansen und James Justin stehen gleich fünf Verteidiger im Kader, die zwar zur Abstiegsmannschaft gehörten, teilweise aber schon über mehrere Jahre hinweg ihre Premier-League-Tauglichkeit unter Beweis gestellt haben und zudem hauptverantwortlich dafür waren, dass Leicester in der Championship in 46 Spielen lediglich 41 Gegentreffer kassierte. Innenverteidiger Caleb Okoli kommt aus der Serie A von Atalanta und stellt eine sinnvolle Ergänzung dar. Die Doppelsechs, voraussichtlich bestehend aus Harry Winks und Wilfred Ndidi, bringt ebenfalls jede Menge Erfahrung mit und dürfte auf der schwierigen Mission Klassenerhalt einen wichtigen Baustein bilden.

Guardiola-Vibes in Southampton

Nanu, ein Hauch von Pep Guardiola in den unteren Gefilden der Premier League? Tatsächlich war der FC Southampton in der vergangenen Saison so etwas wie das ManCity der Championship – zumindest in Sachen Spielkultur. Unter dem Schotten Russell Martin, der das Ruder nach dem Abstieg 2023 übernommen hatte, trumpften die Saints durch einen schön anzusehenden Ballbesitzfußball auf. 66 Prozent der Spielzeit war Southampton an der Kugel (Liga-Bestwert) und schoss mit 87 die drittmeisten Tore aller Teams, wenngleich der Aufstieg als Tabellenvierter erst über die Play-offs gelang. 

Toreschießen heißt auch das Mittel, das den erneuten Absturz in die Zweitklassigkeit verhindern soll. Bitter: Mit den Abgängen der von Che Adams und Stuart Armstrong gehen den Saints 15 Saisontore verloren. Die Hoffnungen ruhen daher umso mehr auf Adam Armstrong, der mit 21 Treffern zweitbester Torschütze in der Championship wurde. Für den 27-jährigen Stürmer geht es nun auch darum, die eigene Premier-League-Tauglichkeit unter Beweis zu stellen. Mit mickrigen vier Treffern in 68 Einsätzen verlief seine Zeit im englischen Oberhaus bislang nämlich alles andere als verheißungsvoll.

Erzielte auch den Goldenden Treffer im Play-off-Finale gegen Leeds: Adam Armstrong

Erzielte auch den goldenen Treffer im Play-off-Finale gegen Leeds: Adam Armstrong. (Photo by Alex Pantling/Getty Images)

Unterstützung soll er dabei von Ben Brereton Diaz erhalten, der für 8,3 Millionen Euro fest vom FC Villarreal verpflichtet wurde und in Martins 4-3-3-System für den linken Flügel eingeplant ist. Ohnehin waren die Südengländer sehr aktiv auf den Transfermarkt, verpflichteten neben dem chilenischen Offensivmann unter anderem auch Burnleys Linksverteidiger Charlie Taylor. Zur Freude aller Fanherzen kehrt zudem Adam Lallana nach zehn Jahren in Liverpool und Brighton zu seinem Jugendklub zurück. Der mittlerweile 36 Jahre alte Mittelfeldmann soll zusammen mit dem laufstarken und torgefährlichen Will Smallbone die Doppelacht bilden.

Spannend und gleichzeitig mit einer gewissen Sorge wird zu beobachten sein, inwiefern Trainer Martin seine sehr offensive Spielweise an die Premier League anpassen wird. Schon in der Aufstiegssaison führte das permanent hohe Pressing dafür, dass Southampton ganze 54 Tore aus dem Spiel heraus kassierte – drittschwächster Wert in der Championship. Beispiele aus vergangenen Jahren haben zudem gezeigt, dass sich schwächere Mannschaften mit einem Ballbesitz-orientierten Ansatz in der Premier League schwertun. Logisch, schließlich hat man es im Oberhaus mit deutlich anderen Kalibern zu tun. Auf diese Art und Weise sind Daniel Farke und Norwich City vor wenigen Jahren krachend gescheitert, auch Vincent Kompany musste mit Burnley in der vergangenen Saison schnell feststellen, dass Ballbesitz-Fußball nicht für den Premier-League-Keller erfunden wurde.

Eine gute Nachricht dahingehend ist, dass die Saints mit Kyle Walker-Peters, Jan Bednarek und Neuzugang Taylor über geballte Premier-League-Erfahrung in der Viererkette verfügen. Dazu spielte der bei City technisch hochveranlagte und von ManCity nach einjähriger Leihe fest verpflichtete Taylor Harwood-Bellis eine herausragende Saison und könnte im zarten Alter von 22 Jahren auch in der Premier League positiv auf sich aufmerksam machen. Klar ist dennoch: Für Martin und seine Mannschaft wird es, genau wie für die anderen beiden Aufsteiger, von Spieltag eins an ums nackte Überleben gehen. 

Text von Michael Bojkov

 (Photo by Stephen Pond/Getty Images)

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 im Team. Hat unter anderem das Champions-League-Finale 2024 und die darauffolgende Europameisterschaft vor Ort für 90PLUS begleitet.


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