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Premier League: So gut sind die Aufsteiger für die neue Saison gerüstet

8. August 2023 | Spotlight | BY Michael Bojkov

Die Premier League hat drei neue Gesichter: Burnley, Sheffield United und Luton Town haben den Aufstieg ins englische Oberhaus geschafft. Das primäre Saisonziel ist klar: der Klassenerhalt. Doch wie realistisch ist das? Wir blicken auf die Ausgangslage und drei doch sehr unterschiedliche Geschichten.

Burnley 2.0: Claret mit ein bisschen Skyblue

Mit 101 Punkten spielte der FC Burnley eine der besten Championship-Runden der Wettbewerbshistorie und sicherte sich auf eine beeindruckende Weise frühzeitig die Meisterschaft. Nach einjähriger Abstinenz nun also die Rückkehr in die Premier League, doch vom buchstäblich alten Burnley ist kaum noch etwas übrig. Die Mannschaft hat sich nicht nur stark verjüngt, sondern mit dem Abstieg im vergangenen Jahr auch auf spielerischer Ebene eine 180-Grad-Wendung vollzogen. Mit seinem Einstieg als Trainer im Juli 2022 strich Vincent Kompany (37) alsbald das Image der altbackenen Holzfällertruppe und implementierte einen Stil, der konträrer zum vorigen nicht hätte sein können.



Im Unterhaus trumpften die Clarets plötzlich mit einem herrlich anzusehenden Ballbesitzfußball auf. Busparken und lange Bälle sind Schnee von gestern am Turf Moor, Burnley 2.0 denkt proaktiv und besticht durch Positionsspiel sowie schnelle Ballstafetten. Mit Ashley Barnes (33) hat nun eines der ältesten Gesichter der Dyche-Dekade den Verein verlassen. Seinen Platz übernimmt mit Zeki Amdouni (22, kommt vom FC Basel) ein talentierter Stürmer aus der Schweiz, der mit wettbewerbsübergreifend 22 Saisontoren eine überzeugende Bewerbungsmappe abgibt.

Sportlich schwerwiegend ist derweil der Abgang von Nathan Tella (19). Der Topscorer der vergangen Saison (17 Tore, fünf Vorlagen) kehrte nach einjähriger Leihe zu Southampton zurück. Mit Innenverteidiger Ian Maatsen (Chelsea) verliert der Klub aus der Grafschaft Lancashire im Norden Englands einen weiteren wichtigen Leihspieler, immerhin: Eckpfeiler Jordan Beyer konnte fest verpflichtet werden und mit Dara O’Shea (24, West Brom) kommt ein solider Zweitliga-Innenverteidiger, der einen Erfahrungsschatz von immerhin 28-Premier-League-Spielen mitbringt. Zudem konnte mit Torhüter James Trafford (20, ManCity) ein englischer U21-Europameister verpflichtet werden, dem eine große Zukunft vorausgesagt wird.

Eine Schlüsselrolle kommt derweil auf Josh Brownhill (27) zu. Der Sechser vereint Zweikampfhärte mit Spielgestalter-Qualitäten und ist das Herzstück der Mannschaft. In der abgelaufenen Ligasaison war der 27-Jährige an 15 Treffern direkt beteiligt, was für einen Spieler auf seiner Position ein außerordentlich starker Wert ist. Dazu ist er einer der wenigen Stammkräfte mit Premier-League-Erfahrung. In einer jungen, unerfahrenen Truppe wird er damit automatisch noch stärker in die Rolle des Anführers schlüpfen.

Jung und unerfahren – so lauten Burnleys neue Attribute. Aber es sind nicht die einzigen: Die Clarets zeichnet dank Kompany ein klares taktisches Konzept aus, mit dem es auch – das jedenfalls ist der Plan – in der Premier League klappen soll. Daniel Farke wählte 2019 als Aufsteiger mit Norwich City eine ähnliche Herangehensweise und zahlte viel Lehrgeld. Kompany will es besser machen – und darf das zum Saisonauftakt ausgerechnet gegen Ex-Klub ManCity und Lehrmeister Pep Guardiola unter Beweis stellen (Freitag, 21 Uhr). Ein Abenteuer, das mit nostalgischen Geschichten beginnt – und im Klassenerhalt mündet?

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Sheffield United: Zum Überleben gezwungen 

Als Tabellenzweiter sicherte sich auch Sheffield United den direkten Aufstieg in die Premier League und kehrt damit nach zwei Jahren ins Oberhaus zurück. Das Ziel lautet Überleben – und das um jeden Preis. Eine wirtschaftliche Schräglage zwingt den Traditionsverein mit dem ältesten noch aktiv genutzten Fußballstadion der Welt, der Bramall Lane, praktisch zum Klassenerhalt. Doch die Aufgabe wird schwer. Mit den finanziellen Problemen einhergehend sorgte eine Transfersperre bis zuletzt dafür, dass die Blades so gut wie keinen Spielraum auf dem Transfermarkt hatten. Weil man auf die Einnahmen angewiesen war, wurde Schlüsselspieler Iliman Ndiaye (23) nach Marseille verkauft. Mit 14 Toren und zehn Vorlagen trug er maßgeblich zum Aufstieg bei. Ihn adäquat zu ersetzen, gleicht einer Herkulesaufgabe.

Umso mehr ist Sheffield fortan von Oliver McBurnies (27) Trefferlaune abhängig. Unterstützung sollte der zweitbeste Schütze der Vorsaison (13 Tore) von Neuzugang Beni Traore (20, BK Häcken) bekommen, der mit zwölf Toren in 14 Spielen die schwedische Allsvenskan aufmischte. Auch neu im Team ist Aston Trusty (24, Arsenal), der die alternde Defensive verstärken soll. Nennenswerte Transfers sind sonst rar gesät und es bleibt abzuwarten, inwieweit die Ndiaye-Einnahmen überhaupt noch in den Kader reinvestiert werden können. Der hat neben McBurnie mit Spielern wie John Egan (30), Oliver Norwood (32) und George Baldock (30) zwar durchaus Premier-League-Erfahrung, kann qualitativ aber kaum mit anderen Mannschaften mithalten.

(Photo by Graham Chadwick/Getty Images)

Wie real die Chancen auf den Klassenerhalt sind, wird auch maßgeblich davon abhängen, ob Sander Berge (25) bleibt. Der Norweger ist Balltreiber und Initiator in Paul Heckingbottoms (46) 3-4-3 und ein absoluter Unterschiedsspieler. Laut The Athletic befindet sich Berge in fortgeschrittenen Gesprächen mit Burnley. Sollte Sheffield ihn ausgerechnet an einen direkten Konkurrenten verlieren, wird es düster an der Bramall Lane. Aber auch mit Berge an Bord wird es von Spieltag eins bis 38 einzig und allein ums Überleben gehen.

Luton Town: Vom Non-League football bis in die Premier League 

Irgendwo gleicht es ja einem wahnsinnig kitschigen Märchen: Das totgeglaubte Luton Town, das von den eigenen Anhängern vor dem Bankrott gerettet wurde und binnen neun Jahren vom Amateurfußball über vier Ligen zurück ins Oberhaus kletterte. Der kometenhafte (Wieder-)Aufstieg ist jedoch kein Zufall, sondern das Resultat konstant herausragender Arbeit auf wie neben dem Platz. Auf dem Transfermarkt haben sich die Hatters – entgegen so manchen Aufsteigern aus der jüngeren Vergangenheit – im Niedrigpreissegment bedient und den ein oder anderen cleveren Einkauf getätigt. So kommt etwa Ex-ManUnited-Spieler Tahith Chong (23), der in der abgelaufenen Saison als Flügelspieler in Birmingham überzeugte, in Luton aber wohl als zentraler Mittelfeldspieler eingeplant ist. Dort ist auch Marvelous Nakamba (29) zuhause, der nach erfolgreicher halbjähriger Leihe fest von Aston Villa verpflichtet werden konnte.

Eine gute Nachricht für Luton ist zudem, dass die Schlüsselspieler gehalten werden konnten. Stürmer Charlton Morris (27) war mit 20 Toren und sieben Vorlagen der Garant für den Aufstieg, von ihm erhofft man sich in der Premier League eine ähnliche Treffsicherheit. Ein Unterschiedsspieler könnte auch Pelly Ruddock Mpanzu (30) werden, der schon seit neun Jahren im Verein ist und mit dem Aufstieg Geschichte schrieb: Als ersten Spieler gelang es ihm, mit ein und demselben Klub aus dem englischen Amateurfußball bis in die Premier League aufzusteigen. Für die Kabine ist der zweifache kongolesische Nationalspieler extrem wichtig, aber auch auf dem Platz könnte ihm eine tragende Rolle zuteil werden. Trainer Rob Edwards (40) legt großen Wert auf vertikales Spiel und zweite Bälle, mit seiner Physis und Zweikampfstärke ist Mpanzu dafür prädestiniert.

Edwards verfolgt eine klare Spielidee und verfügt dazu über eine eingespielte Mannschaft. Jedoch ist die Premier League für den Großteil der Spieler Neuland und es ist fraglich, ob sie dem gewachsen sind – sowohl mental als auch qualitativ auf dem Platz. Beispiele wie Bournemouth oder Sheffield United haben in der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass es auch als absoluter Underdog möglich ist, in der stärksten Liga der Welt zu überleben. Luton ist das auch zuzutrauen, doch dafür muss vieles, wenn nicht sogar alles stimmen. Auf dem Papier jedenfalls sind die Hatters der große Außenseiter.

(Photo by Richard Heathcote/Getty Images)

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 bei 90PLUS und vorwiegend in Spanien unterwegs.


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