Abstiegscheck der Premier League Teil 4: Furioses Everton, Nottingham unter Druck
22. Dezember 2023 | Spotlight | BY Lukas Heigl
Auch in dieser Saison wollen wir euch regelmäßig über die Geschehnisse im Abstiegskampf der Premier League auf dem Laufenden halten. Während es zu Saisonbeginn so aussah, als stünden die Absteiger früh klar, rutschte zuletzt eine weitere Mannschaft unerwartet mit in die Verlosung: Nottingham Forest. Dazu gab es die ersten Trainerentlassungen. Wie sich diese auf den Abstiegskampf auswirken werden, erfahrt ihr im Folgenden:
Everton FC – Ohne Punktabzug im Kampf um Europa
Wir beginnen mit einer Mannschaft, die sportlich nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben dürfte. Die „Toffees“ haben nach 17 Spielen starke 26 Punkte gesammelt und würden damit eigentlich auf Platz neun stehen, mit nur einem Punkt Rückstand auf Europa. Doch das tut die Mannschaft aus dem blauen Teil Liverpools nicht. Grund hierfür ist ein Abzug von zehn Punkten aufgrund von Vergehen gegen das englische Financial Fair Play.
Demzufolge dürfen die Vereine aus der Premier League in einem Zeitraum von drei Jahren einen Verlust von 105 Millionen Pfund machen. Everton hat diese Grenze um etwas mehr als 20 Millionen Pfund überschritten. Dass dem Verein eine Strafe bevorstehen würde, war klar. Dass diese jedoch so drastisch ausfallen würde war – vor allem im Hinblick darauf, dass Everton bei der Aufklärung vorbildlich mit den Behörden zusammengearbeitet hatte – kam dann doch überraschend.
Entsprechend groß war der Unmut unter den Fans, es wurde von Korruption gesprochen. Folgerichtig ging Everton dann auch juristisch gegen die Entscheidung vor. Ein endgültiges Urteil ist noch nicht gesprochen, es dürfte wohl auf eine Reduzierung der Strafe hinaus laufen. Spätestens wenn von den zehn Punkten am Ende noch vier oder sechs Punkte bestehen bleiben, hat Everton nichts mehr mit dem Abstiegskampf zu tun. Bereits jetzt hat man fünf Punkte Vorsprung, die dann auf knapp zehn anwachsen würden.
Nottingham Forest – Kann Nuno den Abstieg verhindern?
Eine Mannschaft, über die wir dieses Jahr erstmals im Zusammenhang mit dem Abstieg sprechen, ist Nottingham. Die „Reds“ hatten einen starken Transfersommer und erhöhten die individuelle Qualität, die bereits letzte Saison höher als die der meisten Konkurrenten war, durch Spieler wie Ibrahim Sangare (26) oder Nicolas Dominguez (25) weiter. Und dennoch läuft es, seit die beiden und noch vier weitere Spieler am Deadline Day zum Team stießen, überhaupt nicht mehr.
Unseren Artikel zum Deadline Tag von Nottingham findet ihr hier!
Nach dem Sieg am 02. September bei Chelsea (1:0), bei dem die neuen Spieler noch nicht dabei waren, kam in elf Spielen nur noch ein Erfolg zustande (2:0 gegen Aston Villa). Vor allem die Tatsache, dass man die gute Heimform der letzten Saison gänzlich verloren zu haben scheint, macht Sorgen. Holte Nottingham letzte Saison noch 30 Punkte in 19 Heimspielen, sind es diese Saison bisher nur acht Punkte in eben so vielen Spielen.
Ein Problem ist, dass Nottingham nach dem Abgang von Keylor Navas (37, war von PSG geliehen) im Tor nicht das nötige Niveau mitbringt. Egal ob Matt Turner (29) oder Odysseas Vlachodimos (29), man hat statistisch gesehen den schwächsten Keeper der Liga (die beiden kassierten bisher zusammen sechs Tore mehr als bei einem durchschnittlichen Torhüter erwartbar wären).
Und so war es ein Stückweit folgerichtig, dass Trainer Steve Cooper (44) am Dienstag seinen Hut nehmen musste. Der Waliser war wie schon zu Beginn der letzten Saison von dem sehr großen Kader (32 Spieler) überfordert, er hatte bis zuletzt weder die beste Aufstellung noch die beste Formation gefunden. Ging man noch mit einem 3-4-2-1 in die Saison, probierte Cooper nach vier Spielen eine Viererkette aus, nur um seine Formation wieder zu einem 3-5-2 umzubauen zu werden.
Nachfolger ist Nuno Espirito Santo (49), der bereits seinen dritten Job in der Premier League erhält. Am defensiven Ansatz im 3-5-2 wird sich wenig ändern, allerdings gilt Santo als hervorragender Motivator, was gerade kurzfristig zu Erfolg führen dürfte. Abzuwarten bleibt, wie der Portugiese, der nach Stationen bei Wolverhampton und Tottenham zuletzt in Saudi-Arabien gearbeitet hatte, mit dem großen Kader zurechtkommt.
Luton Town – Barkley in neuer Rolle ein Kandidat für Southgate?
Sportlich gut lief es hingegen zuletzt für Luton Town. Lediglich die Ergebnisse blieben aus. Nach einem 2:1-Sieg gegen Crystal Palace verlor man dreimal in Folge knapp gegen individuell deutlich überlegene Teams. Nach einem 1:3 bei Brentford unterlag man Arsenal und Manchester City jeweils nur mit einem Tor Unterschied. Gegen die „Gunners“ fiel der entscheidende Treffer sogar erst in der Nachspielzeit. Nimmt man noch die Spiele gegen Liverpool (1:1) und Tottenham (0:1) mit rein, lässt sich festhalten, dass die „Hatters“ besonders zu Hause durchaus mit jedem Team aus der Liga mitspielen können.
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Hauptverantwortlich für die stabilen Leistungen – auch auswärts lässt man sich kaum einmal abschießen – sind zwei Namen: Thomas Kaminski (31) und Ross Barkley (30). Während Kaminski in seiner ersten Premier-League-Saison als Shotstopper einer der besten Torhüter der Liga ist und Luton bereits den ein oder anderen Punkt gerettet hat, blüht Barkley in neuer Rolle komplett auf.
Der Engländer, zuletzt bei Nizza in Frankreich unter Vertrag, kam im Sommer ablösefrei nach Luton. Dort agiert er anders als in der Vergangenheit nicht mehr auf der Zehn, sondern deutlich defensiver auf der Doppelsechs. Dadurch, dass neben ihm mit Marvelous Nakamba (29) ein Sechser klassischer Bauart spielt und er zusätzlich durch drei Innenverteidiger abgesichert wird, hat Barkley dabei sämtliche Freiheiten, sich ins Angriffsspiel einzuschalten.
Und dies macht er hervorragend. Durch seine Technik, körperliche Präsenz und raumgreifenden Schritte ist er bei seinen Läufen durchs Zentrum kaum zu stoppen. Gegen City leitete er so den Führungstreffer ein, indem er gleich drei Gegner auf einmal aussteigen ließ. Kann er diese Form konservieren, sollte Barkley im März wieder ein Kandidat für die englische Nationalmannschaft sein, für die er bereits 33-mal aufgelaufen war.
Abzuwarten sein wird, wie sich die Ereignisse aus dem letzten Spiel auf die Mannschaft auswirken. Die Partie bei Bournemouth wurde beim Stand von 1:1 abgebrochen, da Kapitän Tom Lockyer (29) auf dem Rasen zusammengebrochen war. Bereits in den Playoffs der Championship im vergangenen Sommer war dies dem Waliser widerfahren.
Sheffield United – Bringt der Trainerwechsel etwas?
Das erste Team, das in diesem Jahr in der Premier League seinen Trainer gewechselt hat, waren die „Blades“ aus Sheffield. Paul Heckingbottom (46) musste nach zwei Pleiten in Folge gegen direkte Konkurrenten (1:3 gegen Bournemouth und 0:5 gegen Burnley) seinen Posten räumen. Für ihn übernahm Chris Wilder (56). Ein alter Bekannter, hatte der Engländer den Verein doch schon von 2016 bis 2021 trainiert und von der dritten in die erste Liga geführt.
Die Trennung 2021 verlief dann jedoch äußerst unschön. Wilder stritt sich öffentlichkeitswirksam mit Besitzer Abdullah bin Musad bin Abdul Aziz al-Saud (58), der nach Einschätzung von Wilder damals zu wenig in den Kader investierte und hauptverantwortlich für den drohenden Abstieg gemacht wurde. Inzwischen sind, wie der saudische Prinz immer wieder betont, sämtliche Differenzen ausgeräumt, lauf Aziz al-Saud ist Wilder einer der feinsten Menschen auf diesem Planeten.
Sportlich läuft es auch unter Wilder nur bedingt gut, was allerdings auch am schweren Spielplan lag. Die ersten Spiele des neuen Coaches waren gegen Liverpool (0:2), Brentford (1:0) und bei Chelsea (0:2). Zwei Anpassungen gab es jedoch bereits. Neben der Umstellung auf eine Viererkette hat Wilder einen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu seinem Schlüsselspieler erkoren. Andre Brooks (20) stand unter Heckingbottom bereits einige Male im Kader und wurde auch zweimal eingewechselt, unter Wilder stand der vielseitig einsetzbare Mittelfeldmann in allen drei Spielen in der Startelf und zeigte stabile Leistungen. Er könnte durchaus ein Spieler sein, mit dem ein möglicher Klassenerhalt der „Blades“ eng verbunden wäre.
Burnley FC – Nur gegen Mitaufsteiger stark
Ganz eng dürfte es für die „Clarets“ aus Burnley werden. Die Mannschaft konnte zwar in den fünf Spielen seit dem letzten Artikel vier Punkte holen, doch das lag in erster Linie am Spielplan. Gegen Sheffield United (5:0) konnte man den zweiten Saisonsieg einfahren, zum zweiten Mal gelang ein Erfolgserlebnis gegen einen Mitaufsteiger. In diesen Duellen gegen Mannschaften, die individuell auf Augenhöhe sind, erkennt man, dass der spielerische Ansatz durchaus ein guter ist.
Das Problem ist, dass das Team von Vincent Kompany (37) gegen alle anderen Mannschaften der Liga in einen Modus verfällt, der zum Scheitern verurteilt ist: Man spielt weder das aggressive Ballbesitzspiel aus der Championship, noch hat man ein destruktives Defensivspiel im Arsenal. Und so kommt es, dass Burnley gegen Teams, die letzte Saison bereits Premier League gespielt haben, bisher nur zwei Punkte holen konnte.
Ein Lichtblick ist, dass einzelne Spieler sich zuletzt besser an das Niveau gewöhnen konnten. James Trafford (21) hielt dem Team in Brighton (1:1) erstmals mit seinen Paraden einen Punkt fest, der deutsche Legionär Jordan Beyer (23) entwickelt sich langsam zum dringend benötigten Abwehrchef, und besonders Wilson Odobert (19) ist eine der positiven Überraschungen dieser Saison. Der junge Franzose, der vor der Saison für zwölf Millionen Euro aus Troyes kam, schien im Sommer noch mindestens zwei Jahre von der Premier League entfernt zu sein. Doch bereits jetzt ist er fester Bestandteil der Rotation, bringt das gewisse Etwas mit und hat auch bereits zwei Treffer auf seinem Konto. Hier könnte Burnley einen echten Coup gelandet haben – allerdings nur, wenn man die Klasse hält. Ansonsten dürfte Odobert bereits im Sommer wieder weg sein.
(Photo by Michael Regan/Getty Images)
Lukas Heigl
Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert