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Tausend und eine Milliarde: Saudi-Arabien – Gefährliche Konkurrenz für Europa?

29. Juni 2023 | Spotlight | BY Magdalena Schwaiger

Spotlight | Es vergeht in diesem Transfersommer kaum ein Tag, an dem nicht einer der Superstars des internationalen Fußballs mit einem der 16 Vereine in der Saudi Pro League in Verbindung gebracht wird. Etliche große Namen wie Christiano Ronaldo oder Karim Benzema sind dem Ruf der Saudis bereits gefolgt. Ist die saudische Liga eine ernsthafte Konkurrenz für Europa? 

Auf Ronaldo folgte Benzema, auf Benzema dann Kante, auf Kante …

Saudi-Arabien: Das neue Land der unbegrenzten Möglichkeiten? In den Geschichtsbüchern steht, dass die saudische Liga bereits 1975/76 in ihre erste Saison ging. Verglichen mit den europäischen Topligen, an denen sich das internationale Geschäft gerne messen lässt, ist die Liga gar nicht so jung, wie es vielleicht den Anschein hat. International spielten die Saudis lange keine Rolle – weder im Transfergeschehen noch bei den Weltmeisterschaften. Rekordsieger der Liga ist der Verein Al-Hilal aus Riad, welcher sich in den vergangenen Wochen einen Namen machte, da sie sich Chelsea-Star Kalidou Koulibaly schnappten – der bestimmt als Kind schon in Al-Hilal-Bettwäsche geschlafen hat.

Es sind vor allem die „Old-Stars“, die es in die Ferne zieht. Der Transfer-Hammer von Cristiano Ronaldo (38), der aber bestimmt auch in Europa noch ein paar Jährchen auf Top-Niveau hätte spielen können, brachte die saudische Pro League das erste Mal so richtig ins Gespräch. Nach seiner Vertragsauflösung mit Manchester United, wo der raketenhafte Aufstieg von CR7 im Jahr 2003 begann, war der 38-Jährige sogar ein paar Monate vereinslos. Da kam das Angebot von Al-Nassr um die Ecke, und was für ein Angebot das war! Laut verschiedenen Medienberichten erhält Ronaldo von den Saudis ein Jahresgehalt von 200 Millionen Euro und soll als Botschafter dem Königreich helfen, das angeschlagene Image des Landes aufzupolieren.

Apropos angeschlagenes Image: Die Verpflichtung von international angesehen Topstars wie Ronaldo, Karim Benzema (35) oder auch N’Golo Kante (32) , der sich Benzema angeschlossen hat und einen Vertrag bei Al-Ittihad unterzeichnete, dürfte für Image-Zwecke des Königreiches dienlich sein.



Für Sportswashing nimmt Saudi-Arabien alles in Kauf – oder kauft einfach alle

Laut Amnesty International werden in dem von einem Königshaus regierten Land immer noch Menschen, die für das Recht auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit demonstrieren,  systematisch verhaftet, gefoltert oder unterdrückt. Zudem wird in Saudi-Arabien immer noch die Todesstrafe verhängt, gerne auch gegen Regimekritiker und Kritikerinnen. Das muslimisch dominierte Land unterdrückt die Rechte von Frauen und Mädchen immer noch systematisch.

Das alles ist international bekannt – und trotzdem entscheiden sich immer mehr Größen des europäischen Fußballs ihren sportlichen Lebensabend in Saudi-Arabien zu verbringen. Dass die schier unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten dabei eine Rolle spielen, steht außer Frage. Cristiano Ronaldo verdreifachte sein Gehalt nahezu, schoss in der Liga in 16 Spielen bereits 14 Tore, doch eine sportliche Herausforderung kann die Saudi Pro League für den fünfmaligen Champions League-Sieger kaum sein.

Ronaldo Saudi-Arabien

(Photo by FAYEZ NURELDINE/AFP via Getty Images)

Sport als Propagandawerkzeug

Was also ist anders an der saudischen Liga? Vordergründig könnte man natürlich das finanzielle Argument anführen, doch die ganze Sache deutet sich vielschichtiger an, als auf den ersten Blick ersichtlich. Die Saudis sind gut darin, Kontakte zu knüpfen. In der Premier League haben sie dies schon eindrucksvoll bewiesen, da mit N’Golo Kanté, Hakim Ziyech (30), Kalidou Koulibaly (32) und Édouard Mendy (31) vier Spieler vom FC Chelsea in Richtung Wüste abwanderten oder dies noch tun werden.

Newcastle United beispielsweise steht seit Oktober 2021 unter dem Einfluss des saudischen Staatsfonds PIF, Vorsitzender ist kein anderer als der Kronprinz des Königreiches, Mohammed bin Salman (37). Derjenige Kronprinz, der das Ansehen seines Landes in der Welt deutlich verbessern möchte – auch mit Hilfe einer reformierten und moderneren Fußballliga.

Der Sport wird gerne als Propagandawerkzeug missbraucht, so war es schon unter den Nationalsozialisten in Berlin, bei den Olympischen Spielen 1972 in München oder bei der Weltmeisterschaft in Katar. Die Ambitionen von Saudi-Arabien und Katar unterscheiden sich jedoch. Der Staat will zur treibenden Kraft im Weltfußball werden. Mit dem Kauf des dreifachen Weltfußballers Cristiano Ronaldo ist ein erster Schritt dorthin bereits getan. Viele werden ihm folgen, davon ist auszugehen. Wann die ersten Talente oder auch Profis auf dem Höhepunkt ihrer Karriere nach Saudi-Arabien aufbrechen, lässt sich noch nicht absehen. Doch mit den Milliarden, die der Staat jetzt schon in die Modernisierung der Liga pumpt, wird dieser Schritt unausweichlich sein.

Saudi-Arabien FIFA

(Photo by GIUSEPPE CACACE/AFP via Getty Images)

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat sich auch in der Vergangenheit immer wieder mit FIFA-Präsident Gianni Infantino (53) gezeigt. Der Weltverband ist sehr daran interessiert, europäische Spitzen-Spiele ins Ausland zu vermarkten. Infantino genießt nicht den besten Ruf in der internationalen Gemeinschaft, ihm wird nachgesagt, den „Sport zu verkaufen.“ Der spanische Supercup fand nun schon zum dritten Mal in Saudi-Arabien statt. Auch die Spiele der FIFA-Klub-Weltmeisterschaften finden in der saudischen Hafenstadt Dschidda statt.

„Der Sport ist ein wichtiger Motor für Saudi-Arabiens fortschreitenden Umbruch im Rahmen des Plans Vision 2030, welches das Königreich als eines der am schnellsten wachsenden und für den Weltsport interessantesten Länder etabliert hat“, sagte Yasser Al Misehal, der Präsident des saudi-arabischen Fußballverbandes laut FIFA-Mitteilung.

Saudi-Arabien will das erreichen, was China nie geschafft hat

Beispiele für andere ehrgeizige Fußball-Projekte außerhalb der geschichtsträchtigen Ligen gibt es viele. Angefangen bei den Chinesen, die 1994 die Chinese Super League gründeten und große Ambitionen auf dem internationalen Fußballmarkt hegten. Natürlich konnte man einige große Namen nach Asien locken, darunter der österreichische Nationalspieler Marko Arnautovic oder die brasilianischen Dauerbrenner Oscar und Hulk. Auch Bundesliga-Größen wie Anthony Modeste oder Axel Witsel spielten im Laufe ihrer Karriere in China. Doch die Luftschlösser blieben Luftschlösser.

Doch jemanden wie Christiano Ronaldo können die Chinesen nicht in ihrem Portfolio vorweisen – und werden es wahrscheinlich auch nie. Das Saudi-Arabien so abgeschlagen und vergessen endet, wie die einstige Groß-Anpreisung der chinesischen Liga scheint unwahrscheinlich. Allein schon deshalb, weil der finanzielle Rahmen der Saudis noch einmal ein ganz anderer ist.

Was bedeutet der Aufschwung für den europäischen Fußball?

Cristiano Ronaldo könnte man als den Vorreiter derjenigen sehen, die in dieser Transferperiode nach Saudi-Arabien wechselten. Ihm schlossen sich jedoch auch eher Spieler an, die wie CR7 ein gewisses Alter erreicht haben oder aber in ihren Vereinen keine besonders große Rolle mehr spielten. Ein Karriereende bei einem altgedienten Traditionsverein in Europa war für diese Spieler keine Option. Doch wirklich gefährlich wird die saudische Liga dem europäischen Fußball erst einmal nicht werden.

Das Prestige, was es mit sich bringt, in den Top Five aufzulaufen und sich in Europa einen Namen zu machen, scheint zwar für einige Spieler nicht das erstrebenswerte Karriereende. Doch unter den Gesängen der Fans im San Siro, dem Bernabeu, im Camp Nou, an der Stamford Bridge, im Old Trafford oder dem Signal-Iduna-Park zu spielen, kann nicht mit Geld gekauft werden. Zur „Fußball-Rente“ in die Wüste zu gehen, scheint der neue Trend zu sein. Doch wie es so oft ist mit Trends, sie kommen und gehen.

(Photo by GIUSEPPE CACACE/AFP via Getty Images)

Magdalena Schwaiger

Magdalena Schwaiger

Interessiert an allem, was der Fußball zu bieten hat. Begeisterung für sportpolitische Themen und den FC Bayern - auch wenn da seit Jahren eine Menge Kritik mitschwingt.


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