Der ganz normale VARnsinn – Dezimiertes Tottenham erstmals besiegt

6. November 2023 | News | BY Steffen Gronwald

Zum Abschluss des 11. Spieltags empfing Tottenham seinen ehemaligen Übungsleiter Mauricio Pochettino mit seinen Blues zum Duell der Stadtrivalen. Dies konnte Chelsea in doppelter Überzahl mit 4:1 erst spät aber am Ende deutlich für sich gestalten.

Nach Traumstart: Fußballfest und VAR-Spektakel ein

Mit Spielbeginn versuchte Chelsea den Gastgeber früh unter Druck zu setzen. Allerdings gelang dies nur bedingt gut, denn es dauerte keine sechs Minuten ehe Tottenham deutlich zu viel Platz bekam. Über Maddison und Sarr wurde das Mittelfeld recht schnell überbrückt und Kulusevski auf der rechten Seite angespielt. Dieser zog in Richtung Tor und schloss vom Strafraumrand ab. Über Colwills Rücken fand der Ball schließlich über Umwege seinen Weg ins Tor – zu Halten gab es hier aufgrund des unglücklichen Abfälschens nichts. Für das Team von Mauricio Pochettino, bei dessen Rückkehr, ein früher Nackenschlag. Daraufhin entwickelte nun sich ein packendes Fußballspiel, samt VAR-Spektakel. Doch der Reihe nach:

Zunächst vergab Chelseas Jackson die große Gelegenheit zum Ausgleich. Nachdem sich der Mittelstürmer hervorragend durchgesetzt hat, scheiterte der Sommerneuzugang aus kurzer Entfernung an Schlussmann Vicario. Quasi im Gegenzug spielte Tottenham einen Konter wunderschön aus, den Son geschickt verwandelte. Doch die Fahne des Assistenten schnellte in die Höhe und der VAR bestätigte die knappe aber korrekte Entscheidung. Nach knapp 20 Minuten waren dann wieder die Blues an der Reihe. Ebenfalls nach einem Konter war es diesmal Raheem Sterling, der sich im gegnerischen Strafraum clever durchsetzen und zum vermeintlichen Ausgleich abschließen konnte. Doch auch hier schaute sich der VAR die Szene genau an und nahm das Tor zurück – Sterling war unmittelbar vor dem Abschluss mit dem Arm am Ball gewesen. Was für Verwunderung sorgte war jedoch, dass es nach einer klaren Tätlichkeit von Romero, in der Entstehung des vermeintlichen Ausgleichs, zu keinem Platzverweis und nicht einmal einer Verwarnung für den Argentinier kam. Dieser hatte nach einem Zweikampf eindeutig nachgetreten.

Nur weitere sieben Minuten später zappelte der Ball erneut im Netz, wieder traf Chelsea zum Ausgleich, wieder schaltete sich der VAR ein, wieder wurde das Tor aufgrund einer Abseitsposition aberkannt. Doch es wurde noch kurioser. In Entstehung des Treffers kam es zu einem Zweikampf im Strafraum zwischen Enzo und Romero. Letztgenannter wollte das Spielgerät klären, traf Enzo aber mit voller Wucht, ein Elfmeter unstrittig. Doch die persönliche Bestrafung war es, die das Stadion zum Kochen brachte, denn Schiedsrichter Michael Oliver zückte die rote Karte. Eine durchaus vertretbare Entscheidung. Den folgenden Strafstoß verwandelte Palmer mit etwas Glück, denn Vicario war mit den Fingerspitzen noch am Ball, konnte den fest getretenen Elfmeter aber nicht entscheidend abwehren.

(Photo by GLYN KIRK/AFP via Getty Images)

Drei Minuten später jubelte Chelsea schließlich ein viertes Mal, eine Hereingabe von Sterling konnte Jackson mustergültig über die Linie drücken, doch abermals bestätigte der VAR eine Abseitsposition und auch dieser Treffer wurde Chelsea aberkannt. Und für die Spurs kam es noch bitterer. Kurz vor der Halbzeit verletzten sich sowohl Maddison als auch van de Ven und mussten noch vor dem Gang in die Kabine ausgewechselt werden. Aus Sicht der Gastgeber war dies, nach dem Traumstart, eine Halbzeit zum Vergessen. Der neutrale Zuschauer fühlte sich dagegen bestens unterhalten!

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Chelsea dank doppelter Überzahl zum wichtigen Auswärtssieg

Die zweite Hälfte begann nicht weniger mitreißend als die erste beendet wurde. Beide Mannschaften schenkten sich nichts und es ging weiter hin und her. Nach einem Konter Chelseas und einer eigentlich katastrophalen Entscheidungsfindung von Raheem Sterling, schwächte sich Tottenham allerdings erneut selbst. Sterling, der mit einem ganz schwachen Passversuch eine Überzahlsituation vor dem Strafraum der Spurs liegen lies, ging seinem eigenen Fehlpass nach und wurde rustikal von Udogie von den Beinen geholt. Da dieser jedoch schon verwarnt war, folgte die Ampelkarte und Chelsea agierte von nun an in doppelter Überzahl. Wer jetzt aber dachte, dass sich das bis hierhin noch ungeschlagene Tottenham ausschließlich hinten einigeln würde, sah sich getäuscht. Die Spurs blieben sich treu und verteidigten grundsätzlich weiter auf hoher Linie. Dies ermöglichte Chelsea einige schnelle Tempogegenstöße, die aber allesamt ungenutzt blieben. Und wenn Chelsea sich mal am Strafraum der Gastgeber festsetzen konnte, verteidigten die Lilywhites das Ganze aufopferungsvoll.

Doch in der 75. Minute bestrafte Chelsea das weiter hoch stehende Spiel der Spurs. Sterling wurde kurz hinter der Mittellinie gekonnt in Szene gesetzt, dieser war für seine Gegenspieler deutlich zu schnell, drang in den Strafraum ein und legte dort auf Jackson quer. Der Stürmer brauchte den Ball nur noch hinter die Linie zu drücken und die mitgereisten Blues durften jubeln – ohne das ein Abseitspfiff ertönte. Noch während die Chelsea-Fans jubelten rutschte ihnen quasi im direkten Anschluss das Herz aber gehörig in die Hose. Nach einem Freistoß aus dem Halbfeld wurde der Ball auf Dier verlängert. Der eingewechselte Routinier nahm diesen aus spitzem Winkel per Volley und setzte den Ball unter die Latte. Die Jubelschreihe wurde allerdings im Keim erstickt, der Engländer stand knapp im Abseits. Es blieben die Standardsituationen nach denen Tottenham gefährlich wurde. Nach einer Freistoßflanke von der rechten Seite wurde der Ball von Pedro Porro immer länger. Am zweiten Pfosten kam Bentancur per Kopf an das Spielgerät, setzte dieses aber denkbar knapp am Tor vorbei. Von einer doppelten Überzahl Chelseas war nach der Führung nicht mehr viel zu sehen.

In der Nachspielzeit leisteten sich die Blues einen schweren Ballverlust in der eigenen Hälfte, sodass die Spurs das Spiel schnell machen konnten. Son wurde gut in Szene gesetzt und lief allein aufs Tor zu. Aus spitzem Winkel fand der Südkoreaner aber seinen Meister in Sanchez. Das hätte der Ausgleich sein müssen. Im direkten Gegenzug wussten die Chelsea dann das Spiel zuzumachen. Palmer schickte Gallagher, dieser legte im Strafraum auf Jackson quer und der Sommerneuzugang traf zum Doppelpack. Und es kam noch dicker für die Spurs, die weiter mit der letzten Linie auf Höhe der Mittellinie standen. Jackson wurde mit einem Befreiungsschlag geschickt, lief ohne Gegenwehr auf Vicario zu und stellte auf 4:1. Dass er in der 90.+9 das 5:1 hätte erzielen müssen, bleibt an dieser Stelle eine Randnotiz. Somit muss Tottenham nach einem total verrückten Fußballspiel seine erste Niederlage einstecken, hat sich aber bis zur letzten Sekunde aufopferungsvoll gewehrt und das Spielgeschehen in doppelter Unterzahl lange offen gehalten.

Das Spielschema im Überblick

Tottenham Hotspur: Vicario, Pedro Porro, Romero (33. rote Karte), van den Ven (45.+1 Emerson Royal), Udogie (55. gelb-rot), Sarr (61. Bentancur), Bissouma, Kulusevski (61. Skipp), Maddison (45.+1 Höjbjerg), Johnson (34. Dier), Son

Chelsea FC: Sanchez, James (77. Gusto), Disasi, Thiago Silva, Colwill (46. Cucurella), Caicedo, Enzo (58.Mudryk), Palmer, Gallagher, Sterling (90.+1 Ugochukwu), Jackson

Tore: 1:0 Kulusevski (6.); 1:1 Palmer (35. FE); Jackson (75.); 1:3 Jackson (90.+4); 1:4 Jackson (90.+7)

(Photo by Alex Pantling/Getty Images)

Steffen Gronwald

Steffen verfolgt primär den Vereinsfußball, fühlt sich im deutschen Ober- und Unterhaus zu Hause - verfolgt zugleich aber auch La Liga und die Premier League intensiv. Ob Offensivspektakel oder "park the Bus", fesseln tut ihn beides, zudem steht bei ihm auch der Schiedsrichter im Fokus. Seit 2016 bei 90PLUS.


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