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Tottenham vs ManCity | DAZN-Experte: „Mourinho einer der besten Trainer, den ich hatte“

24. April 2021 | Spotlight | BY Victor Catalina

Crunchtime auf der Insel! Am Sonntag treffen Tottenham und Manchester City im Carabao-Cup-Finale aufeinander. Dazu kämpfen Thomas Tuchel und Chelsea gegen Überraschungsmannschaft West Ham um das Ticket für die Champions League. Über all das haben wir ein Gespräch mit DAZN-Experte Sebastian Kneißl (38) geführt.

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DAZN-Experte Kneißl: „Kane war der Einzige, der sich immer zu Mourinho bekannt hat“

90PLUS: Fangen wir mit etwas relativ Aktuellem an: Nämlich der Entlassung von José Mourinho (58) bei Tottenham. Am Sonntag steht das Carabao-Cup-Finale gegen Manchester City an. Wie ist die Entlassung von Mourinho kurz vor diesem Endspiel zu bewerten? 

Seb Kneißl: Also, José Mourinho kenne ich aus meiner Zeit bei Chelsea und kann das eigentlich ganz gut einschätzen, was da in den letzten Wochen, Monaten und Jahren auch um seine Person passiert ist. Das ist für mich tatsächlich einer der besten Trainer, die ich je in meinem Leben hatte. Und dennoch entnehme ich eine Entwicklung, die ausbaufähig ist, leider Gottes.

 

Es ist ein offenes Geheimnis, dass er die Kabine zum Schluss nicht mehr hinter sich hatte. Harry Kane (27) war der Einzige, der sich öffentlich immer wieder zu ihm bekannt hat. Und das spricht für die fordernde Art, die José Mourinho an den Tag legt. Die hat er schon immer gehabt, da muss man auch mit umgehen können.

Ich hätte gedacht, dass es erst nach der Saison zu Ende geht. Dass es dann jetzt tatsächlich der Fall ist, da war ich doch ein bisschen überrascht. In dieser Woche kriegen wir sehr viele tolle Nachrichten, über die wir berichten dürfen. Aber in dem Fall finde ich es schade für den Trainer. Das ist aber meine persönliche Sichtweise. Aus Mannschaftssicht würde ich schon sagen, dass es jetzt wieder einen Impuls mit Ryan Mason (29) und mit Chris Powell (51) gibt, der neu ist und positiv zu bewerten ist. Für die Spurs sah es phasenweise auch ganz gut aus in dieser Saison.

Tottenham braucht Harry Kane, Harry Kane braucht Europa

90PLUS: Im Finale wird Tottenham wieder besonders auf das Duo aus Heung-min Son (28) und Harry Kane setzen. Aber besonders bei Kane ist alles andere als sicher, ob er nächste Saison überhaupt noch für Tottenham spielt. Wie siehst du den Fall, wird er versuchen im Sommer zu wechseln? Kane ist 27. Das ist das perfekte Alter, um den nächsten Schritt zu machen.

SK: Um noch einmal einen Teilbereich deiner vorherigen Frage aufzugreifen: Mourinho wurde für Titel geholt, für diese Investition ins neue Stadion. Da ist es klar, dass sie Titel brauchen, dass sie Champions-League-Qualifikationen brauchen. Sie müssen mindestens international spielen. Damit verbunden ist auch Harry Kane. Ich kann mir gut vorstellen, dass er sagt: International möchte ich auf jeden Fall spielen. Jetzt nur in der Europa League, das kann ich mir nicht vorstellen. Er ist ja Tottenham Hotspur. Er ist diese Lebensversicherung, mit seinen Toren, oftmals sehr wichtigen Toren. In Verbindung mit Son natürlich auch mit den Assists, die er gibt.

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Manchester City: „Kleines Formtief“ statt „falsch gecoacht“

90PLUS: Sprechen wir über den Gegner, Manchester City: Sie hatten zu Beginn des Jahres einen unfassbaren Lauf, hätten um ein Haar den Weltrekord des FC Bayern von 23 Pflichtspielsiegen in Folge eingestellt. Jetzt gab es zwei Niederlagen gegen ein Leeds in Unterzahl sowie das FA-Cup-Aus gegen Chelsea. Haben sie deiner Meinung nach zu früh den sechsten Gang eingelegt? Besonders eingedenk der Tatsache, dass das größte Spiel der Saison gegen PSG in der Champions League noch ansteht.

SK: Ich muss tatsächlich gestehen, ich habe Ende Januar, Mitte Februar gesagt, dass war sehr clever gemanagt, eben nicht nur am Anfang der Saison voll da zu sein, sondern genau in diesem Monat. Das sind für mich mit die wichtigsten Monate. Klar, in England hast du, logischerweise, um die Weihnachtszeit den Boxing Day. Das ist immer eine ganz spezielle Zeit, du brauchst die Ergebnisse. Dennoch fokussieren sich viele darauf: Kannst du wirklich den Februar und den März gewinnen? Jetzt haben wir aber April. Und ich glaube, da gibt’s zwei Niederlagen in sechs Spielen, wenn ich das so richtig im Kopf habe. Es ist ein kleines Formtief.

Dass – gerade im Mittelfeld – der ein oder andere Meter zu spät gemacht wird, also, zu spät am Gegenspieler zu sein, siehe Gegentreffer im FA Cup gegen Chelsea. Jorginho (29) wurde zu spät angelaufen, dann kam der Ball auf Christian Pulisic (22), der total blank stand und die Geschwindigkeit von Timo Werner (25) ist natürlich sehr schwierig zu verteidigen. Aber der Fehler wurde im Mittelfeld gemacht. Das, was sie alles vorher gut gemacht haben, diese kompakten Sachen, das ist im Moment etwas langsamer. Formtief, ich nenn das Formtief, ich nenne es jetzt nicht ein übergeordnetes Thema, dass man sagen muss „Falsch gecoacht“ oder „falsche Taktik gewählt“, sondern tatsächlich eher eine Formsache.

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Tuchel und Moyes: Zwei außergewöhnliche Trainer im Kampf um die Champions League

90PLUS: Kommen wir nochmal zur Premier League im Allgemeinen und vor allem zur Mannschaft der Stunde: West Ham United. Die haben letzte Saison noch gegen den Abstieg gespielt, jetzt sind sie auf Platz 4. Was macht die Mannschaft so besonders, gerade in dieser Saison?

SK: Da gibt’s so viele Themen, die sie ausmachen. Natürlich ist auch die Trainerpersonalie ganz spannend. In einem Podcast hab ich ihn (David Moyes, Anm. d. Red.) zu den fünf besten Trainern der Premier League gewählt – zurecht. Weil er eben einen fantastischen Job macht. Jetzt sprechen wir viel über Taktik, wir sprechen viel über abkippende Sechser in die Innenverteidigung, wir sprechen über einrückende Außenverteidiger. Das ist eher der klarere Plan des Trainers, den ich auf vielen Trainerplattformen verfolge und dessen Ansprachen ich mag. Die sind zwar etwas oldschool, etwas, nicht komplett oldschool, ich will ihn jetzt nicht ganz abstempeln, aber du weißt immer klar, was du zu machen hast, es sind etwas weniger Informationen, als möglicherweise unter Pep Guardiola (50) – und weniger Spielprinzipien. Dafür aber mit einer Mannschaft, die jetzt im Flow ist.

90PLUS: Um in die Champions League zu kommen, muss West Ham zuerst einen deiner Ex-Vereine hinter sich lassen: Chelsea. Noch im Januar sah es so aus, als wäre es eine Saison zum Vergessen, jetzt haben sie die realistische Chance auf das Double aus FA Cup und Champions League. Was gibt Thomas Tuchel der Mannschaft, was Frank Lampard ihr nicht, beziehungsweise nicht mehr geben konnte?

SK: In erster Linie Kommunikation. Das war tatsächlich ein Thema, das die Spieler gestört hat. Denn sie hatten gefühlt nicht genug Information erhalten, was sie machen sollen. Und Thomas Tuchel (47) hat das richtig geändert. Er hat eine Mannschaft vorgefunden, die sehr wissbegierig ist. Details, wie: Auf welchem Fuß spiele ich denn an? Das war – glaube ich im Hinspiel gegen Porto – Mason Mount (22), das war ja perfekt. Wir haben die Szene analysiert, nochmal dann auch im Rückspiel. Das Ganze so vorzubereiten, das war perfekt.

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Ich muss schon sagen, defensiv sind sie bockstark. Offensiv: deutlicher Optimierungsbedarf. Da fehlt es noch. Da ist noch zu wenig Explosivität drin. Aber er hat sie super stabilisiert mit diesem 3-4-2-1, das so schwer runterzubrechen ist. Ben Chilwell (24) über die linke Seite, Reece James (21) über die rechte Seite. N’Golo Kanté (30) und Jorginho. Mateo Kovacic (26) ist auch noch mit dabei, die zentral alles wegmähen. Defensiv, sehr, sehr schwierig. Ich selbst werde auch das Champions-League-Halbfinalhinspiel Real gegen Chelsea am Dienstag auf DAZN begleiten und bin sehr gespannt, wie viele Torschüsse Real bekommen wird.

Super League? „Gemach, wartet erstmal ab!“

90PLUS: Ein unangenehmes Thema muss ich trotzdem noch anreißen: Die Super League. Ich persönlich hab damit gerechnet, dass das Projekt irgendwann in sich zusammenfällt, aber nicht direkt nach zwei Tagen. Wie siehst du das und könntest du dir als Folge daraus so etwas wie 50+1 in England vorstellen, um die Macht der Besitzer einzuschränken?

SK: Ich war von Anfang an gar nicht so, wie viele andere, – wie soll ich sagen – pikiert oder sauer, dass diese Super League angeblich gestartet wird. Um das wirklich zu realisieren, da sind so viele Schritte nötig. Und natürlich hat die UEFA/FIFA noch ein Wörtchen mitzureden. Das ist alles Verhandlungssache. Deshalb dachte ich mir von Anfang an: Gemach, wartet erstmal ab. Das muss sich alles erst einmal regeln.

50+1, ja, um ehrlich zu sein, wenn es so bleibt, wie es jetzt aktuell ist, bin ich sehr zufrieden und würde es begrüßen. Denn eines muss man auch sagen: Wenn wir die 50+1-Regel einführen und dann Investoren sagen: jetzt springen wir wieder ab, sind einzelne Vereine auch ganz schnell in der Krise und daran sind auch immer Arbeitsplätze verbunden und das würde ich deshalb ungern sehen.

Bildquelle: DAZN

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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