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Scudetto-Kampf als Stadtmeisterschaft: Milan und Inter vor direktem Duell

19. Februar 2021 | Trending | BY Manuel Behlert

In der Serie A zeichnet sich dieser Tage ein ungewohntes Bild ab. Juventus führt die Tabelle nicht an und ist zurzeit auch nicht der Favorit auf den Scudetto. Die beiden Klubs aus Mailand stehen auf den ersten beiden Tabellenplätzen – und das zurecht. Am Sonntag kommt es zum direkten Duell.

  • Milan hat die Tabellenführung abgegeben
  • Inter: Keine Doppelbelastung – Vorteil im Titelkampf?
  • Ibrahimovic, Lukaku, Bennacer, Barella: Topspieler im Einsatz

Nach Milan-Patzer hat Inter die Nase vorn

Es wirkt schon etwas befremdlich, wenn Serienmeister Juventus nicht den Platz an der Sonne in Italiens Eliteklasse inne hat. Die Vecchia Signora patzte in dieser Spielzeit bislang zu häufig. Und endlich gibt es Klubs, die das nutzen konnten. Inter (50 Punkte) führt die Tabelle vor dem Stadtrivalen Milan (49) an. Juventus hat 42 Zähler auf dem Konto, aber auch noch ein Spiel in der Hinterhand. Dennoch: Angsteinflößend spielen die Bianconeri nicht. Juventus ist zu knacken, Inter und Milan wissen das. 

Umso wichtiger ist das direkte Duell zweier Mannschaften, die in dieser Saison sehr viel richtig machen. Lange führten die Rossoneri die Tabelle an, doch der überraschende Patzer bei Spezia (0:2) sorgte für einen Wechsel auf dem Fahrersitz in Richtung Scudetto. Inter schlug Lazio am Sonntagabend verdient mit 3:1, ließ dabei die Muskeln spielen und setzte sich auf Rang eins. Genau eine Woche vor dem Derby della Madonnina, auf das die Fußballwelt aufgrund der Ausgangslage besonders schaut. Ab 15 Uhr wird es am Sonntagnachmittag im San Siro zur Sache gehen. 

Unterschiedliche Konzepte, ähnliche Erfolge

Das Spiel hat nicht nur eine enorme Bedeutung, es wird auch taktisch interessant. Inter spielt in der Regel in einem 3-5-2-System, Milan bevorzugt eine Viererkette. Beide Klubs eint, dass sie in der Offensive urplötzlich eine immense Wucht erzeugen und den Gegner förmlich erdrücken können. Gute defensivtaktische Abläufe, ein koordiniertes Pressing und ein Spielaufbau, der in weiten Teilen zielführend ist, komplettieren das Rundum-Paket. Und noch ein Faktor, der beiden Mannschaften zum Erfolg verhilft, ist identisch: Geduld. 

Antonio Conte (51) hat es mit Inter auch im zweiten Anlauf nicht geschafft, das Achtelfinale in der Champions League zu erreichen, schied sogar als Letzter in der Gruppenphase aus. Im Sommer gab es Gerüchte um einen Abgang des zuweilen aufbrausenden Italieners, doch man raufte sich wieder zusammen. Spielermaterial, das zum Trainer passt, konnte verpflichtet werden. Und die Anpassungen auf Nuancenebene fruchteten langsam, aber stetig. Mehr Dynamik auf der rechten Seite durch Achraf Hakimi (23), ein Arturo Vidal (33), der im Mittelfeld dazwischen hauen kann: Inter hat dem eigenen Spiel neue Facetten hinzugefügt und erntet nun die Früchte. 

Auch Milan stand vor der neuen Saison vor der Frage, ob es mit Stefano Pioli (55) auf der Trainerbank weitergehen kann. Platz sechs mit 17 Punkten Rückstand auf Meister Juventus war nicht mehr und nicht weniger als ein grundsolides Abschneiden für die Rossoneri. Trotzdem behielt man die Ruhe, agierte auf dem Transfermarkt klug und verstärkte die Mannschaft nach Möglichkeit. Die Breite im Kader verbesserte sich, selbst bei einigen Ausfällen hat Milan ein Team auf dem Feld, das einen Fußball spielen kann, der erfolgreich und sehenswert ist. 

Sturmduo, Barella, Bastoni: Die Schlüsselspieler von Inter

Topteams verfügen immer auch über herausragende Einzelspieler, die inmitten eines guten Gesamtkonstruktes den Unterschied machen können. Bei Inter ist zuerst das Sturmduo bestehend aus Lautaro Martinez (23) und Romelu Lukaku (27) zu nennen. Beide harmonieren sehr gut miteinander, schossen zusammen schon 27 Treffer in der Serie A. Die Physis und Wucht von Lukaku zusammen mit dem Instinkt und der Technik von Martinez ergeben eine explosive Mischung im Angriffszentrum. 

Bildquelle: Imago

Im Mittelfeld von Inter spielt womöglich der gegenwärtig beste Spieler der Serie A. Dabei handelt es sich um Nicolo Barella (24). Sein Spiel ist enorm facettenreich, das Passspiel ist sehr sauber. Hinzu kommt eine ungeheure Dynamik. Barella nimmt sich Freiheiten, ohne dabei die taktische Disziplin zu vernachlässigen. In nahezu allen Bereichen des Mittelfelds ist er zu finden, viele Angriffe laufen über ihn. Beeindruckend ist vor allem die Konstanz, mit der der Italiener im Mittelfeldzentrum agiert. Schwächere Spiele sieht man von ihm mittlerweile fast überhaupt nicht mehr. 

Weiterhin zu erwähnen ist Alessandro Bastoni (21). Längst steht der Italiener nicht mehr im Schatten von Stefan de Vrij (29) und Milan Skriniar (26). Bastoni ist ein unglaublich abgeklärter Innenverteidiger, der in den letzten Monaten einen enormen Entwicklungssprung machte. Der 21-Jährige ist ein solider Kopfballspieler, verfügt über einen guten Antritt und hat insbesondere im Spielaufbau seine Stärken. Unvergessen ist sein Pass über mehr als 50 Meter gegen Juventus unlängst in der Liga, der die Vorlage zum entscheidenden 2:0 war. 

Theo, Ibrahimovic, Bennacer: Die Schlüsselspieler von Milan

Schlüsselspieler mit hoher Qualität hat auch Milan zu bieten. Theo Hernandez (23) ist hier ein heißer Kandidat. Der Linksverteidiger kam im Sommer 2019 von Real Madrid, kostete mehr als 20 Millionen Euro, war bis dato aber jeden Cent wert. Defensiv ist Hernandez grundsolide, offensiv noch viel mehr. Mit vier Toren und sechs Vorlagen in 28 Pflichtspielen ist er nicht nur ständiger Antreiber, sondern auch für einige Tore mitverantwortlich. Theo marschiert während der 90 Minuten die Außenlinie hoch und runter, setzt Akzente im Kombinationsspiel und versucht immer wieder mit Hereingaben oder Abschlüssen für Gefahr zu sorgen. 

Ein Spieler mit enormer Bedeutung für die Struktur im Mittelfeld ist Ismael Bennacer (23). Der Algerier hat sich unter Trainer Pioli herausragend entwickelt und bringt seit geraumer Zeit sein enormes Potenzial auf den Platz. Wie auch Hernandez spielt Bennacer seit dem Sommer 2019 für die Rossoneri, sein Einfluss auf das Mittelfeld ist immens. Das hat mehrere Gründe. Bennacer ist ein guter Aufbauspieler, der mit seiner Übersicht und Dynamik Impulse im Offensivspiel setzt. Gleichzeitig koordiniert er aus der Tiefe das Pressing und verrichtet viel Arbeit gegen den Ball. Nach seiner Verletzung ist Bennacer pünktlich zum Derby auf dem Weg zu alter Stärke. 

Bildquelle: Imago

Zweifelsohne ist auch Zlatan Ibrahimovic (39) ein absolut essenzieller Spieler für Milan. Der erfahrene Angreifer macht die gesamte Mannschaft besser, hat eine enorme Aura und Ausstrahlung auf dem Platz und ist für sein Alter physisch auf absolutem Topniveau. Er fordert die gegnerischen Verteidiger, sein Abschluss ist noch immer brillant. Die Ausbeute: 16 Pflichtspieltreffer bei 18 Einsätzen, 14 davon in der Serie A. Ibrahimovic ist ein sehr wichtiger Spieler, der in diesem Derby den Unterschied machen kann. 

Derby della Madonnina: Der Sieger ist auf Titelkurs

Ende Januar trafen sich diese beiden Mannschaften im Viertelfinale der Coppa Italia. Wenn dieses Duell ein Vorgeschmack auf das Gipfeltreffen in der Liga war, können die Fans sich auf ein unterhaltsames Spiel freuen. Viele Torchancen, verbale Auseinandersetzungen und ein Freistoßtor von Christian Eriksen (29) in der 98. Minute zum entscheidenden 2:1: So gestaltete sich die Partie im Pokal. Das Ligaspiel bedeutet für den Verlierer nun aber keinesfalls das Aus aller Titelträume.

Allerdings ist der Gewinner dieser Partie zunächst einmal auf Titelkurs. Auch wenn noch viele Spiele gegen starke Gegner zu absolvieren sind, wäre ein Sieg ein Zeichen an die Konkurrenz. Und vor allem Inter, das sich in der restlichen Saison von Ligaspiel zu Ligaspiel auf den jeweiligen Gegner vorbereiten kann, hätte eine sehr gute Ausgangslage, wenn der Abstand auf vier Punkte erhöht werden kann. Bis es soweit ist, ist es aber noch ein weiter Weg. 90 Derbyminuten könnten sehr, sehr lange sein. 

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(Photo by Marco Luzzani/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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