Serie A | Viele Neue, kein Tonali: Erfindet sich Milan neu?

14. August 2023 | Spotlight | BY Lea Selin Thomas

Die AC Milan blickt auf einen intensiven Transfersommer zurück. Neben dem schmerzhaften Abgang von Sandro Tonali sorgten auf der anderen Seite zahlreiche Neuzugänge für Aufsehen. Oberstes Ziel für die kommende Saison ist die Zurückeroberung des Scudettos vom amtierenden Meister SSC Napoli. Angesichts der vielen Veränderungen stellt sich jedoch zwingend die Frage, ob dieses Vorhaben von Erfolg gekrönt sein wird.

Tonali und Maldini weg: Klub-Boss Cardinale leitet Umbruch mit Knalleffekt ein

Hinter den Rossoneri liegt eine Spielzeit, die man nüchtern betrachtet als durchaus solide bezeichnen könnte: Am Ende stand für Milan Tabellenplatz vier zu Buche, in der Champions League schaffte es das Team von Trainer Stefano Pioli (57) sogar bis ins Halbfinale – dort musste man sich dann ausgerechnet gegen Stadt-und Erzrivale Inter geschlagen geben.



Milans Saisonziel Nummer eins, die Verteidigung des Scudettos, konnte derweil nicht erfüllt werden: Die Trophäe wanderte zum neuen Meister nach Neapel – dies blieb in Mailand nicht lange ohne Folgen. Im Juni gab der Klub die Trennung von seinem Technischen Direktor Paolo Maldini (55) bekannt – Gerüchten zufolge soll sich die Vereinslegende mit RedBird-Geschäftsführer Gerry Cardinale (53) überworfen haben. Dessen Investorenfirma ist seit Sommer 2022 rechtmäßiger Besitzer der Rossoneri. In Sachen Kaderplanung wurden sich die beiden offenbar nicht grün.

Maldinis Rauswurf, für den seitens des Vereins kein offizieller Grund genannt wurde, stieß sowohl innerhalb der Mannschaft als auch bei den Fans auf Verwunderung und Unverständnis. Spieler wie Rafael Leão (24) oder Yacine Adli (23) stellten sich öffentlich hinter Maldini, indem sie Beiträge auf Social Media teilten und dem 55-Jährigen Tribut zollten. Die Tifosi wiederum brachten ihre Empörung zum Ausdruck, indem sie kurzerhand den Hashtag #CardinaleOut ins Leben riefen.

Neben dem ehemaligen Mannschaftskapitän der Rossoneri musste auch Sportdirektor Frederic Massara (54) seine Sachen packen. Damit aber noch nicht genug: Die wohl größte Überraschung folgte knapp einen Monat später, als der Transfer von Mittelfeld-Regisseur und Identifikationsfigur Sandro Tonali (23) zum neureichen Premier-League-Klub Newcastle United vollzogen wurde.

Sein Verkauf spülte rund 70 Millionen Euro in die Kasse von Il Diavolo, sorgte allerdings auch für gewaltigen Unmut in den Reihen der Milan-Fans. Auch Tonali selbst – seines Zeichens nun teuerster Italiener aller Zeiten – soll von dem Wechsel in die Premier League überrumpelt und nicht gerade begeistert gewesen sein. Italienischen Medienberichten zufolge ist ihm der Abschied von seinem Herzensverein derart schwergefallen, dass sogar einige Tränen geflossen sind.

Für seine nahezu skandalöse Entscheidung, das Managerduo aus Maldini und Massara vor die Tür zu setzen und mit Tonali das eigentliche Herzstück der Mannschaft ziehen zu lassen, erntete Cardinale mächtig Gegenwind. Davon ließ sich der US-Amerikaner aber nicht beeindrucken, sondern startete stattdessen eine großangelegte Shoppingtour. Über 100 Millionen Euro investierte Milan in vielversprechende Neuzugänge – insgesamt sind es acht an der Zahl.

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Läuft ab sofort nicht mehr für Milan auf: Sandro Tonali. (Photo by Marco Luzzani/Getty Images)

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Das „neue“ Milan unter Cardinale: Wie stehen die Erfolgschancen des Projekts?

Für die dreistellige Millionensumme, welche die Ausgaben aller anderen Serie-A-Klubs übersteigt, verpflichtete der mittlerweile entthronte Meister folgende Spieler: Ruben Loftus-Cheek (27, FC Chelsea), Yunus Musah (20, FC Valencia), Tijjani Reijnders (25, AZ Alkmaar), Christian Pulisic (24, FC Chelsea), Samuel Chukwueze (24, FC Villarreal) und Noah Okafor (23, RB Salzburg). Hinzu kommen Torhüter Marco Sportiello (31, Atalanta) und Sturm-Talent Luka Romero (18, Lazio Rom), die beide ablösefrei nach Mailand wechselten.

Auf der Gegenseite tat sich derweil (noch) nicht allzu viel. Bislang sind Ante Rebić (29) und Junior Messias (32) neben Tonali die einzigen Sommer-Abgänge, für die Milan eine Ablösesumme kassierte. Der Wechsel des Kroaten zu Beşiktaş Istanbul brachte den Rossoneri etwa zwei Millionen Euro ein, während der CFC Genua Messias gegen eine niedrige Leihgebühr nach Ligurien holte.

Mittelfeldspieler Brahim Diaz (24) kehrte derweil nach zweijähriger Leihe zurück zu seinem Stammverein Real Madrid. Als weitere Abgangskandidaten gelten zum aktuellen Zeitpunkt Adli, Rade Krunić (29), Charles De Ketelaere (22) und Fodé Ballo-Touré (26). Letzterer soll kurz vor einem Wechsel zu Werder Bremen stehen.

Am 21. August startet für Milan die Serie-A-Saison 2023/24 mit einem Auswärtsspiel gegen den FC Bologna. Das Ziel ist klar: Unter der Leitung von Trainer Pioli soll der Angriff auf die Spitze gestartet werden, während man in der Königsklasse so weit wie möglich kommen möchte. Der aus Parma stammende Italiener hat mit dem Scudetto-Gewinn im Jahr 2022 bereits bewiesen, dass er dazu in der Lage ist, ein junges Team zum Titel zu führen.

Die von vielen neuen Gesichtern gespickte Mannschaft der Rossoneri kann zudem auf ihre tragenden Säulen der Vorsaison bauen – dazu zählen bewährte Kräfte wie Olivier Giroud (36), Theo Hernández (25) und Keeper Mike Maignan (28). Ein Aushängeschild des Klubs bleibt weiterhin Leão, der mit seiner Vertragsverlängerung bis 2028 ein deutliches Zeichen setzte.

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Rafael Leão bleibt Milan erhalten. (Photo by Ethan Miller/Getty Images)

Statt bei einem größeren Verein den nächsten Karriereschritt zu wagen, entschied sich der Portugiese für einen Verbleib in der lombardischen Hauptstadt. Daran war der inzwischen entlassene Maldini übrigens nicht ganz unschuldig, im Gegenteil: Seiner Überzeugungsarbeit ist es zu verdanken, dass Leão weiterhin für die Mailänder auf Torejagd gehen wird.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Il Diavolo über alle nötigen Mittel verfügt, um es sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene mit der namhaften Konkurrenz aufzunehmen. Dank der vielumjubelten Verpflichtungen von Pulisic, Chukwueze und Co. konnte Cardinale zudem einen Großteil der Milan-Fans besänftigen – allerdings dürfte mittlerweile allen klar sein, dass er nicht davor zurückschreckt, harte (und unerwartete) Entscheidungen zu treffen und sich damit eventuell unbeliebt zu machen.

Stand jetzt bleibt abzuwarten, wie sich die neuformierten Rossoneri in der kommenden Saison schlagen werden – ohne zwei ihrer wichtigsten Identifikationsfiguren, dafür mit einer Vielzahl neuer Hoffnungsträger. Vieles hängt von Pioli und seinen Fähigkeiten als Trainer ab. Sicher ist aber, dass der ehemalige Fiorentina-Coach zum gegenwärtigen Zeitpunkt die volle Rückendeckung von Cardinale genießt.

(Photo by Marco Luzzani/Getty Images)

Lea Selin Thomas

Lebt die Rivalität zwischen den Mailänder Klubs und trägt die rot-schwarzen Farben. Bedauert sehr, dass sie die sportliche Blütezeit der Rossoneri um ein paar Jahre verpasst hat.


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