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Kevin Großkreutz – Ein Weltmeister im Abseits

4. September 2020 | Spotlight | BY Julius Eid

Spotlight | Sportlich spielt Kevin Großkreutz beim Drittligisten KFC Uerdingen keine Rolle mehr. In den nächsten Wochen trifft der Spieler mit seinem aktuellen Arbeitgeber vor Gericht aufeinander. Der nächste Tiefpunkt in einer beispiellosen Achterbahn-Karriere.

  • Kevin Großkreutz: Weltmeister im Abseits
  • Uerdingen statt Bundesliga-Glamour
  • Mehrere Negativschlagzeilen um Großkreutz

Der Traum von Dortmund

Dass Kevin Großkreutz ein Dortmund-Fan mit Leib und Seele ist, dürfte an wenigen Menschen vorbeigegangen sein. Der heute 32-Jährige lebte den Traum, den wohl so viele Jungen und Mädchen auf der Südtribüne träumen: Im Trikot des Herzensverein auflaufen. Im Januar 2009 wurde für Großkreutz dieser Traum wahr. Doch die Geschichte war hier noch nicht zu Ende erzählt, der Fußballromantiker sollte voll auf seine Kosten kommen.

Denn unter Jürgen Klopp war Großkreutz Stammkraft und damit maßgeblich am Gewinn der Meisterschaft 2011, des ersten Doubles der Vereinsgeschichte 2012 und dem Erreichen des Champions-League-Finals 2013 beteiligt. Es ist schwer vorstellbar, dass sich ein Spieler mehr über die Titel freute, als der Allrounder, der beim BVB auf insgesamt sieben Positionen zum Einsatz kam (inkl. als Torwart, am 34. Spieltag 2013 hütete er ab Minute 81 das Tor des BVB). Doch wohl auch aufgrund dieser besonderen, emotionalen Konstellation wird Großkreutz oft Unrecht in der Nachbetrachtung getan. Er war elementarer Teil einer Mannschaft, die den deutschen und europäischen Fußball nachhaltig beeinflusste.

Bei aller Kämpfernatur und Vereinsliebe war hierfür auch spielerische Qualität von Nöten. Und die zeigte der flexible Dortmunder. Vielleicht nicht mit dem feinsten Fuß der damaligen Mannschaft gesegnet, war Großkreutz dennoch oft an den berauschenden Kombinationen des BVB beteiligt. Sein Umschaltspiel funktionierte herausragend und war definitiv mitverantwortlich dafür, dass die Ideen eines Jürgen Klopp auch funktionierten. Und so war es sicherlich auch keine romantische Entscheidung von Jogi Löw, dass der Spieler mit zur WM 2014 nach Brasilien reiste.

Photo by Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images

Weltmeisterschaft und die Hotellobby

Die Nominierung für die Weltmeisterschaft im Jahre 2014 dürfte der sportliche Höhepunkt in der Karriere Großkreutz‘ gewesen sein, wie eben dargelegt, war sie zudem eine Belohnung für starke Auftritte im Trikot des Traumvereins. Bis zum Sommer 2014 schien also noch alles glänzend. Doch schon vor der Ausrichtung des Turniers in Brasilien folgten erste Schlagzeilen, die das Bild von Großkreutz nachhaltig beschädigen sollten.

Erst gab es Berichte darüber, dass der Nationalspieler jemandem in der Kölner Innenstadt einen Döner ins Gesicht geworfen habe, nur kurz darauf soll Großkreutz nach dem verlorenen DFB-Pokalfinale 2014 betrunken in eine Hotellobby uriniert haben. Der Vorwurf des Dönerwurfes konnte nicht bestätigt werden, das Verfahren wurde eingestellt, Großkreutz beteuert bis heute seine Unschuld. Für die Vorfälle in der Hotellobby entschuldigte er sich. Doch trotz dieser komplett unterschiedlichen Faktenlagen bleiben beide Geschichten mit ihm verbunden.

In Brasilien selber spielte Großkreutz nicht, kam auf keine Einsatzminute. Dennoch ist er Weltmeister. 2014 gab es also erste Skandale, aber vor allem den größten Titel, den ein Fußballer gewinnen kann. Nach zwei deutschen Meisterschaften und dem DFB-Pokal war Großkreutz ganz oben angekommen. Eine nette Randnotiz: Der damalige Busfahrer des BVB wurde vom Dortmunder zu allen Vorrundenspielen der WM eingeladen, Kost und Logis übernahm Großkreutz. Eine Geschichte, über die deutlich weniger gesprochen wird, als über einen angeblichen Dönerwurf.

(Photo by Thomas Niedermueller/Bongarts/Getty Images)

Beispielloser Abstieg

Man sollte sich bei der Geschichte Großkreutz‘ immer wieder ins Gedächtnis rufen, welch großes Jahr 2014 also noch für den Spieler gegeben war. Denn 2015 wendete sich das Blatt und ein Absturz, der seinesgleichen sucht, begann. Mit der Ankunft von Thomas Tuchel war kein Platz mehr bei Borussia Dortmund, der Junge von der Südtribüne sollte den Klub verlassen. Am 31. August, also am letzten Tag der Transferperiode einigte man sich auf einen Wechsel zu Galatasaray in die türkische Hauptstadt Istanbul.

Doch weil der türkische Verein unvollständige Unterlagen bei der FIFA einreichte, fehlte die Spielberechtigung. Bis zum nächsten Transferfenster konnte nur mittrainert, nicht gespielt werden. Doch es wird noch absurder. Schon vor diesem nächsten Transferfenster lässt Großkreutz verlauten, wieder nach Deutschland zu wollen. Er geht ohne ein einziges Spiel für Galatasaray, aber mit einem verlorenen halben Jahr im Gepäck zum VfB Stuttgart.

Auch dieser Wechsel unterstreicht noch einmal, dass Großkreutz nicht der untalentierte Chaot ist, zudem ihn manche machen. Selbst nach einem halben Jahr ohne Pflichtspiel findet der Flügelspieler ihn der Bundesliga einen neuen Arbeitgeber. Doch Stuttgart wird der Verein sein, an dem Großkreutz schlussendlich seinen Tiefpunkt haben wird. Und damit ist nicht der Abstieg, ein halbes Jahr nach seiner Ankunft, gemeint.

Sondern die verhängnisvolle Partynacht mit minderjährigen Spielern des VfB Stuttgart, die in einer betrunkenen Schlägerei endete. Die Geschichte, sowie ein sichtlich verletzter Großkreutz auf der Pressekonferenz des VfB, auf der seine Vertragsauflösung bekannt gegeben wurde, prägten sein öffentliches Bild endgültig. Es folgte ein Jahr beim Zweitligisten aus Darmstadt, als Stammspieler, und dann der Wechsel zu seinem jetzigen Verein, dem Drittligisten KFC Uerdingen. Nach einem Jahr als Startelfspieler verlor Großkreutz in der letzten Saison den Anschluss und gilt als nicht mehr gesetzt.

In den nächsten Wochen stehen zudem Gerichtstermine mit dem KFC an, Großkreutz fordert ausstehende Gehaltszahlungen ein, der Verein moniert beim Spieler die fehlende Bereitschaft in Zeiten des Coronavirus auf Gelder zu verzichten. Großkreutz sei der einzige Spieler bei dem dies, auch nach monatelangen Gesprächen, der Fall war. Es scheint fast passend, dass Großkreutz nirgendwo anders sein Glück finden konnte, als beim BVB. Ein Spieler, der wie geboren schien um Teil des neuerlichen Aufstiegs seines Herzensvereins zu sein.

INA FASSBENDER/AFP via Getty Images

Die Karriere klingt aus

Man lehnt sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man vermutet, dass Großkreutz keine Bäume mehr als aktiver Spieler ausreißen wird. Nach einem unglaublichem Hoch und einem erfüllten Traum in Dortmund ging es schnell bergab, für den Jungen aus dem Ruhrpott. Mittlerweile ist er Miteigentümer eines Restaurants in seiner Heimatstadt und trainiert den Bezirksligisten Türkspor Dortmund. Es sei ihm zu wünschen, dass er etwas Ruhe findet.

Denn trotz all seiner Verfehlungen wird man das Gefühl nicht los, dass es oft ein bisschen zu viel Spaß gemacht hat, auf seine Fehler aufmerksam zu machen. Vielleicht liegt dies in seinem Auftreten, seiner teils einfachen Art begründet, aber das ist kein guter Grund um eine differenzierte Betrachtung eines Menschen beiseite zu schieben. Sei es bei einem Dönerwurf, der sich nicht bestätigt hat, oder bei einer monatelangen, „kultigen“ Kampagne der Moderatoren Joko und Klaas, die letztendlich darauf basierte, dass der Spieler in einem Werbeclip lustig redete. Alles Teile seiner Geschichte. Aber eben nicht die einzigen.

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Photo by Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images

Julius Eid

Julius Eid

Seit 2018 bei 90PLUS, seit Riquelme Fußballfan. Gerade die emotionale Seite des Sports und Fan-Themen sind Julius‘ Steckenpferd. Alleine deshalb gilt: Klopp vor Guardiola.


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