Weißt du noch? 11.07.2010 – Als Iniesta Spanien zum Weltmeister machte

25. Mai 2018 | Spotlight | BY Nico Scheck

Was hat die Fußballwelt schon für spektakuläre WM-Finals gesehen. Einige von ihnen bieten kuriose Geschichten wie der Kopfstoß von Zidane im Finale 2006 gegen Italien oder das berühmte Wembley-Tor 1966. Andere Finals waren fußballerische Leckerbissen, die einen mit der Zunge schnalzen ließen. Das WM-Finale 2010 zwischen der Niederlande und Spanien hingegen bot weder eine sonderlich kuriose Geschichte noch war es ein fußballerischer Leckerbissen. Stattdessen krönte sich eine spanische Generation des Tiki-Taka endlich zum Weltmeister, die es schlichtweg einfach verdient hatte.

Schon vor diesem Finale war klar: Eine Fußballnation würde zum ersten Mal Weltmeister werden. Einen klaren Favoriten gab es im Vorfeld nicht. Die Niederlande war mit drei Siegen souverän durch die Gruppenphase marschiert und erledigte auf dem Weg ins Finale die Slowakei (2:1; Achtelfinale), Brasilien (2:1; Viertelfinale) und Uruguay (3:2; Halbfinale). Überragender Mann der WM bei der „Oranje“: Wesley Sneijder, der sich sein schwächstes Spiel im Turnier leider ausgerechnet für das Finale aufgehoben hatte. Auf der anderen Seite standen die Spanier: Amtierender Europameister, gierig darauf, endlich auch Weltmeister zu werden. Der Start ging mit einem 0:1 gegen die Schweiz vollkommen in die Hose. Durch die anschließenden Siege gegen Honduras und Chile sicherte sich „La Roja“ aber doch noch das Ticket für die K.O.-Runde. Dort ebneten drei 1:0-Siege, unter anderem im Halbfinale gegen Deutschland, den Weg ins Finale.

 

Halbzeit 1: Viel Gewalt, wenig Fußball

Viel hatte sich die Fußballwelt von diesem Finale erhofft. Auf der einen Seite stand die Niederlande mit Stars wie Arjen Robben, Wesley Sneijder und Robin van Persie, die Mitfavorit Brasilien ausgeschaltet hatte. Auf der anderen Spanien, die einen Ballbesitzfußball spielten, wie man es zuvor selten gesehen hatte. Spanien spielte zu dieser Zeit nicht Tiki-Taka, nein, sie zelebrierten ihn. Doch wer nun auf Hochgeschwindigkeitsfußball gehofft hatte, musste sich nach der ersten Halbzeit erst einmal die Augen reiben. Spanien legte direkt flott los und versuchte, die Niederlande früh in deren Hälfte zu stören und das eigene Spiel aufzuziehen. Bereits in der fünften Spielminute musste sich Torwart Maarten Stekelenburg kräftig strecken, um den Kopfball von Sergio Ramos zu entschärfen. Nur sieben Minuten später traf David Villa per Volley nur das Außennetz.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Das Mittelfeld-Dreieck Xavi, Iniesta und Xavi Alonso zogen ihr gefürchtetes Passspiel auf und die Niederländer wussten sich nicht anders zu helfen, als besonders rüde dagegen zu halten. In der 23. Minute hatte Schiedsrichter Howard Webb schon vier Mal die gelbe Karte gezückt. Und es hätte hier schon durchaus mehr geben können. Van Bommel senste Iniesta von hinten um (22.) und hatte Glück, mit Gelb davon zu kommen. Sechs Minuten später verirrte sich Nigel de Jong kurz in die falsche Sportart und sprang in Kung-Fu-Manier in Xabi Alonso rein. Auch hier wäre ein Platzverweis die bessere Entscheidung gewesen. Die Folge: Der Europameister ließ sich aus dem Konzept bringen und machte ungewohnt viele Fehler. Die „Oranje“ versuchte gar nicht erst, Fußball zu spielen und konzentrierte sich vielmehr auf das Zerstören des gegnerischen Spiels. Torraumszenen waren Mangelware. Erst kurz vor dem Halbzeitpfiff gab die Niederlande in Form von Robben ein kleines Lebenszeichen, doch dessen Schuss auf das kurze Eck parierte Spaniens Keeper Iker Casillas mühelos.

 

Halbzeit 2: Robben und nochmal Robben

Wer auf Besserung in Halbzeit zwei gehofft hatte, wurde zunächst enttäuscht. Die Niederlande war hauptsächlich auf das Zerstören des spanischen Tiki-Taka aus und die Spanier fanden kaum Mittel dagegen. Das änderte sich knapp 30 Minuten vor dem Ende. Wie aus dem Nichts spielte Sneijder mit einem genialen Pass in die Schnittstelle Robben frei, der alleine auf Casillas zulief. Der fünfmalige Welttorhüter blieb lange stehen und entschied das Duell mit Robben per Fußabwehr für sich. Nun war auch die Niederlande im Spiel. Große Passstafetten waren zwar weiterhin nicht auf der Tagesordnung, doch die Chancen nahmen zu. In der 69. Minute hatte Villa das 1:0 auf dem Fuß, als Heitinga im eigenen Fünfer über den Ball trat und Villa nur noch einschieben musste. Stattdessen traf er jedoch nur das Bein des Verteidigers. Kurz darauf zischte ein Kopfball von Sergio Ramos nach einer Ecke (ja, schon damals war Sergio Ramos nach Standards brandgefährlich) nur knapp über den Kasten (78.).

(Photo credit should read FRANCK FIFE/AFP/Getty Images)

Die Härte blieb dem Spiel dennoch erhalten. Bei einem Zweikampf mit Iniesta stieg ihm van Bommel rüde auf den Fuß und dieser revanchierte sich umgehend ohne Ball. Beide Aktionen blieben ungestraft. Kurz vor Schluss hätte sich Robben dann doch noch unsterblich machen können, doch erneut scheiterte er alleine vor Casillas (83.). Stattdessen ging es für beide Teams in die Verlängerung. Und die sollte es in sich haben.

 

Verlängerung: Iniesta steigt endgültig in die Weltspitze auf

So wenig Torchancen die regulären 90 Minuten zu bieten hatten, so furios startete die Verlängerung. Direkt nach Wiederanpfiff stand Webb erneut im Fokus. Heitinga, bereits gelb verwarnt, foulte Xavi im Sechzehner elfmeterwürdig (92.). Der englische Schiedsrichter ließ jedoch zum großen Entsetzen der Spanier weiterlaufen. Die Partie nahm nun richtig Fahrt auf. Der eingewechselte Fabregas scheiterte nur drei Minuten später nach herrlichem Zuspiel von Iniesta freistehend vor Stekelenburg. Kurz darauf zielte Innenverteidiger Mathijsen nach Ecke von Robben per Kopf etwas zu hoch (96.). Beiden Mannschaften waren die kraftraubenden 90 Minuten anzumerken und es ergaben sich große Räume auf beiden Seiten. In der 109. Minute konnte Iniesta einmal mehr einen dieser Räume nutzen, sodass sich Heitinga nur durch ein taktisches Foul zu helfen wusste. Nun war Webb gezwungen, den bereits verwarnten Verteidiger mit Gelb-Rot vom Feld zu schicken.

(Photo by Jamie McDonald/Getty Images)

Diese Aktion bedeutete die Initialzündung für die Spanier, die nun noch einmal ein paar Gänge hochschalteten, um in den verbleibenden zehn Minuten aus der Überzahl noch Kapital zu schlagen. In der 116. Minute steckte Fabregas herrlich auf Iniesta durch, der aus zehn Metern wuchtig ins lange Eck abschloss. 1:0 für Spanien. Ekstase bei den Roten und Ernüchterung bei der „Oranje“. Iniesta hatte in diesem Moment Spanien zum ersten Weltmeistertitel geschossen und war selbst endgültig in die Riege der ganz Großen des spanischen Fußballs aufgestiegen. Die Niederlande hingegen hatte zum dritten Mal nach 1974 (1:2 gegen Deutschland) und 1978 (1:3 gegen Argentinien) ein WM-Finale verloren.

 

Aufstellungen & Torerfolge

Niederlande: Stekelenburg – van der Wiel, Heitinga, Mathijsen, van Bronckhorst (105. Braafheid) – van Bommel, N. de Jong (99. van der Vaart) – Robben, Sneijder, Kuijt (71. Elia) – van Persie

Bank: Boschker, Vorm, Boulahrouz, Ooijer, Afellay, Babel, de Zeeuw, Schaars, Huntelaar – Trainer: Bert van Marwijk

Spanien: Casillas – Sergio Ramos, Piqué, Puyol, Capdevila – Busquets, Xabi Alonso (87. Fabregas) – Xavi, Iniesta, Pedro (60. Jesus Navas) – Villa (106. Fernando Torres)

Bank: Reina, Victor Valdes, Arbeloa, Javi Martínez, Marchena, Raul Albiol, Mata, Silva, F. Llorente – Trainer: Vicente Del Bosque

Tore: 0:1 Iniesta (116., Rechtsschuss, Fabregas)

Gelb-Rot: Niederlande: Heitinga (109.)

 

Nico Scheck

Aufgewachsen mit Elber, verzaubert von Ronaldinho. Talent reichte nur für die Kreisliga, also ging es in den Journalismus. Seit 2017: 90PLUS. Manchmal: SEO. Immer: Fußball. Joga Bonito statt Catenaccio.


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