Mergim Berisha im Portrait – U21-EM als Sprungbrett?
25. März 2021 | Global News | BY Marc Schwitzky
Spotlight | Seit rund eineinhalb Jahren trägt Mergim Berisha das DFB-Trikot, sonderlich bekannt ist er in Deutschland allerdings noch nicht. Die momentan stattfindende U21-EM könnte der Mittelstürmer von RB Salzburg nutzen, um erstmals in den Fokus zu rücken.
- Mergim Berisha: Absoluter Leistungsträger in Salzburg
- Bereits mit 16 Jahren das erste Profi-Tor geschossen
- Vertrag läuft nur noch bis 2022 – EM als Sprungbrett?
Mergim Berisha: Seit 2014 ein hoch gehandeltes Talent
Es war so knapp. Beinahe hätte es Mergim Berisha (22) gleich im ersten Gruppenspiel der U21-EM in die Schlagzeilen der heimischen Presselandschaft geschafft. Doch es sollte nicht sein – gleich zweimal traf der Mittelstürmer gegen Ungarn mit satten Schüssen nur den Querbalken. So zierten vor allem die Namen von Doppel-Torschütze Ridle Baku (22) und Sturmkollege Lukas Nmecha (22), der ebenfalls traf, die Überschriften zum 3:0-Auftaktsieg der Deutschen. Berisha muss weiter auf die große nationale Aufmerksamkeit warten, doch daran wird er sich gewöhnt haben.
Denn obwohl Berisha bereits seit Oktober 2019 für die deutsche U21-Nationalmannschaft spielt, ist er ein recht unbekanntes Gesicht in seinem Geburtsland. Ihn umgibt der Flair eines Robert Huth (36) oder Skhodran Mustafi (28). Als Sohn kosovo-albanischer Eltern ist der heute 22-Jährige im oberbayerischen Berchtesgaden auf die Welt gekommen, unweit der österreichischen Grenze. So ging Berisha nicht in Deutschland, sondern in Salzburg aufs Gymnasium – in der Stadt, in der auch seine sportliche Ausbildung von statten gehen sollte. Seit er zehn Jahre alt ist, spielt der Angreifer in Österreich Fußball. 2014 feierte er bereits sein Profi-Debüt für den FC Liefering, dem Farmteam von RB Salzburg. Mit gerade einmal 16 Jahren, fünf Monaten und 27 Tagen gelang Berisha nicht nur das Debüt, mit seinem allerersten Ballkontakt traf er auch sogleich.
Spätestens seitdem wurde Berisha unter Talent-Expert:innen als große Sturmhoffnung gehandelt. Drei weitere Jahre genoss der Stürmer die Ausbildung bei Liefering, ehe er im Januar 2017 einen vollwertigen Profivertrag bei RB Salzburg unterschrieb. Zu diesem Zeitpunkt hatte Berisha 41 Profi-Spiele absolviert, in denen ihm 17 Tore gelungen waren. Darüber hinaus machte er sich durch herausragende Leistungen in der UEFA Youth League auf sich aufmerksam. Sieben Tore und vier Vorlagen sammelte er in der Saison 2016/17 in jenem Wettbewerb.
Berisha: Über Linz, Magdeburg und Altach in die Salzburg-Stammelf
In der Saison 2017/18 feierte Berisha zwar sein Debüt für seinen Ausbildungsverein (er war 2012 in die RB-Jugend gewechselt), die Saison sollte er aber woanders verbringen. Salzburg verlieh sein Eigengewächs an Liga-Konkurrent LASK. „Ich kam von der Jugend hoch, Salzburg hat einen riesigen Kader, da war es die gemeinsame Entscheidung, dass ich verliehen werde“, erklärte er dem kicker. Dem Mittelstürmer gelang der Sprung in die österreichische erste Liga auf Anhieb, in Linz avancierte er sofort zum Stammspieler. Von insgesamt 18 Partien war er 14 Mal Teil der Startelf, mit fünf Toren und fünf Vorlagen präsentierte er sich gut. Ein Bänderriss im Sprunggelenk bremste Berisha jedoch aus, die letzten elf Ligaspielte fehlte er verletzt.
2018/19 folgte eine Leihe zum damaligen deutschen Zweitligisten Magdeburg. Erstmals spielte Berisha in seinem Heimatland Fußball. „In Magdeburg ist es leider nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe“, resümierte Berisha. In der Hinserie schaffte er es nur sieben Mal in den Spieltagskader, vier Kurzeinsätze mit insgesamt 13 Minuten waren viel zu wenig für einen in der Entwicklung stehenden Spieler. Bereits nach der Hinrunde wurde die Leihe abgebrochen.
Zu jenem Zeitpunkt schien die Karriere Berishas zu stagnieren: Mit gerade einmal 16 Jahren das hochgejubelte Talent, ein paar Jahre später nicht einmal für einen deutschen Zweitligisten von Bedeutung. Doch das Blatt wendete sich mit der dritten Leihstation infolge. Salzburg verlieh den Torjäger an den SCR Altach, wo Berisha in eineinhalb Jahren auf 31 Einsätze und 23 direkte Torbeteiligungen kam. „In Altach hat es gut funktioniert, ich habe immer gespielt. In diesem Jahr habe ich viel gelernt und konnte mich weiterentwickeln.“ Diese Leihe kam einer kleinen Rettung von der Versenkung gleich. Sie schubste Berishas Entwicklung so entscheidend nach vorne, dass er es nun mit den Salzburger Profis aufnehmen konnte – und im Oktober 2019 erstmals für deutsche U21-Nationalmannschaft nominiert wurde.
Die aktuelle Saison als Durchbruch für Berisha
Berisha hatte sich bei Altach so stark präsentiert, dass ihn Salzburg sogar ein halbes Jahr früher als vereinbart zurückholte. In der Rückrunde der Saison 2019/20 kam der Angreifer auf nur acht Einsätze, drei von Anfang an. „Es war ein nicht einfaches halbes Jahr, man muss aber dranbleiben, nicht den Kopf hängen lassen und wenn man die Chance bekommt, sich präsentieren“, so Berisha. Und daran hielt er sich – ab letztem Sommer war für RB-Trainer Jesse Marsch (47) an Berisha kein Vorbeikommen mehr.
Seit Saisonbeginn ist Berisha ein absoluter Leistungsträger in Salzburg. In bislang 31 Pflichtspielen sind dem Offensivspieler 16 Tore und zehn Vorlagen gelungen. Er glänzt sowohl als Torjäger wie auch als Vorbereiter. Sogar in der Champions League machte Berisha auf sich aufmerksam. Zwar schied Salzburg bereits in der Gruppenphase aus, Der U21-Stürmer selbst konnte aber viele Argumente für sich sammeln. In sechs CL-Partien erzielte Berisha vier Tore und legte zwei weitere auf. Sowohl im Hin- als auch im Rückspiel gegen den FC Bayern München traf Berisha jeweils einmal.
Nach der großen Bürde, die das erste Profi-Tor in so jungen Jahren mit sich bringt und nach all den Leihen scheint Mergim Berisha nun vollends angekommen zu sein. Der 22-Jährige ruft sein Potenzial so regelmäßig wie noch nie zuvor ab und das auch noch auf einem sehr hohen Niveau. Selbst in der „Königsklasse“ hat Berisha zu den auffälligeren Akteuren auf dem Feld gehört. Er wirkt deutlich reifer und selbstbewusster als noch in den vergangenen Jahren, als er habe er vollständig zu seinem Spiel gefunden.
Mergim Berisha: Ein kompletter Stürmer
Doch was ist Berishas Spiel? Bei dem Mittelstürmer lässt sich zweifelsohne von einem kompletten Stürmer sprechen. Das beweist allein die Statistik, denn in all den letzten Jahren wies Berisha stets ein ausgeglichenes Verhältnis von Toren und Vorlagen vor. 2016 sagte er noch: „Bei Liefering spiele ich am liebsten auf der Spielmacherposition.“ Diese Anlagen merkt man dem Stürmer an, denn trotz seiner beachtlichen Größe von 1,88 Metern ist Berisha kein klassischer Zielspieler.
„Er hat eine sehr gute Fitness und seinen Riecher muss man ihm lassen, die erste Chance ist meistens drin“, sagte U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz (58) über ihn. Doch zu Berishas Spiel gehört mehr. „Ich denke, ich kann den Ball gut festmachen und dann in die Tiefe weiterspielen“, sagte der 22-Jährige zu seinem Spiel. Den neben klassischen Torjägerfähigkeiten – dem sehr guten Stellungsspiel und Abschluss – ist Berisha auch spielerisch beschlagen. Wie auch am Mittwochabend beim 3:0 gegen Ungarn zu erkennen war, arbeitet der Stürmer sehr viel für seine Mannschaft und ist in ein Kombinationsspiel problemlos einzubinden. Rene Aufhauser (44), Co-Trainer bei RB Salzburg, sagte über Berisha: „Er ist für den Gegner unberechenbar. Er ist ein technisch absolut guter Spieler, bringt aber auch Torjägerqualitäten mit.“ Er sei ein kompletter Spieler, der sich selbst, aber auch seine Mitspieler in Szene setzen könne.
Hinzukommt die RB-DNA, die Berisha seit jungen Jahren anerzogen wurde. Der Stürmer investiert unglaublich viel, um dem intensiven Spielstil seiner Mannschaft gleichzukommen. „In Salzburg kommen wir über unser Pressing, das hat man in sich, da will man dranbleiben.“ So zeigt sich: Es gibt wenig, dass Berisha mit bereits 22 Jahren nicht kann.
Wo liegt die Zukunft von Berisha? U21-EM als Sprungbrett?
Aufgrund dieser Variabilität an Fähigkeiten und einer beeindruckenden Saison bei Salzburg wird sich Berisha auf den Zettel zahlreicher internationaler Vereine gespielt haben. Der Stürmer verfügt bereits über große Stärken, ist mit 22 Jahren aber auch noch entwicklungsfähig – eine ideale Kombinationen. Hinzukommend läuft sein Vertrag im Juli 2022 aus, der kommende Sommer wäre die wohl letzte Gelegenheit, wirklich Geld mit einem Verkauf zu verdienen.
„Ich würde es nicht ausschließen, dass er seinen Vertrag zu Ende spielt“, sagte RB-Sportdirektor Christoph Freund (43) gegenüber sky bezüglich der Zukunft des Stürmers. „Wir müssen keinen vergolden, weil wir uns in den letzten Jahren eine super Basis geschaffen haben.“ Und doch werden die Angebote wohl hereinkommen, ob Salzburg will oder nicht. Und dann wird es am Spieler liegen, ob er ein weiteres Jahr in Salzburg spielen oder weiterziehen will.
Die U21-EM könnte hierfür ein entscheidender Faktor werden. Sollte sich Berisha mit dem deutschen Team gut präsentieren, könnte die größere Bühne als Sprungbrett dienen. Solche Jugendturniere sind klassische Gelegenheiten für die Scouts dieser Welt, um interessante Talente für ihre Klubs auszumachen. Ein weiteres Jahr in Salzburg, ein erster fester Wechsel in die Bundesliga oder ein erneuter Wechsel ins Ausland? Die Zukunft von Mergim Berisha hält viel bereit.
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Marc Schwitzky
Foto: IMAGO
Marc Schwitzky
Erst entfachte Marcelinho die Liebe zum Spiel, dann lieferte Jürgen Klopp die taktische Offenbarung nach. Freund des intensiven schnellen Spiels und der Talentförderung. Bundesliga-Experte und Wortspielakrobat. Seit 2020 im 90PLUS-Team.