DFB-Team | Die Probleme setzen sich fort: Auch gegen Kolumbien überzeugen nur Thiaw und Musiala

21. Juni 2023 | Spotlight | BY Victor Catalina

Spotlight | 0:2 unterlag das DFB-Team Kolumbien im letzten Spiel dieser Länderspielpause. Die Akteure in der Einzelkritik.

Juan Cuadrado führt Kolumbien zum Debütsieg über das DFB-Team

Die Partie begann ausgeglichen. Zur Halbstundenmarke kippte das Momentum allerdings zugunsten der Kolumbianer. Malick Thiaw musste mit einem heroischen Tackling im allerletzten Moment gegen den durchgebrochenen Luis Díaz retten (28′). Gut zehn Minuten nach Wiederanpfiff bekam der Liverpooler seinen Treffer: Kolumbien verlagerte das Spiel auf rechts. Juan Cuadrado durfte unbehelligt aus dem Halbfeld flanken. Im Zentrum standen sowohl Emre Can als auch Thiaw zu weit von Luis Díaz entfernt, der seinen Kopfball in der Rückwärtsbewegung perfekt ins lange Eck plazierte.

 



 

Bis auf gut zehn Minuten, in denen die DFB-Elf sich zu fangen schien, hatten die Gäste alles unter Kontrolle. Nach 79 Minuten brachte Hansi Flick Joshua Kimmich, dessen erste Aktion denkbar unglücklich geriet: Eine Flanke von Kolumbiens Linksverteidiger Deiver Machado wischte er mit dem ausgefahrenen rechten Arm Richtung Marc-André ter Stegen. Halil Umut Meler zeigte sofort auf den Punkt und blieb auch nach VAR-Rücksprache bei seiner Entscheidung. Juan Cuadrado trat an und schob sicher unten links ein. Für Kolumbien ist es der erste Sieg über das DFB-Team im fünften Versuch. Die Einzelkritik zum Spiel.

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Deutschland: Thiaw und Musiala erneut die Besten, Flicks Entscheidungen fragwürdig

Marc-André ter Stegen: An den beiden Gegentoren ohne Aktien. Hielt, was er halten konnte. Bisweilen allerdings zu behäbig im Spielaufbau. Beispielhaft dafür die 26. Minute, als einer seiner Chipbälle von den Kolumbianern abgefangen wurde und in einer guten Chance für Luis Díaz resultierte, der allerdings abseits stand. Note: 4,0.

Malick Thiaw: Erneut mit der beste im DFB-Team. Verhinderte mit seinem gekonnten Tackling nach 28 Minuten den sicheren Rückstand. Beim ersten Gegentreffer stand er allerdings zu weit von Luis Díaz entfernt. Dennoch ein vielversprechender Auftritt. Momentan einer der wenigen Hoffnungsträger, um die Hansi Flick das Team für kommendes Jahr bauen muss. Note: 3,0.

Emre Can: Ließ sich bereits in der Anfangsphase von Yerry Mina im Kopfballduell bezwingen. Vor dem ersten Tor gab der Dortmunder im Zweikampf mit Rafael Borré die Kugel her und stand – wie Thiaw – zu weit von Luis Díaz entfernt. Musste nach 69 Minuten für Niclas Füllkrug weichen. Äußerst durchwachsener Auftritt. Note: 5,0.

Antonio Rüdiger: Mit einem unsauberen und viel zu kurzen Rückspiel auf ter Stegen beschwor der Madrilene die Situation, die Thiaw in sein Tackling zwang, überhaupt herauf. Öffnete darüber hinaus vor Kolumbiens Führung seine Seite und konnte so weder seinen Gegenspieler im Blick behalten, noch Druck auf Flankengeber Juan Cuadrado ausüben. Note: 5,0.

Marius Wolf: Tat das, was man von ihm aus Dortmund kennt und versuchte, viel Energie über die rechte Seite zu erzeugen. Bis auf einige Szenen, in denen sich Wolf sogar als Abnehmer in der Spitze anbot, blieb er jedoch relativ wirkungslos. Machte zur Pause Platz für Benjamin Henrichs. Note: 5,0.

DFB-Team Deutschland Kolumbien

Photo by Alex Grimm/Getty Images

Jamal Musiala: „Für mich sieht er aus, wie der beste Spieler der Mannschaft. Er dribbelt, er hat Pace, er macht alles, er schießt Tore“, lobte Footballspieler Amon-Ra St. Brown. Ganz unrecht hat er damit nicht. Zusammen mit Malick Thiaw war Jamal Musiala erneut der Beste im DFB-Team. Kurz vor der Pause setzte er sich energisch gegen mehrere Mann durch und bekam den Chip von Kai Havertz. Seinen Abschluss blockte Yerry Mina. In der zweiten Hälfte ging er als einer der wenigen voran und wollte versuchen, den Ausgleich zu erzwingen, wie bei der Chance, die er Emre Can auflegte (62′). Könnte sogar noch wirkungsvoller sein, müsste er als nomineller Achter nicht den Konzertflügel in der Offensive allein tragen. Note: 3,0.

Leon Goretzka: Brachte einiges an Körperlichkeit mit, sowie einige gute Zuspiele. Wirklich beeinflussen konnte er die Partie allerdings nur selten. Einer der Wechsel von Hansi Flick, die sich kaum ausgezahlt haben. Hatte seinen besten Auftritt nach dem Spiel, als er die Lage des DFB-Teams auf den Punkt brachte: „Ich weiß nicht, ob bedenklich reicht. Es ist dramatisch, das muss man ganz klar sagen. Es fehlt an allen Ecken und Enden.“ Pluspunkte gibt es dafür allerdings nicht. Note: 4,5.

Robin Gosens: War sehr gut ins Spiel eingebunden, baute auf, leitete ein und versuchte auch, vorzulegen. Die letzte Durchschlagskraft fehlte dem Linksaußen in dieser Partie allerdings. Note: 3,5.

Leroy Sané: Wie mit Wolf und später auch Henrichs war die rechte Seite des DFB-Teams verkehrsberuhigter Bereich. In der Anfangsphase kombinierte sich Sané sehenswert mit Jamal Musiala durch Kolumbiens Abwehr. Anschließend misslang aber das finale Zuspiel auf Kai Havertz. Taute danach erst in der zweiten Hälfte wieder etwas auf. Note: 4,0.

Ilkay Gündoğan: Seine Rolle als linker Halbstürmer war kaum nachzuvollziehen. Damit wurde der Kapitän sämtlicher Stärken beraubt. Konnte kaum am Spiel teilnehmen und vor allem seine Fähigkeiten als Ballverteiler einbringen. Die ungewohnte Position kann man in der Endbewertung als mildernde Umstände gelten lassen. Note: 4,5.

Kai Havertz: Hatte seine beste Szene in Minute 45, als er den Ball von Jamal Musiala bekam und ihn zurück auf den Youngster chippte – Deutschlands einziger (!) Schuss aufs Tor im gesamten Spiel. Ansonsten bezeichnend, wie er nach der Pause den Ball für niemanden passieren ließ. Note: 4,5.

Einwechslungen des DFB-Teams

Benjamin Henrichs: Ersetzte Marius Wolf. Hatte über rechts, mit Ausnahme von einigen brauchbaren Szenen im Spielaufbau, jedoch relativ wenig zu melden. Note: 5,0.

Niclas Füllkrug: Als er in Minute 83 von Antonio Rüdiger den langen Ball bekam und über Camilo Vargas chippen wollte, ging ein seltenes Raunen durch die Veltins-Arena. Ansonsten gelang es dem Team nicht, ihn brauchbar einzusetzen. Note: 4,5.

Joshua Kimmich: Denkbar unglücklicher Einstand für den Kapitän. 42 Sekunden stand Kimmich auf dem Platz, da verursachte er einen Handelfmeter. Im Anschluss fehlte ihm die Zeit, um wirklich wirkungsvoll zu werden. Angesichts von nur einem Schuss aufs Tor, verglichen mit deren neun in Warschau, sind die Diskussionen um ihn eigentlich an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Note: 4,5.

Julian Brandt: Ersetzte Kai Havertz. Bis auf einen Distanzschuss kam auch er, schon allein aus Zeitgründen, nicht dazu, sein volles Potential zu zeigen. Note: 4,5.

 

Hansi Flick: Seine Entscheidungen wirken zunehmend fragwürdiger. Fünf Startelfwechsel gegen die Ukraine, neun gegen Polen, erneut fünf gegen Kolumbien. Man kann Flick zugutehalten, dass er viel ausprobieren möchte. Aber selbst das muss auf einem bestimmten Mannschaftskern, auf einem Stamm von Spielern basieren. Momentan ist nicht klar, ob er in 359 Tagen bei der EM mit Dreier- oder Viererkette antreten will, auf welche Spieler (außer Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Jamal Musiala) er setzen will – es ist noch nicht einmal klar, welche Art von Offensivfußball er mit dem DFB-Team spielen will, mit Ausnahme des hohen Pressings. Defensiv bot Flick die 21. unterschiedliche Abwehrformation im 24. Spiel auf.

DFB-Team Deutschland Kolumbien

Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images

Das, was Flick tut, wirkt wie ein Prozess, um des Prozesses Willen, aber ohne wirkliche Fortschritte. Sein „Im September wird alles anders ausschauen“ klingt mittlerweile wie eine Durchhalteparole. Man möchte ihm wirklich glauben, da er seine Fähigkeiten beim FC Bayern mehr als nachgewiesen hat. Hansi Flick fehlen dafür allerdings die Argumente. Note: 6,0.

Halil Umut Meler: Souveräner Spielleiter. Gute Zweikampfbewertung. Auch seine Entscheidung, gleich nach dem Handspiel von Joshua Kimmich auf den Punkt zu zeigen, erwies sich als korrekt. Note: 2,0.

Spielnote: Ausgeglichene, aber keine hochklassige Partie. Dem DFB-Team gelang es zu selten, es, vor allem offensiv zu einer solchen zu machen. Vor allem nach der Pause wurde Kolumbien stärker und belohnte sich verdient durch Luis Díaz (54′) und Juan Cuadrado (82′). Note: 3,5.

Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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