Nagelsmann zieht den EM-Plan durch: „Nicht in Opferrolle kommen“

Julian Nagelsmann sucht die Emotion. Im Klassiker gegen Österreich steht er an der ersten Weggabelung seiner Amtszeit.
Nagelsmann möchte „schlechte Tage minimieren“
Julian Nagelsmann (36) und Mats Hummels (34) liefen etwas verwirrt im Kreis herum, bevor sie sich auf dem Podium im engen Presseraum des Ernst-Happel-Stadions endlich richtig sortiert hatten. Mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft will der Bundestrainer aber auch im brisanten Klassiker gegen Österreich am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) geradlinig weiterziehen – unabhängig vom heftigen Rückschlag gegen eine türkische B-Elf.
„Wir sind überzeugt von unserem Weg, Spiele oder ein Turnier gut zu gestalten“, betonte Nagelsmann. Er habe „Gott sei Dank nur einen Artikel gelesen“, berichtete er im „sehr, sehr schönen Wien“ leicht schnippisch, das habe ihm gereicht: „Alle tun gut daran, die Öffentlichkeit vorerst aus den Köpfen zu streichen. Wir dürfen nicht in eine Opferrolle kommen, dann wird sich das Bild auch wieder wenden.“
Es geht also um die Stimmung. Nicht zuvorderst die taktische Ausrichtung mit der asymmetrischen Viererkette, sondern die Suche nach den letzten Prozentpunkten Leidenschaft und Emotion stehen im Länderspiel-„Derby“ (Österreichs Trainer Ralf Rangnick) im Mittelpunkt. „Es ist nicht dramatisch, man kann mal einen schlechten Tag haben“, betonte Nagelsmann. „Das muss man kompensieren und die schlechten Tage minimieren.“ Dies obliege aber der Mannschaft selbst: „Im Eigenregulativ.“
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Die Zeitung Kurier vermutete am Montag schon, Deutschland komme „mit der EM-Angst im Gepäck“. Die schwer ernüchterten deutschen Fans doch noch mit einem Hauch Euphorie ins Turnierjahr zu schicken, ist Nagelsmanns Ziel für ein großes Duell, das auf österreichischer Seite traditionell noch ein bisschen größer gemacht wird. „Wir wollen gewinnen, das wäre ganz gut“, sagte er lächelnd.
Der nach dem Türkei-Spiel spürbar verärgerte Bundestrainer steht früh an einer Weggabelung. Verliert die Nationalmannschaft am Dienstag, wäre der anfängliche Schwung verflogen, Nagelsmann müsste sich einer intensiven Diskussion stellen. Die Fans würden dem nächsten Länderspielfenster im März eher entgegen dämmern. Gewinnt sie, kann eine neue Dynamik entstehen.
Seine Spieler müssten auf „demselben Emotionsniveau sein“ wie der Gegner, „jeder einzelne Spieler“, fordert Nagelsmann: „Dann wird sich die größere Qualität durchsetzen.“
Seine Taktik-Idee wird der Bundestrainer konsequent durchziehen. Mit überschwänglichem Lob für Kai Havertz, den neuen Linksverteidiger bzw. Schienenspieler mit Vorwärtsdrang, hat er sich dazu selbst die Vorlage gegeben. Sensationell, gar „Weltklasse“ sei die Leistung des umgeschulten Offensivspielers in Berlin gewesen, schwärmte Nagelsmann. Allerdings könne auch passieren, „dass wir da am Dienstag einen anderen Spieler sehen“.
Die Defensive wackelte insgesamt wieder mal bedenklich. Kann es der Abwehr tatsächlich Stabilität bringen, die Abwehr zu schwächen? Havertz bekomme auf dieser Position die Chance, „ein prägender Spieler der Heim-EM zu werden“, betonte Nagelsmann. Das klingt so gar nicht, als würde er das Experiment – das er selbst partout nicht so nennen will – wieder einstampfen. Gut möglich aber erscheint, dass er in der Zentrale den wieder voll fitten Routinier Mats Hummels bringt.
Zudem hat der Bundestrainer offensichtlich eingesehen, dass Ilkay Gündogan und Joshua Kimmich zusammen vor der Abwehr nicht funktionieren. Zumindest nicht dann, wenn es körperlich kracht. „Die tun sich nicht gut, wenn sie zusammenspielen“, analysierte auch Lothar Matthäus, trotz erwiesener Klasse beider.
Doch wie reagiert Nagelsmann auf diese Erkenntnis? Einer entsprechenden Frage wich er aus. Klar ist: Gündogan ist sein Kapitän, sein Metronom im Aufbau, und damit gesetzt. Kimmich, darauf hat sich der Bundestrainer festgelegt, verbleibe im Portfolio seiner Sechser. Gündogan benötigt aber eigentlich einen Dazwischenhauer hinter sich. Mit Pascal Groß hat er auf der USA-Reise gut harmoniert. Da haben auch die Laufwege gestimmt.
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(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)
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