Champions League | Mbappé kein Faktor, Defensive steht: Wie der FC Bayern PSG eliminierte
9. März 2023 | Trending | BY Victor Catalina
Spotlight | 2:0 gewann der FC Bayern das Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Paris Saint-Germain. Dabei überzeugte der Rekordmeister vor allem defensiv gegen Kylian Mbappé – und schlug nach der Pause konsequent zu. Die Analyse.
Bayerns taktische Disziplin bereitet Mbappé einen frustrierenden Abend
Wenn Europa dieser Tage auf München schaut, ist auch von Plzeň die Rede. Zur aktuellen Saison wechselte Adam Vlkanova zur Viktoria. Jan Kliment, zwischen 2015 und 2018 beim VfB Stuttgart unter Vertrag, erzielte in den Playoffs gegen Qarabağ den Treffer, der Viktoria Plzeň überhaupt erst in die Champions League brachte. Mit jeder Woche, die in dieser Königsklassensaison vergeht, werden die beiden bekannter. Dabei hat sich Viktoria Plzeň längst aus dem internationalen Wettbewerb verabschiedet, erwartungsgemäß als Gruppenletzter.
Dennoch haben Vlkanova und Kliment ein Alleinstellungsmerkmal. Eines, das sie von Kylian Mbappé, Lionel Messi, Neymar, Robert Lewandowski, Edin Džeko oder Lautaro Martínez trennt. In bisher acht Partien konnten lediglich Vlkanova und Kliment gegen den FC Bayern treffen, am 12. Oktober des vergangenen Jahres, bei Viktoria Plzeňs 2:4-Niederlage.
Diesen Mittwoch ging Paris Saint-Germain erneut leer aus. 0:2 unterlagen die Franzosen in München. Sie selbst bleiben erstmals seit dem Halbfinale 1994/95 gegen die AC Milan (0:1/0:2) in beiden Begegnungen der K.O.-Runde ohne eigenen Treffer.
Gerade die Tatsache, dass der Rekordmeister in 15 von 16 Halbzeiten dieser Champions-League-Saison ohne Gegentor blieb, zeigt, wie sehr sich die Mannschaft, vor allem defensiv, weiterentwickelt hat. Rückblick auf den April 2021, als beide Teams im Viertelfinale aufeinandertrafen.
Offensive stützt Defensive: FC Bayern nimmt das Remis in die Pause
Der FC Bayern, damals Titelverteidiger, stand geradezu absurd hoch, mit beiden Innenverteidigern an der Mittellinie. Wenig überraschend gingen die ersten 30 Minuten an PSG. Immer wieder konterten die Franzosen gefährlich. Neben den beiden Treffern durch Kylian Mbappé (3′) und Marquinhos (28′) bekam Julian Draxler (12′) sein Tor aufgrund einer Abseitsposition abgepfiffen. Erst im Anschluss konnte sich der FC Bayern etwas stabilisieren. Diese Phase sollte die Begegnung dennoch entscheiden. Dadurch, dass sie PSG das Spiel gaben, das sie brauchten und haben wollten, machte sich der Rekordmeister das Leben selbst schwer. Virtuell war dieser zu keinem Zeitpunkt im Halbfinale, sodass die Pariser ihre Nadelstiche im Konter setzen durften. Durch einen solchen fiel auch Mbappés Siegtreffer (68′).
Thomas Müller jedenfalls musste man nicht mehr erklären, welche Bedeutung Mbappé für das gegnerische Spiel hat. „Er stellt mit seinem Profil eine Gefahr für uns dar. Die ganze Welt schaut ihm gerne zu“, so Bayerns Kapitän auf der Pressekonferenz vor dem Spiel. „Wir werden ihm nicht zuschauen, sondern wollen ihn bei der Arbeit stören. Wenn das aufgeht, wird er nicht viel Spaß haben.“
Diesmal war das der Fall. Wann immer Mbappé, ohne Ball, Tempo aufzunehmen drohte, war Josip Stanišić sofort an ihm dran, um ihn zu stören, bevor er sich mit dem ersten Kontakt überhaupt aufdrehen konnte. Bayerns Eigengewächs konnte sich, im Wissen, dass er von Dayot Upamecano und Matthijs de Ligt abgesichert wird, voll auf seine Aufgabe konzentrieren. Zudem unterband die Münchener Defensive, im kompakten 4-2-3-1 gegen den Ball, konsequent die größte Pariser Waffe: Bälle auf die linke Seite. Lediglich 35 Prozent der Angriffe kamen über links. Bei PSGs 3:0 in Marseille waren es 50 Prozent. Stattdessen wurden die Franzosen forciert, entweder durch die Mitte oder über rechts zu kombinieren. Kingsley Coman und Jamal Musiala unterließen das ganz hohe Pressing, um sich um die Pariser wingbacks, Nuno Mendes sowie Achraf Hakimi zu kümmern, sodass diese offensiv kaum zur Entfaltung kamen.
Einzig nach 25 Minuten legte Nuno Mendes für Lionel Messi auf. Allerdings blockte Davies sofort. Yann Sommer erledigte den Rest. Der FC Bayern konnte sich in dieser Phase, in der Paris die aktivere Mannschaft zu haben schien und auf den Ausgleich im Aggregat drückte, auf seine Defensive verlassen. Selbst, als Sommer zu hohes Risiko ging und den Ball im Dribbling an Hakimi verlor, rettete Matthijs de Ligt gut einen halben Meter vor der Linie.
Die Kehrseite der disziplinierten Münchener Defensivbewegung war, dass man selbst, obwohl PSG hoch stand und damit durchaus Raum zum Kontern bot, nur selten hinter die letzte Linie kam. In Minute 32 drehte sich Musiala um Danilo herum. Den Abschluss aus spitzem Winkel parierte Gianluigi Donnarumma.
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PSG kombiniert sich in die Ecke – und setzt sich schachmatt
In der zweiten Hälfte wurde der FC Bayern mutiger und zwingender, bekam mehr Tiefe ins eigene Spiel. Eric Maxim Choupo-Motings Abseitstreffer gab der Mannschaft sichtlich Auftrieb und zeigte ihr, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Währenddessen offenbarte PSG, ohne den verletzt ausgewechselten Kapitän Marquinhos, zunehmend defensive Verwundbarkeit.
61. Minute, der erst 17-jährige El Chadaille Bitshiabu wurde von Thomas Müller angelaufen. Anstatt das Pressing über Donnarumma ins Leere laufen zu lassen, um die Seitenverlagerung auf Sergio Ramos zu spielen, entschied er sich für den Risikoball auf Marco Verratti. Auch der Italiener hätte für seinen Keeper prallen lassen können, ging stattdessen gegen das aggressive Forechecking von Müller und Leon Goretzka ins Dribbling und wartete auf einen Pfiff von Daniele Orsato, der allerdings nicht kam – zurecht nicht kam. Goretzka legte mit Übersicht quer, Choupo-Moting schob ein. Es war eines der wenigen Male, dass der FC Bayern mit gleich vier Mann presste, da sie merkten, wie sehr sich PSG in die Ecke kombiniert hatte und sie die Unerfahrenheit von Bitshiabu ausnutzen konnten.
Kein Impact: FC Bayern erhöht und setzt das Statement
Ab hier war es ein Bayern-Spiel. PSG brauchte zwei Tore für die Verlängerung. Christophe Galtier fehlte allerdings der Impact von der Bank, den er mit Mbappé im Hinspiel noch hatte. Ismael Gharbi, ein Zehner sowie Hugo Ekitiké waren die einzig verbliebenen Angreifer. Dahingehend dürfte auch Luís Campos noch in die Verantwortung genommen werden. In Diensten der AS Monaco und OSC Lille verpflichtete er viele Talente mit großem Entwicklungspotential für geringe Ablösesummen. Bei einem Topteam braucht es allerdings mehr Spieler, die sofort Einfluss auf die Partie nehmen können.
Mbappé war bei Stanišić noch immer bestens aufgehoben und konnte es nur noch bedingt. Mit lediglich 32 Ballkontakten hatte er die wenigsten aller Feldspieler, die über die kompletten 90 Minuten auf dem Platz standen. Wenn PSG in der zweiten Hälfte gefährlich wurde, dann nach Eckbällen. Sergio Ramos zwang Sommer einmal zur Parade. Den zweiten Versuch setzte er knapp links vorbei.
Julian Nagelsmann fokussierte sich, mit Leroy Sané für Choupo-Moting, auf Konter, um den Sieg und die Begegnung endgültig zu ziehen. Wie in Stuttgart allerdings, ließen die Münchener eine Vielzahl bester Gelegenheiten ungenutzt. Besonders hier gilt es anzusetzen. In den nächsten Runden warten Teams, die defensiv stabiler stehen werden, als die Pariser in den letzten 15 Minuten. Mit der Schlusssirene fuhr der Rekordmeister einen weiteren Konter. Abermals war ein Ballverlust von Verratti der Ausgangspunkt. Der eingewechselte João Cancelo startete tief rechts in der eigenen Hälfte, Warren Zaïre-Emery entschied sich zu spät fürs Laufduell. Dadurch konnte der Portugiese für Serge Gnabry durchstecken. Der Nationalspieler nahm die Kugel gut in den Lauf mit und traf ins lange Eck.
Die Schlussminuten hatten, seitens der Pariser, dann etwas von Kapitulation. Alphonso Davies hätte noch auf 3:0 erhöhen können. Sadio Mané traf in Minute 94, stand allerdings abseits. Besonders die zweite Hälfte macht Hoffnung, dass es für die Münchener diese Saison weit gehen könnte. Einige der größten Namen dieses Wettbewerbs haben sie selbst eliminiert.
Dieser Sieg über PSG war ein dringend benötigtes Statement, dass der FC Bayern eben nicht nur in der Lage ist, Gegner wie ein Chelsea voller Jugendspieler, einen kriselnden FC Barcelona, Olympique Lyon, Lazio oder Salzburg zu bezwingen, sondern eine Mannschaft, die sich selbst als Titelanwärter sieht. Nach dem Champions-League-Sieg 2020 dürften diese 180 Minuten europäisch der vielleicht größte Erfolg seit dem wilden 4:2 n.V. im Achtelfinale 2016 gegen Juventus sein. Kommende Woche wollen Manchester City und die formstarke SSC Napoli nachziehen, Real Madrid steht nach dem souveränen 5:2 in Anfield so gut wie im Viertelfinale – und sie alle wissen: Dieser FC Bayern mag zwar nicht mehr so spektakuläre und erdrutschartige Ergebnisse produzieren, wie unter Hansi Flick. Mit dem Zusammenhalt in der Mannschaft und einer unfassbar großen taktischen Disziplin gehören sie dennoch fraglos zum engsten Favoritenkreis.
Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images
Victor Catalina
Victor Catalina
Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.