Der SC Freiburg hat in der UEFA Europa League einen großen Namen vor der Brust. Die Breisgauer spielen am Donnerstag auswärts im Allianz Stadium bei Juventus Turin, einem Klub, der nach eigenem Selbstverständnis zu den Big Playern in Europa zählt. Doch dieses Jahr ist vieles anders.
Juventus: Auf der Suche nach der Kontinuität
In den letzten Jahren herrschte bei Juventus Turin permanente Unruhe statt Kontinuität. Massimiliano Allegri (55), seit Mitte 2021 wieder im Amt, folgte auf zwei Trainer, die es jeweils nur auf 52 Spiele als Coach der Vecchia Signora brachten. Doch auch mit ihm, der schon vor den eben genannten Andrea Pirlo (43) und Maurizio Sarri (64) das Cheftraineramt ausübte, fehlt es an vielen Dingen. Juventus hatte in der Vorsaison mit dem Scudetto nicht viel zu tun, in dieser Saison wäre das Bild selbst ohne den Punktabzug identisch. Dieser – in Höhe von 15 Punkten – kam aufgrund von Bilanzfälschung und Marktmanipulation zustande.
Im Zuge dessen trat übrigens auch noch das gesamte Präsidium zurück. Einerseits, um Schaden vom Verein zu nehmen und andererseits, um eine Umstrukturierung zu ermöglichen. Diese läuft aber noch und inmitten all dieser Probleme schwebt auch noch der Schatten des Ausscheidens aus der Champions League über dem Klub. Die Europa League gilt eher als Beiwerk, als Trostpflaster nach einer Enttäuschung. Diesen Wettbewerb links liegen zu lassen, wäre aber keine gute Idee, denn die Bianconeri benötigen Einnahmen. Zumindest der Titel würde für eben jene sorgen.
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Die Kontinuität sucht Juventus allerdings nicht nur auf wichtigen Positionen außerhalb der Mannschaft, die auf dem Platz steht, sondern auch im Kader selbst. Viele Transfers der letzten Jahre schlugen nicht ein, zeitweise lesen sich die Aktivitäten als wäre der italienische Klub ein Sammelbecken für Mittelfeldspieler, die entweder den letzten Schritt in ihrer Entwicklung nicht gehen konnten oder über ihrem Zenit waren. Ein prominentes Beispiel ist Paul Pogba (29), der seit dem Sommer wieder für den Klub spielt, verletzungsbedingt aber noch überhaupt keine Schlagzeilen schreiben konnte.
Die Bianconeri sind trotzdem der Favorit
Das mag nun alles so klingen, als sei Juventus ein taumelnder Riese. In einigen Facetten mag das stimmen, aber die Qualität im Kader ist noch immer hoch. Bremer (25), Manuel Locatelli (25), Filip Kostic (30), Federico Chiesa (25) oder Dusan Vlahovic (23) bringen extrem viel Qualität mit, Angel Di Maria (35) kann an einem guten Tag Gegner im Alleingang besiegen und Spieler wie Nicolo Fagiolo (22), Fabio Miretti (21) oder Matias Soule (19) zeigen, dass man bei Juventus endlich wieder auf jüngere Spieler setzt und diese fördert. Es wurde eine Art Umbruch während eines Umbruchs eingeleitet, gleichzeitig könnte sich diese Ausrichtung durch die Fluktuation auf der Ebene der Verantwortlichen wieder verändern.

An guten Tagen kann dieses Team mit seiner Kompaktheit, seiner Disziplin und der nötigen Effizienz in der Offensive auch sehr schwer zu bespielen sein. Von Mitte Oktober bis Anfang Januar gewann Juventus acht Spiel in der Serie A nacheinander ohne dabei auch nur ein Gegentor zu kassieren. Es gab aber auch Spiele wie das 1:5 in Neapel, das 3:3 gegen Atalanta oder das 3:4 bei Benfica, in denen alles implodierte.
Kurz gesagt: Niemand weiß so richtig, was von den Italienern zu erwarten ist. Sind die Schlüsselspieler um Chiesa in guter Verfassung, dann gehört die Mannschaft noch immer zu den Topteams in Europa. Es gibt aber deutlich mehr Mittel, Juventus vor große Probleme zu stellen, als es vor vielen Jahren noch der Fall war. Das sollte Freiburg Mut machen, denn den großen Druck in diesem Spiel haben sicher die Gastgeber, die eine Wiederholung des 1:1 in der Zwischenrunde zuhause gegen Nantes sicher vermeiden wollen.
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SC Freiburg: In Europa… lernt man sie kennen!
Zugegeben, im Vergleich mit Juventus Turin ist der SC Freiburg ein unbeschriebenes Blatt im europäischen Fußball. Für die Fans der Breisgauer sind Heimspiele gegen Teams wie Qarabag schon Feiertage, für die Anhänger der Bianconeri die Spiele in der Europa League eher ein Abbild der Enttäuschung. Und die Breisgauer gingen derart motiviert in die Spiele der Gruppenphase, dass sie die Zwischenrunde einfach überspringen konnten. 14 Punkte aus sechs Spielen bewiesen, wozu Freiburg in der Lage ist. Vor dem Hinspiel in Turin ist die Stimmung zudem sehr gut, fünf Pflichtspiele in Folge wurden nicht verloren.
Die gute Gruppenphase in Verbindung mit dem Verweilen in der Spitzengruppe der Bundesliga sorgt dafür, dass sich der SC Freiburg einen Namen macht. Nun wird das Team von Trainer Christian Streich (57) sicher noch nicht in einem Atemzug mit der Creme de la Creme des Etablissements genannt, der Respekt seitens Klubs wie Juventus sollte aber definitiv vorhanden sein. Aus gutem Grund, denn Freiburg bringt alle Qualitäten mit, die ein Außenseiter auf dieser Ebene benötigt, um den Favoriten ein Bein zu stellen. Die Kaderbreite ist abgesehen vom Mittelfeldzentrum gut, der Trainer erfahren, die Mannschaft sehr laufstark, aber auch mit fußballerischen Elementen in ihrem Spiel, die schnelles Umschalten und vor allem präzise Angriffe ermöglichen.
Mut und Balance als Freiburger Schlüsselfaktoren
An einem guten Tag, soviel steht fest, kann Freiburg gegen jedes Team Mittel finden, um mitzuhalten. Auswärts tut sich die Streich-Elf in dieser Saison gegen Topteams aber schwer, verlor in Leipzig (1:3), Dortmund (1:5) und München (0:5) deutlich. Verschiedene Faktoren beeinflussten diese Spiele, beispielsweise der frühe Platzverweis im Spiel gegen den BVB. Es wird also von enormer Bedeutung sein, von Beginn an sehr diszipliniert aufzutreten. Freiburg muss zu seinem Kombinationsspiel finden, um sich aus dem Pressing zu befreien, gleichzeitig dürfen nicht zu viele Spieler den Weg nach vorne antreten. Das spricht für die Formation mit drei Innenverteidigern.
Diese ermöglicht es Freiburg, in der Abwehr situativ auf eine Fünferkette umzustellen, die beiden Wingbacks aber auch zu nutzen, um nach vorne anzuschieben. Fluide Spieler wie Vincenzo Grifo (29) oder Ritsu Doan (24), die nicht auf einer Position kleben, sondern die offensiven Räume frei besetzen, könnten dann mithelfen, die Defensive der Bianconeri vor Probleme zu stellen. Gleichzeitig ist die Balance wichtig. Bei Gegenangriffen oder Ballverlusten muss Freiburg schnell wieder mit vielen Spielern hinter dem Ball sein, um Juventus keine Räume zu offenbaren. Die Mischung wird entscheidend sein, um ein gutes Ergebnis hinzulegen.
Mögliche Aufstellungen im Hinspiel
Juventus: Szczesny – Danilo, Bremer, Alex Sandro – Cuadrado, Locatelli, Paredes, Rabiot, Kostic – Di Maria, Vlahovic
SC Freiburg: Flekken – Sildillia, Ginter, Lienhart – Kübler, Höfler, Eggestein, Günter, Grifo – Doan, Höler
Prognose
Freiburg muss sich auf keinen Fall verstecken. Die Breisgauer haben die Qualität, die Probleme von Juventus schonungslos offen zu legen. Wichtig wird sein, die individuell herausragenden Spieler um di Maria in ihrer Entfaltung zu stören, damit Juventus nicht viele Chancen erhält. Gelingt das, dann ist ein gutes Ausgangsresultat, sprich ein Remis oder eine knappe Niederlage, sehr realistisch.
(Photo by Helge Prang/Getty Images)