WM 2022 | One laugh: Zeichensetzung nur bis zum geringsten Druck

21. November 2022 | WM-News | BY Manuel Behlert

Am Sonntag startet die Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Vor dem Turnier verkündeten einige Protagonisten und Verbände, dass Zeichen gegen Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung gesetzt werden sollen. Kurz nach Turnierstart ist wenig davon übrig. Ein Kommentar.

WM 2022: FIFA verbietet „One Love“-Binde 

Es ist ein einfaches, aber aussagekräftiges Symbol, das einige Mannschaftskapitäne in den letzten Monaten am Arm trugen: Die „One Love“-Binde. In Regenbogenfarben soll sie unter anderem die Solidarität mit Randgruppen und der im Emirat Katar kriminalisierten Homosexuellengemeinschaft ausdrücken. Kurzum: Sie steht für Freiheit, das höchste Gut. 

Harry Kane, Manuel Neuer, Virgil van Dijk & co. wollten diese Binde als Zeichen auch bei der Weltmeisterschaft tragen. Zuletzt stieg der Druck der FIFA aber, Gerüchte machten die Runde, wonach der Weltverband dieses Zeichen untersagt. Verbände wie die FA befanden sich folglich im Austausch mit der FIFA, lange war unklar, welche Konsequenzen bei Missachtung der Vorgabe drohen.   

„Die FIFA hat sehr deutlich gemacht, dass sie sportliche Sanktionen verhängen wird, wenn unsere Kapitäne die Armbinden auf dem Spielfeld tragen“, heißt es in einem Statement des englischen Verbandes FA. Und weiter: „Wir waren bereit, Geldstrafen zu zahlen, die normalerweise bei Verstößen gegen die Ausrüstungsvorschriften verhängt würden, und haben uns nachdrücklich für das Tragen der Armbinde eingesetzt.“

WM 2022: Warum und wie wir berichten 

Die Verbände machen es sich zu einfach 

Weiterhin heißt es, dass die Verbände die Spieler nicht in eine Situation bringen wollen, dass sie mit einer Verwarnung versehen werden – oder das Spielfeld gar verlassen müssen. So werden unter anderem England, Deutschland und die Niederlande von dem Plan absehen, die „One Love“-Binde zu tragen. Damit machen es sich die Verbände, wenngleich der Weltverband ebenso, wenn nicht gar stärker zu kritisieren ist, aber zu einfach. Eine gelbe Karte ist eine zu große Strafe, wenn im Gegenzug auf Missstände hingewiesen und Diskriminierung verurteilt wird? Okay. Ihr seid eine komplette Enttäuschung, ein riesengroßer Teil des Problems. 

Die Konsequenz dessen ist, dass all die Worte, die vor dem Turnier von den Spielern, den Verantwortlichen und den Verbänden geäußert wurden, Schall und Rauch sind. Sofern es nicht zu anderen Protestaktionen kommt. Doch wer sagt, dass die FIFA, die massiv von Katar beeinflusst wird, darauf nicht auch wieder eine Antwort hat, vor der die Verbände kapitulieren? Wie wertvoll sind also Solidaritätsbekenntnisse und Ankündigungen vor dem Turnier, wenn beim geringsten Druck gleich alles über den Haufen geworfen wird?

Das Turnier in Katar hat kaum begonnen und schon werden viele Dinge deutlich. Großen Worten im Vorfeld ist nicht viel beizumessen, die FIFA will jegliche Kritik im Keim ersticken und die Verbände lassen alles mit sich machen. Eine „wir haben es ja versucht“-Mentalität ist genau das falsche Zeichen, es ist nämlich gar keines. Ebenfalls ist es zu einfach, die Spieler komplett aus der Rechnung herauszunehmen. Auch sie können Verantwortung zeigen. Sollte es bei der gelben Karte bleiben, warum läuft dann nicht in jedem Spiel ein anderer Kapitän mit dieser Binde auf? Außerdem: Eine gelbe Karte für die Missachtung der FIFA-Vorgaben hätte den Fokus auf die Binde sogar verstärkt.

Wenn selbst das simpelste Zeichen, eine einfache Kapitänsbinde, nicht gesetzt werden darf und das, wenn auch zähneknirschend, akzeptiert wird, sind die Probleme, die der Weltfußball und dieses Turnier in Katar haben, noch größer als ohnehin schon angenommen. Das Einknicken ist nicht mehr als und nicht weniger als peinlich, selbst dieser ohnehin schon halbgare Protest wird nicht durchgezogen. „One laugh“ statt „one love“, Heuchelei par excellence. Willkommen in der Realität rund um die WM 2022.

 

(Photo by Alex Pantling/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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