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Bundesliga | (K)ein One-Hit-Wonder: Frankfurts Transfersommer als nächster Schritt zum Topklub?

24. Juni 2022 | Spotlight | BY Victor Catalina

Spotlight | Eintracht Frankfurt hat sich mit dem Europa-League-Sieg und der damit verbundenen Champions-League-Teilnahme einen lange gehegten Traum erfüllt. Der jetztige Transfersommer zeigt, dass der Verein daran wachsen will. Noch gibt es allerdings einige Lücken zu füllen. Zudem macht auch die Konkurrenz Druck.

Vom Fast-Abstieg in Europas Elite: Frankfurts Aufstieg in sechs Jahren

Es war der 23. Mai 2016, als für Eintracht Frankfurt alles auf dem Spiel stand. Am letzten Bundesligaspieltag unterlag man der Bremer „Green White Wonderwall“ 0:1. Papy Djilobodji murmelte die Kugel in Minute 88 zum Siegtreffer über die Linie. Damit stand fest, dass die damals noch von Niko Kovač trainierte Eintracht in die Relegation gegen den 1. FC Nürnberg muss. Das Hinspiel in Frankfurt endete in einem 1:1. Mijat Gaćinović rettete das Remis. Zuvor unterlief ausgerechnet Marco Russ, der sich entschied trotz Krebsdiagnose aufzulaufen, ein Eigentor. Fußball kann manchmal auch ziemlich unfair sein.

Auch im Rückspiel zeigten sich die Frankfurter überlegen. Es dauerte allerdings 66 Minuten, bis Haris Seferović der entscheidende Treffer gelang. Einatmen. Ausatmen. Gerade nochmal gutgegangen.

Sechs Jahre später ist die Welt am Main eine gänzlich andere. Europa-League-Sieg, Champions-League-Teilnahme. Die Diva zeigt sich momentan – zumindest international – von ihrer allerbesten Seite. Gegen Ende der Saison setzte Oliver Glasner alles auf eine Karte, ließ in der Bundesliga zunehmend die zweite Reihe zum Zug kommen – und wurde nicht nur mit dem Europapokalsieg belohnt, sondern auch mit der von der Eintracht seit langer Zeit anvisierten Königsklasse. Mehr noch: Durch den Titelgewinn sind die Frankfurter bei der Auslosung, zusammen mit dem FC Bayern, in Topf 1 gesetzt.

 



 

Die Eintracht zeigt gegenwärtig, dass sie willens ist, wie nach dem Pokalsieg 2018, auch an diesem Erfolg zu wachsen. Mit der sicheren Champions-League-Teilnahme hat man im Rennen um Mario Götze Benfica und Ex-Trainer Roger Schmidt sowie Inter Miami ausgestochen. Dieser Transfer darf durchaus sinnbildlich für den neuen Frankfurter Aufschwung verstanden werden und als Signal, dass man auf den nächsten Europapokalsieg keine 42 Jahre mehr warten möchte. Von der nationalen Konkurrenz gab es bereits Gratulationen. „Ich freue mich für die ganze Bundesliga“, so BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gegenüber Sport1. Götze habe „die deutsche Fußball-Geschichte entschieden mitgeprägt. Ich kann Eintracht Frankfurt nur zu diesem tollen Transfer gratulieren.“

Neben dem Statement-Transfer machte die Eintracht aber noch einige andere, äußerst sinnvolle Deals: Jens Petter Hauge und Kristijan Jakić wurden beide fest verpflichtet. Mit Jérôme Onguéné und Hrvoje Smolčić kam noch etwas Polsterung fürs Defensivzentrum. Vorne hat man mit Faride Alidou und Randal Kolo Muani noch einen neuen Satz frische Reifen. Der U21-Nationalspieler, der sich auf der linken Seite am wohlsten fühlt, könnte im Falle eines Abgangs die Lücke von Filip Kostić füllen oder an der Seite von Selbigem wachsen. Kolo Muani, der wie Alidou ablösefrei kommt, gibt der Offensive – neben dem unberechenbareren Rafael Borré – einen zusätzlichen Kontrast. Mit 1,87 Metern ist er eher der klassische Stürmertyp, nachdem sich die Leihe von Sam Lammers nur bedingt ausgezahlt hat.

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Hintereggers plötzliches Karriereende sortiert die Karten in Frankfurt neu

Auf der anderen Seite ließ man die Leihe von Dominik Kohr auslaufen. Auch Danny Da Costa verabschiedete sich mit dem Europa-League-Titel von der Eintracht. Und dann kam am Donnerstagvormittag noch eine Meldung, die wie ein Urknall durch Frankfurt ging:

„Die Gründe sind im Herbst gereift, als ich einige Spiele nicht gespielt habe. Ich bin morgens aufgestanden und habe gespürt, wie schön das Leben ist, wenn du mal keinen Druck hast. Dann ist es mit der Leistung wieder bergauf gegangen, im Frühjahr. Die Siege haben sich aber nicht mehr so angefühlt, wie sie sich anfühlen müssen. Dafür war eine Niederlage doppelt und dreifach so schlimm und das hat dann nicht mehr gestimmt. In Barcelona, wo wir den größten Erfolg der Vereinsgeschichte gefeiert haben, da war es so, dass ich mich zwar mega gefreut habe, es war mit der beste Abend. Aber ich bin in den Bus eingestiegen und habe einfach gedacht: Boah, jetzt ist wirklich der Zeitpunkt, wo wir hoffentlich – jetzt erst recht – den Sieg in der Europa League noch holen und dann ist wirklich für mich Zeit, ein neues Leben zu beginnen, einen anderen Abschnitt. In dem Moment war eigentlich mein Entschluss und meine Hoffnung, nach dem Europa-League-Sieg aufzuhören.“

Bundesliga Eintracht Frankfurt Hinteregger

Photo by Alex Grimm/Getty Images

Mit diesen Worten gab Martin Hinteregger auf dem klubeigenen YouTube-Kanal einen erstaunlich offenen Einblick in sein Seelenleben und verabschiedete sich im Alter von 29 Jahren von der großen Fußballbühne. Gegner konnten ihn nicht brechen. Dafür schienen ihn die vergangenen Wochen und auch die Affäre um seinen „Hinti-Cup“ sowie die Zusammenarbeit mit dem der FPÖ nahestehenden Heinrich Sickl sichtlich mitzunehmen. Somit muss die Eintracht relativ kurzfristig den Verlust eines ihrer größten Führungsspieler nun auch dauerhaft kompensieren. Bereits in der Endphase der abgelaufenen Saison zeigte vor allem Evan Ndicka, dass er durchaus in der Lage ist, in die Rolle des Abwehrchefs hineinzuwachsen. Auch Almamy Touré lieferte, wenn er gebraucht wurde, mehr als nur grundsolide Leistungen. Nun müssen beide schnellstmöglich das nächste Level erreichen. Denn kommende Saison warten in Topf 2 – bei allem Respekt – nicht mehr West Ham United oder die Rangers, sondern der Liverpool FC, Chelsea, Atlético Madrid sowie der Sevilla FC, Gastgeber von Frankfurts Europa-League-Siegesparty. Topf 3 hält mit Inter Milan und der SSC Napoli zwei weitere große Namen bereit.

Was die Kaderbreite und auch die Qualität angeht, hat die Eintracht bislang äußerst überzeugende Arbeit geleistet. Wie bereits in Paderborn und Leipzig ist auch diesmal die Handschrift von Markus Krösche klar zu erkennen: Spieler verpflichten, die die Gewässer, in die sich Frankfurt nun begibt, bereits durchschwommen haben und von größeren Vereinen entweder nicht mehr gebraucht werden und/oder von ihren Ausbildungsklubs preisgünstig zu haben sind. Gerade einmal 22 Millionen Euro an Ablöse investierte der Klub diesen Sommer, zwölf davon für Jens Petter Hauge.

Es geht nun darum, den entscheidenden Schritt zu machen, der einen Mittelfeldklub der Bundesliga von einem Topklub unterscheidet: Leistungsträger halten, allen voran Filip Kostić. Am Donnerstag gab RB Leipzig die Vertragsverlängerung von Christopher Nkunku bis 2026 bekannt. Florian Wirtz unterschrieb sogar bis 2027 in Leverkusen. Sebastian Kehl liefert bei Borussia Dortmund im Jahr 1 nach der Ära Michael Zorc ebenfalls ein sehr ansprechendes Transferfenster ab. Genau daran muss sich Eintracht Frankfurt messen lassen, um im Mai 2028 behaupten zu können, dass man nicht nur den Sprung in die Elite der Bundesliga geschafft hat, sondern vielleicht am Römer den nächsten Europapokaltitel feiern zu können.

Photo by YANN SCHREIBER/AFP via Getty Images

Victor Catalina

 

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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